Gute Gedichtinterpretation (Christian Morgenstern - Der Werwolf)?

1 Antwort

Das ist kein Gedicht, das sich dazu eignet, Interpretieren zu üben, es ist einfach ein albernes Wortspiel und soll auch nicht viel mehr sein. Wenn man ein bisschen zu lange drüber nachdenkt, entdeckt man vielleicht noch einen gewissen Witz darin, dass der Werwolf hier eine Art Geisterbeschwörung betreibt, also sich mit quasi mit dem Okkulten einlässt, um zu höherem Wissen zu gelangen (das ist ein bekanntes Motiv, man denke an Faust), und dieses Verlangen nach Wissen dann vom Schulmeister in Form von Deklinationsregeln eingelöst wird, die auch noch vollkommen unangebracht angewendet werden. Der Witz liegt also im Kontrast der Form der Beschwörung mit dem Inhalt stumpfsinnigen Schulwissens. Außerdem ist vielleicht auch die Bedeutung der Werwolffigur interessant: Die nächtliche Verwandlung steht ja für den Ausbruch aus dem geregelten bürgerlichen Lebensablauf. Morgensterns Werwolf verwendet die nächtliche Freiheit allerdings nicht dafür, bspw. Schafe zu reißen oder so, sondern kann mit ihr überhaupt nichts anfangen und sucht gerade die Einschränkung und Unterwerfung ("bitte, beuge mich"). Es ist also die Karikatur eines Bürgers, der ganz in seinem geregelten Leben ("Weib und Kind"), gefangen ist, und die Mittel, die andere aus innerem Drang zu Freiheit und Weisheit suchen, dazu nutzt, sich wieder in seine bürgerlichen Schranken weisen zu lassen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – BA Germanistik, HiWi-Stellen in Linguistik und Mediävistik