Hallo, wie würdet ihr folgendes Gedicht interpretieren?

2 Antworten

Durch eigene Recherchen (nicht durch Hilfe des Fragestellers!) habe ich herausgefunden, dass das Gedicht von Brecht ist ("Morgendliche Rede an den Baum Griehn"). Ich habe Schwierigkeiten, das Gedicht in sein Gesamtwerk einzuordnen, und ich habe nur wenig im Netz gefunden.

Der [Brecht] hat ein anderes Verhältnis zur Natur, was man schon am distanzierten „Sie“ erkennt, mit dem er den Hinterhofbaum anredet. Und, wie fast immer bei Brecht, dient die Naturbeschreibung nur dazu, uns was zu erklären. Nämlich vor allem das mit der „ unerbittlichen Nachgiebigkeit„. Das ist schon ziemlich genial. Dabei geht es um Moral, um Guerillataktik und das Überleben in schweren Zeiten.

Hier gefunden: Lyrik – Opa Hans (wordpress.com)

Möglicherweise ist das auch resignierend-sarkastisch gemeint: Nur durch Anpassung kann man überleben und sogar "so hoch heraufkommen zwischen den Mietskasernen" (Proletarier).

Zur letzten Zeile: Ich habe den Text auf verschiedenen Seiten so gefunden,aber es erschiene mir verständlicher, wenn es "so zu Ihnen kam wie heute Nacht" hieße.

Nur mal eine Zeile:

Es interessierten sich Geier für Sie.

Geier essen gerne Aas. Wo Geier kreisen, liegt oft ein Lebewesen im Sterben.

Die Geier interessieren sich dafür.

Also lag Grien wohl schon mal im Sterben - oder er hat zumindest etwas sehr Riskantes, ja Lebensgefährliches unternommen.

Gruß aus Berlin, Gerd

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Journalist, Buchautor, Dichter, wissenschaftlicher Lektor

GerdausBerlin  02.02.2021, 08:42

Nun, da ich dank Ghostwriter2 weiß, dass "Grien" ein Baum ist und Brecht der Autor, fällt mir zu diesen zwei Zeilen noch etwas ein:

Und ich weiß jetzt: einzig durch Ihre unerbittliche
Nachgiebigkeit stehen Sie heute morgen noch gerade.

Vielen Leuten wird Opportunismus vorgeworfen, wenn sie angesichts von Herausforderungen (oder Gegenwind; siehe den Sturm hier im Gedicht als entsprechende Matapher) Nachgiebigkeit zeigen, anstatt gerade zu dem zu stehen, wozu sie in ruhigen Zeiten standen.

Noch schwieriger wird es, wenn man einer Partei nahe steht, die sehr dogmatisch ihre Grundsätze verteidigt und jegliche Weiterentwicklung ihrer Ideologie als Abweichlerei, als (Rechts- oder Links-)Opportunismus verteufelt (und gar verfolgt, sogar mit Mord und Terror), wie eigentlisch schon immer die KPD (und deren [Un-]Rechts-Nachfolger SED, der Brecht (zeit Lebens) nahe stand.

Hier könnte also eine Mahnung an die dogmatisch erstarrte KPD/SED gemeint sein, anstelle einer unerbittlichen Linientreue lieber eine unerbittlichen Nachgiebigkeit zu zeigen oder zumindest zu tolerieren, ähnlich wie der ebenfalls in die DDR gegangene Wolf Biermann in seinem Lied "Ermutigung":

Du, lass dich nicht verhärten
In dieser harten Zeit.
Die allzu hart sind, brechen
Die allzu spitz sind, stechen
Und brechen ab sogleich
Und brechen ab sogleich [...]
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