Interpretation - "allmorgendlich" von Michaela Seul.

3 Antworten

Das, was man selbst auch hätte beobachten können:

  • die Ich-Erzählerin (es spricht dafür, dass es eine Ich-Erzählerin ist, da sie sagt, dass sie nicht neidisch auf sie sei, weil sie sie nicht schön fände) steigt jeden Morgen um 8.11 Uhr, 4 Minuten vor der Frau in kirschrot in den Bus und vor ihr aus, um zur Arbeit zu fahren

  • die Frau steigt jeden Morgen (außer während dieser paar Tage, an denen sie nicht da war) um 8.15 Uhr in den Bus, Ausstieg unbekannt. Kirschroter Mantel, weiße pelzbesetzte Stiefel, schwarze Tasche, Haarknoten. Sie setzt sich jeden Tag auf den gleichen Platz, liest die Zeitung und holt drei Haltestellen später ihre Brote (eines mit Salami, eines mit Mettwurst) hervor und isst sie.

Die Ich-Erzählerin selbst sitzt wahrscheinlich ebenfalls immer auf dem gleichen Platz - einem, von dem aus sie sie offenbar ziemlich penetrant anguckt. Sie stößt sich an ihr, ohne dass sie ihr wirklich einen Grund gegeben hätte, allein durch ihre Anwesenheit, aber auch dann, wenn sie nicht da ist. Alles, was sonst über die Frau in kirschrot gesagt wird, ist subjektiv - mehr noch, erfunden, hinzugedichtet. Das Weiterdenken in diese Richtung überlasse ich nun Dir.

Abschließend der Satz der Freundin, der der Ich-Erzählerin einen Spiegel vorhält: Dass sie selbst immer auf demselben Platz sitzt, dass sie selbst vielleicht mürrisch guckt - und zwar vielleicht keine Brote isst und Zeitung liest, aber halt diese Frau in kirschrot anguckt. Was stört also - die Frau in kirschrot selbst oder die Selbsterkenntnis, dass sie eben die sie nervenden, immer gleichen Abläufe selbst zeigt. Und dann auch in diese Richtung weiterdenken...


aktsma 
Beitragsersteller
 05.05.2014, 23:45

Danke!

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Die Pointe des Schlusses -

Beate, der ich nie von IHR erzählt hatte, lachte plötzlich, zupfte mich am Ärmel und flüsterte:
Schau mal, die mit dem roten Mantel, die jetzt das Brot isst, also ich kann mir nicht helfen, aber die erinnert mich unheimlich an dich. Wie sie isst und sitzt und wie sie schaut“, -

lässt den Schluss zu, dass die Erzählerin ein tief sitzendes, abnorm gesteigertes Minderwertigkeitsgefühl hat und sie geradezu von Selbsthass und Selbstverachtung getrieben ist, denn alles, was sie an sich nicht leiden kann, entdeckt sie, ohne dass es ihr bewusst ist, an der anderen, sodass als Folge alles auch an deren Äußerem ihr automatisch widerlich ist.


aktsma 
Beitragsersteller
 05.05.2014, 23:45

Danke!

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Die Frau im kirschroten Mantel wird ziemlich arrogant beschrieben, kommt sich so vor als ob sie was besseres wäre, die kommt auch wohlhabend rüber meiner Meinung nach.


vanesma  05.05.2014, 10:41

Doch.

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LolleFee  05.05.2014, 11:58
@vanesma

Überleg Dir, was man sicher von der Frau in kirschrot weiß, also was man ebenso sähe, wenn man in dem Bus säße. Was ist Beschreibung und was ist Fiktion? Arrogant, darauf ließe ich mich wegen "mit hoch erhobenem Kopf" gerade noch so ein. Die Frau wird eigentlich gar nicht beschrieben, nur, dass sie zusteigt, einen Stammplatz hat, Zeitung liest und isst! Was beschrieben wird, sind die Gedanken, die sich die Erzählerin zusammenspinnt.

Und mal abseits von Hirngespinsten und Realität: Woran machst Du fest, dass sie sich vorkommt, als sei sie etwas Besseres? Wegen der pelzbesetzten Stiefel und wegen des hoch erhobenen Kopfes? Ansonsten sind die Hirngespinste doch eher Richtung "ungehobelt" (ich denke da mal an das primitivste Boulevardblättchen, schmatzen und stinken...). Und wohlhabend? Dazu passen doch die Butterbrote überhaupt nicht.

Was Du liest und was im Text steht - das ist ein Unterschied!

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vanesma  05.05.2014, 12:59

Was auch immer ^^ Mein Lehrer meinte es passt und ist gut.

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LolleFee  05.05.2014, 14:04
@vanesma

Na dann. Der Lehrer - das Maß aller Dinge! =))))

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