Frage zur Herleitung pH-Wert-Formel?
Hallo,
ich habe hier eine Tabelle aus einem Beitrag zum pH-Wert gesehen.
Der Beitrag ist: https://www.gutefrage.net/frage/anfangskonzentration-und-pks-wert
Ich wollte fragen wie man auf die Formel unten rechts mit cos und arccos kommt. Kann mir das vielleicht jemand herleiten?
Vielen Dank im Vorraus
1 Antwort
Diese Formel habe ich mir wirklich selbst aus der Nase gezogen, aber die Ableitung ist bulletproof, und natürlich habe ich es umfangreich numerisch quergetestet, bevor ich damit groß angebe. Hier erfolgt die Ableitung in aller Strenge und epischer Breite:
Also wir haben eine Säure HA, die mit Wasser in irgendeinem Ausmaß zu A⁻ und H₃O⁺ reagiert, und außerdem gibt es noch das Wassergleichgewicht. Wir schreiben die beiden Schlümpfe auf und fassen die beiden Gleichgewichte zu einer gemeinsamen Gleichung zusammmen. Dabei sei c₀ die Einwaagekonzentration der Säure, y ist die Konzentration der dissoziierten Säure (also des Anions A⁻) und x ist die H₃O⁺-Konzentration, die wir letztlich ausrechnen wollen (x>y, weil das Wassergleichgewicht ja zusätzliche H₃O⁺ liefert). Um das y loszuwerden, rechnen wir es aus der ersten Gleichung aus und setzen in die zweite ein:
Und jetzt brauchen wir nur noch die kubische Gleichung nach x aufzulösen und haben unseren pH-Wert. Das wird leider eine Tortur. Als erstes eliminieren wir das quadratische Glied, indem wir x durch den Ausdruck ξ−⅓Kₐ ersetzen, der ist geschickt so gewählt, daß beim Auskubieren ein Term −Kₐξ² entsteht, der das quadratische Glied erschlägt („Tschirnhausen-Transformation“).
Wenn man die komplizierten Ausdrücke, die dabei entstehen, mit neuen griechischen Buchstaben benennt, sieht das sogar einigermaßen hübsch aus.
Eine kubische Gleichung ohne quadratisches Glied kann man mit der Cardanoschen Lösungsformel lösen; so wie hier angeschrieben löst sie x³ +px + q = 0, und das mŭssen wir auf unseren Fall anwenden. Dabei ist ε eine dritte Wurzel aus 1, und davon gibt es genau drei (ε₀=1, ε₁=−½+√¾ i, ε₂=ε₁*=−½−√¾ i)
Alles hängt dabei vom Vorzeichen des Terms in der Quadratwurzel ab. Weil er so wichtig ist, hat er sogar einen Namen: Diskriminante, D=φ²−4ψ⁶
- Wenn D>0, dann ist die Quadratwurzel reell und die Kubikwurzel auch. Der Wert von ξ₀ ist daher reell, aber durch Multiplikation mit den komplexen Wurzeln ε₁ und ε₂ entstehen aber komplexe Lösungen ξ₁ und ξ₂.
- wenn D<0, dann liefern die Quadratwurzeln ein imaginäres Resultat. Die Argumente der Kubikwurzeln sind daher zueinander komplex–konjugiert, und die Werte der Kubikwurzeln sind es auch. Sie bleiben das auch, wenn sie mit den komplex–konjugierten ε-Werten multipliziert werden; daher liefert die Summe darüber nur reelle Zahlen (weil z+z*=2Re(z), also immer reell). Alle drei Lösungen ξ₀, ξ₁ und ξ₂ sind daher reell.
Um herauszufinden, welcher Fall für uns relevant ist, müssen wir φ und ψ einsetzen und auswerten. Man erhält fast nur negative Terme:
und der einzig positive läßt sich in einem Quadrat verstecken, so daß wir sicher sein können, daß D<0:
Wir wissen jetzt also, daß die Gleichung drei reelle Lösungen für ξ und daher auch x=c(H₃O⁺) liefern wird. Wir wissen auch, daß die Cardanosche Gleichung nicht gut zu verwenden sein wird, weil komplexe Zwischenresultate auftreten, die den Taschenrechner überfordern. Also brauchen wir eine Alternative.
Diese kommt überraschenderweise aus der Trigonometrie. Bekanntlich gibt es die Formeln cos(α+β)=cosα⋅cosβ − sinα⋅sinβ und sin(α+b)=sinα⋅cosβ + sinβ⋅cosα (auch bekannt als Additionstheoreme). Mit leichter Mühe kann man daraus Identitäten für cos(nα) finden, die für alle Winkel α gelten; mit sin²x+cos²x=1 kann man diese Identitäten bequem nur durch den Cosinus ausdrücken.
cos(2α) = cos²α − sin²α = 2 cos²α − 1
cos(3α) = 4 cos³α − 3 cosα
cos(4α) = 8 cos⁴α − 8 cos²α + 1
…
Die Formel für cos(3α) sieht verflixt wie unsere kubische Gleichung aus (ein kubisches und ein lineares Glied). Also ersetzen wir ξ einfach durch cosω und sehen, wie weit wir kommen. Außerdem kommt noch ein Fummelfaktor α dazu, den wir gefinkelt so wählen, daß das kubische und das lineare Glied Vorfaktoren im Verhältnis 4:3 bekommen, so wie das die Winkelidentität vorgibt:
Diese Gleichung ist spielend einfach nach ω aufzulösen, weil wir den Arcuscosinus verwenden können: ω=⅓ arccos (½φ/ψ³), und dann können wir natürlich auch sofort einen expliziten Ausdruck für cosω=cos [ ⅓ arccos (½φ/ψ³) ] angeben und kommen so zum ξ und zum x.
Um die Sache aber mathematisch wasserdicht zu machen, müssen wir noch über Nebenlösungen nachdenken. Denn der Cosinus ist ja nicht eindeutig umkehrbar, daher löst jedes ω = ±⅓ [ arccos (½φ/ψ³) ± 2nπ ] =± ⅓ arccos (½φ/ψ³) ± ⅔nπ die Gleichung ebensogut. Das Vorzeichen (angeschrieben als ±) können wir sofort ignorieren, weil wir zum Weiterrechnen nur cosω brauchen und cos(ω)=cos(−ω). Aber für n=0,1,2 bekommen wir wirklich drei verschiedene Winkel ω₀,ω₁,ω₂, die verschiedene Kosinüsse haben und daher zu verschiedenen reellen Lösungen für ξ₀,ξ₁,ξ₃ und letztlich auch x₀,x₁,x₂ führen.
Um herauszufinden, welche Lösung physikalisch sinnvoll ist, blicken wir nochmals auf die erste Gleichung (die in x) zurück und wenden den Satz von Viète an:
Wir sehen also, daß es genau zwei negative und eine positive Lösung geben muß. Die drei Lösungen für ω liegen in den Bereichen 0°<ω₀<60°, 120°<ω₁<180° und 240°<ω₂<300°, und davon hat ω₀ immer den größten Cosinus, also führt er zur physikalisch richtigen positiven Lösung x₀=c(H₃O⁺); die anderen beiden, ω₁ und ω₂, korrespondieren dagegen zu den unphysikalischen negativen Lösungen für x₁,x₂<0.
Jetzt, wo wir genau wissen, welches ω wir brauchen (nämlich ω₀), laufen wir einfach die ganzen Substitutionen vom ω über das ξ zum x rückwärts und fertig:
Beachte dabei, daß die oben mühsam abgeleitete Bedingung D=φ²−4ψ⁶<0 garantiert, daß das Argument des Arcuscosinus ½φ/ψ³ im Bereich zwischen −1 und +1 liegt. Denn φ²−4ψ⁶ läßt sich leicht zu ¼φ²/ψ⁶=(½φ/ψ³)²<1 umschreiben, und aus w²<1 folgt ja −1<w<1. In unserem Fall ist φ übrigens immer positiv, während ψ in den meisten Fällen negativ ist (nur in hochverdünnten Lösungen tritt ψ>0 ein), daher liegt das Argument des Arcuscosinus immer zwischen −1 und 1 und verläßt nicht den Definitionsbereich für reelle Werte von arccos(x). Das ist selbstredend immer dann und nur dann der Fall, wenn eine kubische Gleichung drei verschiedene reelle Lösungen hat und auch die Voraussetzung dafür, daß der arccos-Trick funktioniert.
Für nicht zu hochverdünnte Lösungen liegt ω immer zwischen 30° und 60°; starke Säuren (α≈1) haben immer ω knapp unter 60°, bei schwachen Säuren (α≪1) bekommt man ω knapp über 30° (teilweise dissoziierte Säuren liegen dazwischen). Sehr verdünnte Lösungen mit pH nur knapp unter 7 haben ein ω knapp unter 30°, wenn die Säure wenig dissoziiert ist (also pKₐ>7).
So ist die Rechnung, Reginn und Ráðsviðr, richtig heruntergerechnet.
Der wesentliche Nachteil der Formel liegt an ihren numerischen Ansprüchen: Wenn Kₐ sehr groß ist (z.B. Perchlorsäure Kₐ=10⁹ mol/l) und gleichzeitig c₀ sehr klein ist (z.B. 10⁻⁸ mol/l), dann muß c(H₃O⁺)≈10⁻⁷ mol/l herauskommen. Das heißt aber, daß in der Differenz zwischen dem widerlich langen Ausdruck und ⅓Kₐ zwei sehr große Zahlen (≈10⁹) eine sehr kleine Differenz haben (≈10⁻⁷), also auf 16 Stellen übereinstimmen. Um das richtig herauszukriegen, reicht die übliche IEEE-Numerik (double) nicht aus, Du solltest einen arbitrary precision calculator verwenden (35 Nachkommastellen in bc reichen) oder Dir andere Tricks einfallen lassen (z.B. Kₐ nicht größer als 1000c₀ werden lassen, das bringt vernachlässigbare Ungenauigkeit und verbessert die Stabilität).
Eine ausführliche Testserie hat außerdem ergeben, daß die anderen Näherungsformeln fast alle Fälle richtig handhaben können. Um einen boshaften Fall zu konstruieren, braucht man eine Säure, die (a) teilweise dissoziiert ist (also α≈½) und (b) deren pH-Wert nur wenig über 7 liegt (damit die Autoprotolyse eine Rolle spielt); wenn eine der beiden Bedingungen nicht erfüllt ist, dann greift ja eine der Näherungsformel aus der Speisekarte, die Du in Deiner Frage gepostet hast.
Ein typisches Beispiel: c₀=5⋅10⁻⁷ mol/l, pKₐ=6.7, pH=6.59. Obwohl der Dissoziationsgrad α=0.44 ziemlich groß ist,, erhält man mit der Formel für schwache Säuren pH=−lg(√(Kₐc₀+Kw)) respektable 6.48 und mit der Formel für mittelstarke Säuren ohne Wassergleichgewicht pH=−lg(√(¼Kₐ²−Kₐc₀)−½Kₐ) gute 6.64.
Bei etwas höherer Verdünnung (c₀=2⋅10⁻7 mol/l, pKₐ=6.9 ⟹ α=44%, pH=6.81) liegt man dagegen mit der Formel für schwache Säuren (pH=6.73) etwas besser als mit der für mittelstarke ohne Wassergleichgewicht (pH=6.97), aber auch da ist der Fehler überschaubar.








Ich hatte mich entschieden, x=c(H₃O⁺) zu setzen und y=c(A⁻).
Das Ionenprodukt ist c(H₃O⁺) ⋅ c(OH⁻), wir müssen uns also überlegen, wie wir c(OH⁻) durch x und y ausdrücken können. Dazu überlegen wir uns, daß die H₃O⁺-Ionen aus zwei Quellen kommen:
- Aus der Dissoziation der HA, dabei wird für jedes gebildete A⁻ ein H₃O⁺ gebildet.
- Aus der Autoprotolyse von H₂O, dabei wird für jedes OH⁻ ein H₃O⁺ gebildet.
also ist c(H₃O⁺)=c(A⁻)+c(OH⁻), bzw. gleichwertig x=y+c(OH⁻) ⇒ c(OH⁻)=x−y
Und damit haben wir das Ionenprodukt erschlagen: c(H₃O⁺)⋅c(OH⁻) = x⋅(x−y), und damit kann man einfach weiterrechnen.
Woher kommt denn das x(x-y) bei dem Ionenprodukt des Wassers direkt oben?
H2O<->H3O+ + OH-
Verstehe ich nicht! Ich käme nur auf x^2 oder eben x*y