Ich will aufhören zu lügen, wie schaffe ich das?

6 Antworten

Ich glaube nicht, dass deine Mutter dich hasst oder dich für ein Monster hält. Naja, vielleicht für ein kleines Monster.

Solche Lügen wie "alle finden dich toll" bewirken ja erst mal, dass der Belogene sich klasse fühlt. Ist also nicht wirklich schlecht. Wie das dann aber zum Mobbing und Suizidversuch führt, entzieht sich meiner Kenntnis.

Wenn man lügt, braucht man ein verdammt gutes Gedächtnis, weil Lügen sich ausbreiten wie Bazillen in einer Petrischale. Auf eine Lüge muss die nächste Lüge folgen und so weiter.

Es ist sehr viel weniger anstrengend, gelegentlich ehrlich zu sein. Man muss nicht unbeding sagen: "LIebe Güte, das Kleid sieht ja aus wie ein Kartoffelsack und du in der Leggings wie ne Presswurst". Da kann man ein bisschen drumherumreden. Das ist erste Hilfe.

Aber kannst du für dich nicht sagen: ich lüge jetzt mal weniger, wenn du es schon gar nicht lassen kannst?

Und frage doch mal deine Mutter, ob sie dich für ein Monster hält. Das tun Mütter echt selten. Ist es echt soooo schlimm?

Wenn ich Deine Frage lese, glaube ich, dass Du ein ganz weites Herz hast und viel Phantasie. Und das ist erst einmal gut.

Was ist denn Lüge, was ist Wahrheit? Da gibt es einen großen Spielraum, und viel hängt von der einen Wahrnehmung ab. Wer behauptet, man könne leben ohne zu lügen, der lügt sich selber was in die Tasche.

Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist: Die Welt ist ganz schön unbarmherzig. Das ist so. Und es ist manchmal unendlich schwer, dies auszuhalten. Du merkst gerade, dass es überhaupt nichts hilft, sich und anderen die Wahrheit übermäßig schön zu reden. 

Viel wichtiger ist es, gemeinsam die Wahrheit auszuhalten. Wenn jemand dick und hässlich ist: Dann muss man es ihm oder ihr nicht unbarmherzig um die Ohren hauen. Aber man kann zeigen, dass man zu ihr oder zu ihm hält, und dass es Wichtigeres gibt als z.B. das Aussehen.

Ich würde Dir zu einer Lebensberatung raten. Die gibt es mit einer gewissen Wartezeit oft bei kirchlichen Beratungsstellen ziemlich günstig/oft kostenlos oder gegen kleines Geld. Da geht es erst einmal nicht um Glauben und Gebete oder so, sondern darum, Dein Problem zu erkennen. Vielelicht empfehlen sie Dir auch eine Therapie. Das wäre eine echte Chance.

Jedenfalls könntest Du da z.B. der Frage nachgehen, wie es eigentlich gekommen ist, dass Du schon im Kindergarten solche Geschichten erfunden hast. Das könnte auch an Deinen Eltern liegen. Irgend einen Sinn muss es ja gehabt haben! Und wenn Du das heraus findest, dann kannst Du leichter daran arbeiten.

Kinder sind jedenfalls sehr sensibel, wenn es ihnen schlecht geht und sie können sich der Situation sehr gut anpassen, damit sie ohne zu großen Schaden überleben. Warum waren diese Geschichten für Dich überlebenswichtig? Und welchem Schaden bist Du mit diesen Geschichten ausgewichen?

Ich finde es gut, dass Du jetzt Verantwortung für Dich und Deine Freunde übernimmst und an Dir arbeiten willst. Ich wünsche Dir, dass Du kompetende Menschen findest, die Dich dabei gut unterstützen können.

Deine Frage lässt sich von meine Seite aus recht gut beantworten, weil du den Fall so ausführlich beschrieben hast. Alles, was ich hier schreibe, sind Vor- und Ratschläge und keine festen - zu 100% wirksamen - Methoden, weil es soetwas auch nicht gibt. Wenn du willst, kannst du nach jeder Zeile kurz aufhören zu lesen und kurz inne halten, um die Informationen aus dem Satz zu verinnerlichen.

Was ich an deiner Stelle tun würde, ist mir Mühe zu geben, die Sichtweise auf die eigene Identität zu ändern. Damit ist gemeint, dass du lernst, dich selbst nicht (mehr) als Lügner zu sehen, auch wenn du jetzt im Moment vielleicht "weißt, dass du doch einer bist". Wie machs du das? So: Du musst wissen, dass ein Mensch nicht das ist, was er in Vergangenheit getan hat, auch wenn er es schon immer so getan hat. Jedes Lebewesen unterliegt einer laufenden, niemals endenden, Entwicklung und wenn du dich dazu entscheidest dich dahingehend zu entwickeln, nicht/nie mehr zu lügen, dann kannst du dich dahingehend entwickeln, völlig unabhängig von der früheren Geschichte. Womit du dann beginnen kannst, ist, dass du dich an Momente erinnerst, bei denen du nicht gelogen hast, auch wenn es noch so "selbstverständliche Kleinigkeiten, bei denen niemand lügen würde" waren. Dir wird zu 100% etwas einfallen, wenn nicht sogar tausende Dinge, wenn du dir mehr Zeit dafür gibst, dich daran zu erinnern. Du suchst dir dann die Erinnerungen raus, bei denen es sich gut angefühlt hat, ehrlich zu sein. Erinnere dich an das Gefühl, genau das gesagt zu haben, was ehrlich und richtig für dich wahr. Dadurch wird dir auffallen, dass es einen ehrlichen Teil in dir gibt, der sehr gern ehrlich und aufrichtig ist und dass sich ehrlich sein gut anfühlt.

Wenn du noch Lust hast, kannst du bezüglich des Lügens genau das gleiche in anderer Richtung machen, indem du dich an Momente, bei denen du gelogen hast und sich schlecht angefühlt haben, erinnerst und das Gefühl, wie du dich schlecht gefühlt hast herstellst. Mach dir keine Sorgen darüber dich schlecht zu fühlen, das darf man schon mal. :) Dadurch stärkst du möglicherweise den Willen in dir, ehrlicher zu werden. Wenn du dies machst, solltest du aber unbedingt danach noch ein paar "ehrliche Taten" in dir herauskramen und dich dafür gut fühlen.

Nun möchte ich dir noch erklären, woran es möglicherweise liegen kann, dass du oft unehrlich warst: Es gibt einen Teil in dir, der meint, es wäre besser unehrlich zu anderen zu sein, weil es für "irgendetwas" besser wäre. Und wie du oben beschrieben hast, hattest du meist gute Absichten beim Lügen, indem du anderen z. B. bei etwas helfen wolltest (weil du die Nachwirkungen, dass dies auf lange Zeit nicht helfen wird, vielleicht auch nicht sofort gesehen hast, als du gelogen hast). Du darfst dir also selbst dafür verzeihen, gelogen zu haben, weil du es zu diesem Moment nicht besser wusstest. Jetzt weißt du es aber Besser und deswegen ist in dir auch der Wille geweckt, es in Zukunft besser zu machen.

Durch diese Frage hier auf dieser Seite hast du bereits den ersten Schritt in Richtung Ehrlichkeit getan. Du hast hier öffentlich deine Lügengeschichten geteilt und stehst dazu, früher viel gelogen zu haben. Und siehst du: Wer zu früheren Lügen steht, der ist immer ehrlicher als jemand, der seine früheren Lügen immer nicht vergräbt. Wenn du Lust hast, kannst du nach und nach damit beginnen, dich bei anderen für deine Lügen zu entschuldigen und ihnen, wenn sie zuhören wollen. erklären, aus welchem Grund du gelogen hast und welche (wahrscheinlich guten) Absichten du dabei hattest. Sei dir aber nicht böse dafür, wenn sie dir nicht verzeihen, denn damit schiebst du nur Verantwortung auf andere ab. Am wichtigsten ist, dass du dir selbst dafür verzeihst. Sich bei anderen für soetwas zu entschuldigen ist ein unheimlich aufrichtiger Schritt. Du musst aber auch wissen, dass du dich nicht bei ihnen entschuldigen musst.Tue es dann, wenn du es für richtig hältst und es sich für dich selbst gut anfühlt.

Am Ende wirst du dadurch ehrlich sein, indem du dich dazu entscheidest, weniger zu lügen, indem du dir für dein früheres Lügen verzeihst und nicht aufgibst, wenn es doch das ein oder andere Mal wieder vorkommen sollte, dass du lügst. Handle so, wie es sich für dich richtig und ehrlich anfühlt. Liebe Grüße! :)


MetalMonkey  31.01.2016, 18:36

Korrektur:
*Wer zu früheren Lügen steht, der ist immer ehrlicher als jemand, der seine früheren Lügen vergräbt.
Und einmal muss ein Punkt ein Komma sein.. ;)

0

Mit dem was passiert ist endgültig abschließen und einen Neuanfang starten.

Einfach die Wahrheit sagen ferig