Ist es Körperverletzung 0.10?

1 Antwort

Hallo!

Das ist eine sehr interessante Frage. Um das zu erklären, muss man allerdings etwas weiter ausholen. Also setz dich bequem hin und hol dir einen Kaffee ;-)

Zunächst möchte ich erklären, wie genau das Gesetz/die Rechtsprechung eigentlich eine Körperverletzung definiert. Diese ist in § 223 StGB normiert. In den Vorschriften dahinter gibt es noch weitere Spezifikationen wie die gefährliche oder die schwere KV. Aber in § 223 StGB ist der sog. Grundtatbestand festgeschrieben.

Erforderlich für eine KV ist eine körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung. Eine körperliche Misshandlung liegt vor, wenn das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit in nicht nur unerheblichem Maße beeinträchtigt ist. Das körperliche Wohlbefinden ist beeinträchtigt, bei jeder negativen Veränderung des Körperempfindens. Das kann das Verspüren von Schmerz, Übelkeit oder Erbrechen, Schwindel oder Ekel sein. Das Abschneiden der Haare passt hier jedoch nicht hin. Denn Schmerzen oder Schwindel verspürt man dabei in aller Regel nicht.

Die körperliche Unversehrtheit ist insbes. ein Eingriff in die körperliche Integrität oder Verletzung der Substanz. Hierunter fallen Verletzungen wie Schnittwunden, Knochenbrüche, Blutergüsse... aber auch das Abschneiden von Fingernägeln oder Haaren ist eine Verletzung der körperlichen Substanz. Beim Haare schneiden wird also in die körperliche Unversehrtheit eingegriffen. Allerdings müsste dieser Eingriff eine gewisse Erheblichkeit aufweisen.

Die Frage der Erheblichkeit richtet sich nach einem objektiven Dritten und bestimmt sich insbesondere nach Dauer und Intensität des Eingriffs. Zwar dauert der Vorgang des Schneidens nun keine Woche, aber es kann - man möge mich korrigieren - auch gerne mal eine Stunde oder mehr Zeit in Anspruch nehmen. Verglichen mit der Zeit, die ein Faustschlag in Anspruch nimmt, wäre hier also schon von einer gewissen Dauer auszugehen. Jedoch wäre die Intensität sehr gering. Spürbar ist der Eingriff in keinster Weise. Ein Schlafender würde dadurch nicht aufwachen und selbst ein wacher Mensch bemerkt die Schere nicht (also klar: meistens weiß man es, aber man spürt eben nix). Ob hier also die Erheblichkeitsschwelle überschritten wird, ist äußerst fraglich. Daher dürfte hiernach keine Körperverletzung durch das Haare schneiden vorliegen.

Aber (das Leben wäre so langweilig ohne diese ständigen "Aber's"): Es kommt nicht nur auf die Spürbarkeit an, sondern auch auf die Menge der Haste, die abgeschnitten wird. Wenn nur eine kleine Locke abgeschnitten wird, dann wird sich daraus wohl kaum eine KV entwickeln können. Werden aber die "polangen" Haare auf Kinnlänge gekürzt, stellt das schon einen massiven Eingriff dar.

Es liegt somit eine körperliche Misshandlung vor, wenn der Friseur die Haare schneidet.

Nun stellt sich die Frage, wie sich ein ganzes Gewerbe mit der Begehung von Straftaten legal widmen konnte - und auch noch geduldet wird. Das liegt an § 228 StGB, der Einwilligung. Der Kunde des Friseurs willigt in das Haare schneiden ein, sodass im Ergebnis keine KV vorliegt.

Spannend ist es aber hier: Die jeweils minderjährigen Mädchen sind eben nicht mit dem Abschneiden einverstanden. Es stellt sich also die Frage, ob hier die Eltern anstelle der jungen Damen die Einwilligung erklären dürfen. Grundsätzlich steht den Eltern die Rechtsmacht zu über die körperliche Integrität des Kindes zu verfügen. Sie dürfen daher für das Kind in derartige KV einwilligen. Denkt man an eine Operation, die ein 8-jähriger über sich ergehen lassen muss, und die er selbst (verständlich) nicht will, so ist es auch gut so, dass die Eltern insoweit entschieden dürfen.

Bei einer 17-jährigen könnte man das auch anders sehen. Insbesondere wenn diese sich als grundsätzlich reif und verantwortungsbewusst zeigt, wird sie selbst ebenfalls die Befugnis zur Einwilligung haben. Das bedeutet aber noch nicht, dass die Eltern es nicht mehr dürfen! Deren Befugnis erlischt erst mit Volljährigkeit.

Ergo: Der Tatbestand der KV ist zwar erfüllt, allerdings ist diese Tat durch Einwilligung gerechtfertigt und deshalb nicht strafbar.

Ich hoffe ich konnte helfen.


TW1920  08.04.2020, 21:02

Teils falsch! Denn Eltern dürfen diese Entscheidungen nur so lange treffen, so lange betreffende Sorgebedürftige diese Entscheidung nicht selbst entscheiden können. Dies ist der Fall wenn ihnen die Einsicht und Verständnis der Folgen und Zusammenhänge fehlen.

Bei einem dreijährigen mag die Entscheidung der Eltern über die Frisur in Ordnung sein, ein Kind mit 10 hingegen kann sehr wohl entscheiden, ob es sich mit Kinn langen Haaren oder Taille langen Haaren wohler fühlt.

Auch bei Operationen haben Kinder teils Mitspracherecht! Hier kommt es halt immer auf den konkreten Eingriff und das Alter an. Hat ein zehnjähriges Kind regelmäßig blutige/eitrige Mandeln, dann können Eltern auch gegen den Willen des Kindes im Sinnde der Fürsorge eine Entfernung entscheiden. Wollen Eltern hingegen, dass abstehende Ohren eines 15 jährigen Kindes angepasst werden, wäre das nur mit Einverständnis des Jugendlichen möglich.

Generell: Sofern ein Kind/Jugendlicher die nötige Reife hat und einen Eingriff ablehnt, wird kein Arzt einen solchen Eingriff durchführen bzw. darf es auch nicht.

Kinder sind nun mal kein Eigentum und Eltern sind auch nicht der Herrscher. Viel mehr sollen sie Kinder fördern und sind für Entscheidungen zuständig, welche Kinder noch nicht alleine treffen können.

1
Julien640  21.06.2020, 23:57
@TW1920

So sehe ich das auch. Schön das es auch ab und zu mal progressive Menschen gibt.😆

1
McGranger 
Beitragsersteller
 04.09.2019, 00:14

Etwas und Rest dass das Gesetz er sagt es ist in sie 2 Fällen in Ordnung ist? Oder ist das irgendwo im Gesetz strafbar? Weil ich finde nur wegen Haarausfall der eigenen Tochter zu einem Kurzhaarschnitt zu zwingen nicht gut.

0
McGranger 
Beitragsersteller
 04.09.2019, 00:22
@McGranger

Und was ist wenn zum Beispiel die Friseurin von der Mutter. Gesagt bekommt welche die Frisur ihrer Tochter machen soll und sie dieses nicht möchtet unter was fällt das im gesetz und wer von den beiden macht sich strafbar?

0