Glaubt ihr Sexualität ändert sich?

5 Antworten

Von Experte Garlond bestätigt
Glaubt ihr Sexualität ändert sich?

Ja und nein.

Die menschliche Sexualität ist sehr komplex (und, BTW, durchaus wissenschaftlich gut untersucht und wird es weiterhin), geprägt von unserer Natur, unserer Erziehung und unseren Erfahrungen. Wir haben ein sehr komplexes Gehirn, und das Gehirn ist unser größtes Sexualorgan!

Die Teile unserer Sexualität, die uns ab der Geburt geprägt haben, nennt man "sexuelle Präferenz". Das sind Fetische, Vorlieben für einen bestimmten Typ Partner bzw. sein Aussehen, für bestimmte Sexualpraktiken, etc.

Das erwerben wir unbewusst im Laufe unseres Lebens. Das kann man auch wieder ändern (was ggf. nicht leicht ist: Man kann z.B. nicht einen bevorzugten Partner-Typus wieder "loswerden", aber man kann es sich bewusst machen, gezielt dagegen entscheiden, und so durch neue positive Erfahrungen sein Spektrum erweitern).

Ein anderer Teil unserer Sexualität ist hingegen angeboren und infolge auch nicht änderbar: Das betrifft das Geschlecht des potenziellen Partners, und diesen Teil nennen wir "sexuelle Orientierung".

Glaubt ihr das sich die Sexualität ändern kann oder man zb schon immer bi oder sowas war und es nur später bemerkt?

"Bi oder sowas" betrifft das sexuelle (Des-)Interesse an einem bestimmten biologischen Geschlecht. Das betrifft also die "sexuelle Orientierung", ist also angeboren und nachträglich nicht änderbar.

"Es nur später bemerkt" betrifft hingegen die "sexuelle Präferenz". DAS IST also änderbar.

Wie macht sich das praktisch bemerkbar?

Oder glaubt ihr das man einfach so switchen kann wenn man es will?

Jein. Grundsätzlich ist das möglich, weil der Trockennasenaffe der Species Homo sapiens grundsätzlich, wie andere Primaten auch, eine bisexuelle Species ist (oder realisiert habend, dass es nicht nur Frauen und Männer sondern auch intersexuelle Menschen gibt: pansexuelle Species).

Dass jemand wirklich homosexuell oder heterosexuell ist, ist die Ausnahme von der Regel! Die Frage ist eher: Gibt es Heterosexualität überhaupt?

Natürlich KANN man das machen aber halt fühlt man sich dann wirklich zu 100% dem geschlecht zugeneigt?

Ja. Ein Homosexueller hat kein sexuelle Interesse am gegenläufigen Geschlecht. DAS ist die Definition von Homosexualität. Wäre das auch nur minimal anders, dann wäre er per definitionem nicht homosexuell. Soweit, so einfach.

Jetzt wird es interessant, und ich greife die Fragen von vorhin auf: "Wie macht sich [die sexuelle Präferenz bei der sexuellen Orientierung] praktisch bemerkbar? und "Gibt es Heterosexualität überhaupt?"!

Nun, Bisexualität bedeutet NICHT, dass man auf Männer und Frauen gleichermaßen sexuell fixiert ist. Dass man also genau teilt: Zu 50% stehe ich auf Männer, zu 50% auf Frauen.

Bisexualität ist ein Spektrum (s. Kinsey-Skala), das von "Ich stehe fast nur auf Männer" bis "Ich stehe fast nur auf Frauen" reicht, und allem, was an Abstufungen dazwischen liegt - inkl. fifty/fifty.

Die sexuelle Präferenz gibt den Typ vor: Stehe ich auf eher maskuline, feminine und/oder androgyne Männer bzw. Frauen?

Und die sexuelle Präferenz gibt ggf. auch vor, ob mich das überhaupt beschäftigt! Denn wir werden von klein auf heteronormativ erzogen. Wir wachsen üblicherweise (und bis vor kurzem erzwungenerweise - bzw. in anderen Teilen der Welt immer noch) mit Heterosexualität auf, haben Vater und Mutter, Großväter und Großmütter, etc.

Ein Heterosexueller wird damit wunderbar leben. Ein Bisexueller üblicherweise auch.

Nur Homosexuelle und ggf. Bisexuelle mit stark überwiegender Neigung zum eigenen Geschlecht werden merken, dass sie anders sind, als die Welt um sie herum.

Die weit überwiegende Mehrheit wird sich sagen: Gegenläufiges Geschlecht? Geht für mich klar! :-)

Und das betrifft nur die "liberalen" Menschen. Dass viele explizit homophob erzogen wurden, bzw. sich täglich in einem homophoben Umfeld bewegen, ist da noch gar nicht eingerechnet.

Wer homophob erzogen wurde, neigt dazu, gleichgeschlechtliche Gedanken bereits im Ansatz zu verdrängen bzw. zu negieren. Man hält sich für heterosexuell - basta!

Selbst wenn man bisexuell ist oder sogar dann, wenn man tatsächlich homosexuell ist: Nicht sein kann, was nicht sein darf!

Dummerweise haben fast alle Menschen Sex mit dem gleichen Geschlecht. Nämlich zumindest mit sich selbst. 8-) Und DA wird ggf. aus "schlimm" dann "schlimmer": Die Homophobie macht aus der positiven Selbstbefriedigung einen verdammungswürdigen Vorgang. Aus dem positiven Selbstbild, was jeder von sich und seiner Sexualität haben sollte, macht sie etwas negatives, abstoßendes.

Ein gravierendes Problem, mit dem ganze Gesellschaften, ja, Kulturen zu kämpfen haben, und was sich dann leider ggf. auch in einer erhöhten Gewaltbereitschaft bemerkbar macht.

Aber generell: Wer bisexuell ist und unverklemmt seine Sexualität erforscht, wird schnell merken, dass er nicht heterosexuell ist. Wer es später zufällig entdeckt, wird es halt erst später merken. Und wieder andere bemerken es erst, wenn es keine/nicht genug gegenschlechtlichen Partner gibt.

Im Extrem kann es auch bedeuten, dass man lange Zeit heterosexuell gelebt hat, obwohl man homosexuell ist. Die Macht der Verdrängung ist stark, und in nicht wenigen Ländern sind homosexuelle Handlungen sogar immer noch mit Gefängnis oder gar Tod bedroht. Da kommt zum gesellschaftlichen Druck ggf. auch noch ein juristischer.

Was gäben die derart Geplagten (oder ggf. auch nur deren Angehörige) dafür, wenn ihre sexuelle Orientierung doch nur so wäre, dass sie ohne Ausgrenzung und Verfolgung glücklich leben könnten?

Aber das geht nicht. An Versuchen hat es nicht gemangelt (Stichwort: Konversionstherapien). Und Gebete helfen ja bekanntlich auch nicht. Im Gegenteil macht das alles es für die Betroffenen nur noch schlimmer ...

Siehe dazu auch:

Nein, man kann zwar erst später zu seiner Sexualität stehen oder herausfinden, welche man hat, aber die Sexualität wird bei der Geburt bestimmt, ist angeboren, und bleibt ein Leben lang erhalten.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Linksalternativ, Radqueer Inklusive, Trans* und Bi-Map

Die Sexualität ist angeboren.

Es gibt keine Prägung. Es gibt Auslöser die Deine verborgene Sexualität erst später ans Licht bringen. Du hast sie jedoch schon seit Deiner Geburt in Dir.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Sexualität ist eine geprägte Vorliebe und als solche kann sie sich ändern. Es gibt viele Erfahrungsberichte diesbezüglich.

Und ja, das bedeutet man könnte die Sexualität eines Menschen gezielt verändern.

Und nein, das bedeutet nicht, dass wir das bereits könnten. Tatsächlich wissen wir noch viel zu wenig über die Prozesse die eine Vorliebe prägen um da eingreifen zu können.

Das ist keine Glaubensfrage, sondern eine Frage, die Wissenschaftlich bereits behandelt wurde.

Auch wenn die genaue Entstehung der sexuellen Orientierung noch nicht abschließend erforscht ist, steht bereits seit einer Weile fest, dass die sexuelle Orientierung angeboren ist. Sie kommt nicht durch Erziehung oder andere Einflüsse von Außen zustande. Und eine Entscheidung ist sie erst Recht nicht.