Ich kratze mich blutig

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Den ersten Schritt hast du schon. Du hast den Zusammenhang festgestellt. "Immer wenn ich sauer oder traurig bin..."

Jetzt die Frage an dich: Warum tust du das dann? Klar, du bist sauer. Aber wozu kratzen? Was bezweckst du damit, was ist dein Ziel? Es ist ja immerhin keine logische Folge aus dem Tatbestand. Es muss also ein Motiv geben. Geh der Sache weiter nach!

Dann frage dich: gibt es vielleicht eine andere Möglichkeit, dein Ziel zu erreichen?

Einer der Aspekte, wenn du dich selbst kratzt, ist vielleicht, dass du dich spürst. Du stehst in dem Moment unter emotionalem Druck, du erlebst seelische Hochspannung. Du suchst nach Halt. Was kann dir Halt geben? - Dein Körper? Ja, für viele Menschen ist das der Fall.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten zu reagieren, wenn einen heftige Gefühle, Konflikte oder auch einfach nur "Stress" bedrängen und aus der Bahn werfen. Viele flüchten vor dem Druck so dass sie sich ablenken (Spiele, Medien...), viele suchen danach sich so zu betäuben dass sie den Schmerz oder die Wut nicht mehr spüren können (Alkohol, Drogen, Spielsucht, Sex, laute Musik...), viele stopfen sich mit Essen voll, und viele versuchen ihren Körper zu spüren (selbstverletzendes Verhalten, Sex (du siehst, das selbe Verhalten kann verschiedene Motive und verschiedene Wirkungen haben!), oder aber auch Sport, an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit gehen, sich so auspowern dass eine natürliche Müdigkeit eintritt bei der man seinen Körper in einer wohligen Schwere spürt... manche setzen sich in solchen Momenten starken Sinnesreizen aus, essen zB Chili oder Zitrone oder Meerrettich. Manchen helfen Wechselduschen. Manchen reicht es, die Faust zu ballen...). - Es gibt außerdem noch weitere Wege, zB beten oder meditieren oder rechnen oder andere Übungen, die die Aufmerksamkeit gezielt auf etwas richten, bewusst und will-kürlich.

Versuche dir klar zu werden, was ein wirklich hilfreicher Weg wäre, mit diesen Emotionen sinnvoll umzugehen. Sie sind ja wichtig, sozusagen Alarmglocken der Seele. Sauer: Du fühlst dich durch irgendetwas bedroht, bedrängt oder verletzt. Traurig: im Grunde das selbe, aber hier richtet sich diese Energie nicht nach außen (sauer auf...), sondern nach innen. In beiden Fällen geht dir etwas zu nah oder gegen den Strich, und du bist aufgefordert, dich mit diesem "etwas" auseinanderzusetzen.

Du willst dich wehren (sauer), "darfst" aber vielleicht nicht und richtest diese Energie nun gegen dich selbst (kratzen). Du fühlst dich in deiner Verletzung hilflos, ohnmächtig und versinkst in Trauer.

Die Emotionen treten auf, und sie haben ihren Grund und ihr Recht, aber dann ist die nächste Frage, wie gehe ich nun damit um. Lasse ich mich von den Gefühlen völlig außer Gefecht setzen oder schaffe ich es, Herr im Haus zu bleiben und die Sache in die Hand zu nehmen. ("Ich bin sauer. Aha. Warum? Ach so, ich fühle mich bedrängt. Damit hat das Gefühl "sauer" seinen Part gespielt. Es hat mich aufmerksam auf eine Störung gemacht, und ich habe herausgefunden, was los ist. Jetzt bin ich gefragt, der Herr im Haus. Wie reagiere ich jetzt sinnvoll? Wehre ich mich? Setze ich mich durch? Verzichte ich? Suche ich mein Glück woanders? Oder kratze ich mich blutig?")

Wie bleibe ich Herr im Haus und lasse mich nicht von den Gefühlen regieren? Dafür gibt es kein Patentrezept. Du musst deinen eigenen Weg finden, und vielleicht ist es sogar immer wieder etwas anderes, was hilft, jetzt konkret damit klarzukommen und das Beste aus der Situation zu machen. Vielleicht wirst du dabei sehr erfinderisch, eine Art "Lebenskünstler"...

Wenn du es gar nicht schaffst, aus eigener Kraft einen für dich gangbaren Weg zu finden, bleibt noch die Möglichkeit, dass du dir einen "Seelen-Coach" zu Hilfe nimmst: Psychotherapie. Aber auch da wirst du finden: Es ist Hilfe zur Selbsthilfe. Letztendlich bist - DU gefragt.

Alles Gute!


torgeILY 
Beitragsersteller
 14.12.2013, 22:49

Danke für die ausführliche antwort

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Ich würde auch sagen das du es damit versuchen kannst, Handschuhe oder so etwas anzuziehen, wenn du merkst das du sauer wirst. Es wird dadurch nicht nur weniger Verletzungen geben, sondern du wirst auch daran erinnert, dass du es eigentlich abstellen willst. Wenn du das öfters durchgezogen hast, hast du es irgendwann bestimmt auch abgestellt. Das dauert allerdings, ja nach Häufigkeit und Art des Kratzens, schon seine Zeit. Aber so würdest du es vielleicht alleine schaffen.

Das Wichtigste hast du nämlich schon: den Willen es zu schaffen!

Wenn das alles nicht hilft, musst du halt doch mal zu einem Arzt, was ja auch nicht schlimm ist.

Liebe Grüße und viel Erfolg,

Lukas

Zieh die Hanschuhe/Stulpen oder beides an, wenn das nicht hilft dich davon wegzubringen, würde ich zum Arzt gehen. (oder geh direkt dahin)