Innertialsystem und Scheinkräfte?

3 Antworten

Zum Beispiel mit dem Kugel auf dem Tisch (statt Kugel wäre ein reibungsfrei gleitender Körper besser, denn sonst treten Haftreibungskräfte auf, wenn die Kugel rollen soll): Der Tisch werde beschleunigt. In einem Inertialsystem bleibt die Kugel in Ruhe, in Übereinstimmung mit dem 2. Newtonschen Gesetz F=m*a, denn es wirkt ja keine Kraft auf den Körper (relevant sind hier nur horizontale Kraftkomponenten).

In einem beschleunigten Bezugssystem, in welchem der Tisch ruht, wird der Körper allerdings beschleunigt, obwohl keine reale Kraft auf ihn wirkt (real im Sinne, dass die Kraft auf eine der grundlegenden Wechselwirkungen, Gravitation oder elektromagnetische Kräfte, zurückzuführen wäre). Damit die Gleichung F=m*a dennoch auch in einem solchen Bezugssystem gilt, muss eine Trägheitskraft



eingeführt werden, wobei a hier die Beschleunigung angibt, mit der sich das Bezugssystem relativ zu einem Inertialsystem bewegt.

Scheinkräfte treten also nur in beschleunigten Bezugssystemen auf und sind nicht "real". Es gibt zu ihnen auch keine Reaktionskraft im Sinne des 3. Newtonschen Gesetzes.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Johannes7131717 
Beitragsersteller
 12.10.2024, 22:01

Ps: ist für den Beobachter im Inertialsystem die Scheinkraft diejenige, die die Kugel wegbewegt, oder die Kraft, die die Kugel wieder zum stehen bringt (also die Kraft mit welcher das Fahrzeug angetrieben wird)?

Clemens1973  12.10.2024, 22:53
@Johannes7131717

Zum Beispiel mit der Kugel: da verstehe ich nicht ganz, was Du meinst. Wenn die Kugel im mit dem Tisch beschleunigten Bezugssystem abgebremst wird, dann muss ja irgend eine Kraft auf ihn wirken?

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Sagt man jetzt, dass die Kugel quasi mit der Scheinkraft wegbeschleunigt wird?

-Ja, könnte man sagen. 

Nochmals grundsätzlich. Auf die Kugel -oder welchen Körper auch immer- wirken echte Kräfte, also Kräfte wie Gewichtskraft/Hangabtreibungskraft bei schiefem Tisch, Reibungskräfte, elektrostatische Kräfte (alle diese Kräfte im Alltagsleben beruhen letztendlich immer auf gravitativen oder elektromagnetischen Wechselwirkungen mit einem anderen Körper). Oder es können auch gar keine Kräfte wirken parallel zur Tischebene. Diese Kräfte (bzw. Kraftabwesenheit) haben nichts mit dem Bezugssystem zu tun, sie treten in jedem Bezugssystem auf. Nur in Inertialsystemen aber gilt

a=(Summe aller (realen) Kräfte/m

In beschleunigten Bezugssystemen gilt dies i.a. nicht. Man misst dort eine andere Beschleunigung als die Summe auf der rechten Seite der Gleichung. Der Körper verhält sich so, als würde eine zusätzliche Kraft oder als würden zusätzliche Kräfte auf ihn wirken. Diese Kräfte nennt man Scheinkräfte.

Was das 1. Newtonsche Gesetz betrifft: ja, wenn keine Kraft auf einen Körper wirkt, gilt in einem Inertialsystem (Spezialfall von obiger Gleichung)

a=0

In einem beschleunigten Bezugssystem aber ist die Beschleunigung ungleich null, die Gleichung gilt nicht. Man muss eine Trägheitskraft einführen oder, z.B. in rotierenden Bezugssystemen, eine Zentrifugal- und je nachdem Corioliskraft, welche die Beschleunigung erklärt.

Noch zum Fahrzeug: weiss jetzt nicht genau, was Du meinst. Aber z.B. beim Abbremsen werden Personen nach vorne beschleunigt, beim Anfahren in den Sitz gedrückt. Es gibt aber keine echten physikalischen Kräfte, die dafür verantwortlich sind (welche sollten dies sein?). Es sind Trägheitskräfte, die Im mit dem Fahrzeug beschleunigten Bezugssystem wirken. Beim Anfahren nach hinten, beim Abbremsen nach vorne.

Johannes7131717 
Beitragsersteller
 13.10.2024, 07:47
@Clemens1973

Okay,

Danke. Aber ich verstehe folgrnded nicht. Die Kugel bewegt sich ja in der Regel weg, bleibt sber nach einer Zeit stehen. Wie erklärt man das? Dann müsste ja die Scheinkraft ausgeglichen werden? Oder wie stellt man sich das vor? Und jetzt bezogen auf die Zentrifugalkraft. Wie stellt man es sich da vor, sagt man, weil man ja anscheinend in die Mitte (Zentripetalkraft) angezogen wird, sich aber nichg in dke Mitte bewegt, muss eine Scheinkradt die Zentripetalkfraft kompensieren?

Clemens1973  13.10.2024, 10:45
@Johannes7131717

Was meinst Du mit die Kugel bewegt sich "weg" - von was weg?

Ich bin auch nicht sicher - gehst Du von einem Tisch aus, der gedreht wird, oder von einem Tisch, der in gerader Richtung beschleunigt wird?

Vielleicht meinst Du, dass an einem Tisch ruckartig gezogen wird, sodass sich Gegenstände darauf verschieben? In diesem Fall wird der Tisch zuerst beschleunigt und dann wieder abgebremst, es gibt also zwei Beschleunigungen mit verschiedenen Vorzeichen. Ebenso wirken nacheinander Trägheitskräfte zuerst in die eine, dann in die andere Richtung.

Zentrifugalkraft: Nehmen wir den Mond. Dieser wird durch die Gravitationskraft von der Erde angezogen. Es wirkt also eine Zentripetalkraft hin zum Schwerpunkt des Erde-Mond-Systems, um den sich beide gemeinsam drehen. Im Inertialsystem ist das alles, diese Kraft erklärt die Kreisbewegung des Mondes, die eine beschleunigte Bewegung ist.

In einem mit dem Mond mitrotierenden Bezugssystem befindet sich der Mond in Ruhe, obwohl auch in diesem Bezugssystem der Mond durch die Erde angezogen wird. Führt man eine zur Zentripetalkraft entgegengesetz gleichgrosse Kraft ein, wird die resultierende Kraft gleich null, in Übereinstimmung mit der Beschleunigung a=0.

In einem rotierenden Bezugssystem tritt aber natürlich immer eine Zentrifugalkraft auf, auch wenn es keine Zentripetalkraft gibt. Insbesondere dann tritt auch eine Corioliskraft auf (allgemein dann, wenn der Körper eine Geschwindigkeitskomponente senkrecht zur Drehachse hat, radial oder tangential). 

Johannes7131717 
Beitragsersteller
 14.10.2024, 11:47
@Clemens1973

ich habe den letzten Abschnitt nicht ganz vertstanden: Befinden wir uns in einem rotierenden System, wobei der mitortierende den Eindruck gewinnt, dass sich das System nicht bewegt, so führt man eine Scheinkraft ein, um das zu begründen. Befinde ich mich beispielweise in einem Auto, dass beschleunigt und alle Bezugspunkte um das Auto werden beschleunigt und beim Bremsen falle ich plötzlich nach vorne, so denke ich, dass mich eine Kraft nach vorne stößt, richtig? Also eine Scheinkraft. Jetzt zum Mond: Der Mond wird von der Erde angezogen, der Mond bewegt sich daher kreisförmig um die Erde. Auf dem Mond selber, spürt man diese beschleunigte Bewegung nicht, beziehungsweise nimmt man diese nicht wahr. Deswegen schließt man darauf, dass es eine Zentrifugalkraft gäbe, die die Anziehung ausgleicht, sodass die Gesamtkraft auf den Mond gleich 0 ist, verstehe ich das richtig?

Aber grundsätzlich gibt es keine Scheinkräfte, es ist immer nur die Trägheit eines Körpers. Wenn aber beide Bezugssysteme gleich beschleunigt sind, dann gilt wieder das Trägheitsprinzip, oder?

PS: Erstmal danke für die guten Erklärungen, könntest du mir vielleicht erklären, was die Tangialbeschleunigung ist? (bezogen auf Kreisbewegungen). Wirkt die Tangialbeschleunigung in die selbe Richtung wie die Bahngeschwindigkeit (wobei ja die Bahngeschwindigkeit konstant ist, oder?).

Viele Grüße

Johannes7131717 
Beitragsersteller
 12.10.2024, 21:47

Nochmal zum Beispiel mit der Kugel. Verstehe ich also richtig, dass ,an sagt, wenn man sich im beschleunigten Bezugssystem befindet, ist der Tisch in Ruhe. Wenn sich also die Kugel weg bewegt, dann muss auf diese eine Kraft wirken. Ab hier jedoch folgende Frage: Sagt man jetzt, dass die Kugel quasi mit der Scheinkraft wegbeschleunigt wird? Aber wenn diese dann wieder stehen bleibt, dann heißt das ja, dass diese Scheinkraft offensichtlich wieder kompensiert wird, von der "normalen" Beschleunigung dann, oder? Wieso kompensiert dann die normale Kraft nicht direkt die Scheinkraft, beziehungsweise, wieso, wenn es in diesem Bezugspunkt eine Scheinkraft gibt, kommt es überhaupt zur Bewegung der Kugel. Dann laß ich im Buch den Satz , dass wenn das erste Axiom gelten soll, man Scheinkräfte einführen muss. Aber, wenn man sagt, dass auf den Körper eine Scheinkraft wirkt, so kann dieser doch gar nicht mehr träge sein, oder was verstehe ich falsch

Kann ich dann nicht auch einfach folgern, dass sie aufgrund ihrer Trägheit zu keiner Geschwindigkeitsübertragung kommt?

Nein, kannst Du nicht. Du gehst immer davon aus (und das ist allzu menschlich), dass Du Deinen Rotationszustand (er-)kennst. Du erkennst den Rotationszustand jedoch nur durch die Erfahrung von Scheinkräften. Hättest Du keinerlei Blick nach "außerhalb" Deines rotierenden Bezugssystems, gibt es erstmal keinerlei erkennbare Kraft, die an dem Körper ansetzt und nach Newtons F=ma dürfte sich daher nichts von Dir wegzubewegen beginnen. Aber das tut es. Daher musst Du eine Kraft annehmen (eine Scheinkraft, sagt der außenstehende Beobachter) oder eben schlussfolgern: Wir beide (ich der Beobachter und der Körper) rotieren und ich müsste mich nach "draußen" versetzen, um den Vorgang aus einem Inertialsystem beobachten und zu beschreiben zu können.

Entscheidend für das Verständnis dieser beiden Beschreibungsweisen ist es, die Beobachterposition (und das kann auch eine Kamera sein, der nicht schwindlig wird, wenn sie sich schnell dreht ;-)) nicht unwissentlich mitten in der Argumentation oder Beschreibung eines physikalischen Vorgangs zu wechseln. Das ist manchmal tatsächlich nicht ganz leicht.

und die Kugel auf dem Tisch fängt sich an, von mir weg zu bewegen.

und

dass (...) zu keiner Geschwindigkeitsübertragung kommt

(ich nehme an du meinst geschwindigkeitsänderung)

widerspricht sich.

wenn sie plötzlich anfängt sich zu bewegen dann hat sich ihre geschwindigkeit geändert.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Physiker (Teilchenphysik)