Ikonen

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Endlich mal eine Frage zu meinem Spezialgebiet :D

Erst einmal muss man sagen, dass es sich ja um unterschiedliche Zeitabschnitte handelt. 1453 wurde Konstantinopel, das Zentrum des byz. Reichs erobert und danach kann man nicht mehr von Byzanz sprechen. 988 ließ sich (der Legende nach) Wladimir I taufen, damit begann (so kürzt man die Geschichte gerne ab) das Christentum in der Rus. Es dauerte aber einige Jahrhunderte bis es vollkommen entwickelt war. Und die russische Ikonenmalerei entwickelte sich über mehrere Jahrhunderte (eigentlich bis heute, denn auch heute werden Ikonen gemalt... eine Unterbrechung gab es natürlich nach 1917...) Das heißt, es gibt schon einmal eine zeitliche Diskrepanz, die sich natürlich auch auf den Malstil auswirkte. In der Anfangszeit der russischen Ikonen kann man aber noch nicht so sehr von großen Unterschieden sprechen, was vor allem auch damit zu tun hat, dass byzantinische Maler und griechische Maler in die Rus kamen, um dort zu malen. Die "Russen" haben also erstmal dadurch gelernt und die Stile haben sich vermischt, dass man es kaum auseinanderhalten konnte.

Nach und nach wurde es in Russland dann aber wichtiger, dass die Heiligen auch feinere, russischere Gesichter haben: Das heißt: Die Nase wurde schmaler, die Haut heller, die Augenbrauen feiner. Während die byzantinischen Ikonen bis zum 12. Jahrhundert im Stil der Enkaustik gestaltet waren, begann in der Rus schnell die Eitemperatechnik. Das kann man nicht vereingemeinern. Aber Enkaustik fand man in Russland eher selten (was noch einmal ein Unterscheidungsmerkmal ist). Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Optik. Mit der Tempera kann man feinere Linien ziehen und so war es auch der Wunsch, dass der Assist (die feinen Goldfäden) sehr fein waren, um die hohe Geistigkeit der Darstellung zu zeigen.

Als die Ikonenmalerei in Russland ihren Höhepunkt fand, war sie bereits als religiöse Kunst fest etabliert. In den frühen byzantinischen Ikonen hingegen musste man sich an vorangegangenen Beispielen orientieren: Das bedeutet: Die ägyptischen Mumienportraits und die Herrscherportraits Byzanz. Das sieht man natürlich auch.

Von der Thematik her gibt es auf den ersten Blick nicht so viele Unterschiede. Denn ein Bild musste sich ja (nach der Argumentation gegen die Ikonoklasten) als heilig etabliert haben. Das heißt: Hat ein Bild eine Wundertat vollbracht oder galt es als "echtes" Bild (Lukasmadonna, Abgarbild, Schweißtuch der Weronika), dann konnte man von diesem Bild auch Kopien fertigen. Denn die Heiligkeit sitzt ja nicht IN einem Bild, sondern das Bild ist ein Abbild des Urbilds (das heißt: des Heiligen) und so ist die Komposition, die sich wundertätig bestätigt hat auch ein Bild, das kopiert werden durfte.

In Russland hat man also anfangs erst einmal die Kompositionen Byzanz übernommen. Aber später hat man eigene Heilige gehabt und neue Bildthemen entworfen, die es in Byzanz so nie gab.

Da die russische Ikonenmalerei ja so viele Jahrhunderte überlebt hat und da Russland ein so irrsinnig großes Land ist, haben sich auch eigene Schulen gebildet, die natürlich auch einen gewissen Stil prägten. In Pskov war das Rot sehr prägend, während in Wladimir die feinen Lichtreflexe auf den Gesichtern ein Merkmal waren usw.

Deswegen ist es auch für Ikonenexperten manchmal nicht einfach die Region zu bestimmen. Ein ganz klares Unterscheidungsmerkmal ist natürlich die Schrift. Ikonen tragen ja auch Beschriftungen und in Russland war das Altrussisch und in Byzanz eben Griechisch.

Vor allem zu Renaissancezeiten haben sich die russischen Ikonenmaler auch von westlichen Einflüssen inspirieren lassen und oftmals Szenen aus (holländischen) Bibelillustrationen übernommen.

Auch die Architektur auf den Bildern unterscheidet sich logischerweise. Man wollte (zur Involvierung des Betrachters) ja einige lokalspezifische Dinge einbauen. Das war die Optik der Heiligen, die Architektur, der Rahmen, die Pflanzen und vieles mehr.

Ein eindeutiges Entscheidungsmerkmal gibt es nicht, aber viele kleine Hinweise. An sich kann man es aber besten an der Schrift und an den Gesichtern und auch an den Kompositionen erkennen.

Wenn du einen konkreten Vergleich bräuchtest, musst du nur bescheid geben