Flache Hierarchien besser für die Knie?

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Falche Hierarchien haben tatsächlich den Nachteil, dass es nur wenig Führungspositionen gibt, es also entsprechend schwerer ist im Unternehmen aufzusteigen. Schlimmstenfalls sind die nähsten Stufen gerade frisch besetzt worden von Leuten die nur etwas älter sind als man selbst, man also wenig Chance auf baldige offene Stellen durch Rente oder "aufrücken nach oben" hat. Ist die Fluktuation dann noch gering, kann es tatsächlich sein, dass man keine Chance hat hierarchisch aufzusteigen ohne Unternehmeswechsel.

Das ist aber nur relevant, wenn man sich was aus tollen Titeln und Berufsbezeichnungen macht. Bei uns gibt es auch im vergleich zur Branche weniger Führungsebenen und auch innerhalb einer Ebene keine hochtrabend klingenden Abstufungen wo man alle paar Jahre aufsteigt. Es gibt auf den Ebenen normale Angestellte und Senioren. Wobei man anders als bei anderen Firmen nicht nach 2 Jahren Senior ist, sondern eher nach 10-15 und auch nur, wenn eine solche Stelle dann frei ist.

Zudem müssen sich Führungskräfte in flachen Hierarchien viel früher mit vielen verwalterischen Dingen beschäftigen, die sonst eine Ebene dazwischen abgefangen hätte oder auch Personalthemen. Hat beispielsweise die unterste Führungskraft in Unternehmen A an Personalthemen nur die Aufgabe den normalen täglichen Bedarf wie z.B. Urlaube oder Dienstpläne zu planen, müssen in Unternehmen B auch zukünftige Personalplanungen, Entlassungen und Einstellungen mit betreut werden, wofür in Unternehmen A erst die zweite Führungsebene zuständig wäre.

Finanziell verdient man dafür bei guter Leistung schnell über dem Durchschnitt für den Jobtitel im Vergleich zu anderen Firmen, einfach weil man nicht nach Titeln oder Hierarchieebenen bezahlt wird, sondern nach der erbrachten Leistung. Wer sich stetig fortbildet und nach ein paar Jahren wichtige gefragte Spezialistenrollen in Projekten hat, wird (meistens) auch entsprechend besser bezahlt als jemand, der nur 9to5 stumpfe Dinge abarbeitet ohne große Denkleistung und besonderen Arbeitseinsatz, obwohl formal beide die gleiche Jobbezeichnung haben.

Man hat bei flachen Hierarchien auch oft, wenn es wirklich gelebt und nicht nur von oben so genannt wird, deutlich kürzere Wege.

Wenn ich an etwas arbeite erkläre ich das nicht meinem Gruppenleiter, der das an den Abteilungsleiter weiter gibt, der das dem Bereichsleiter erzählt, der dann mit dem Bereichsleiter des anderen Bereichs redet, der das dann wieder runter gibt bis zum Mitarbeiter der es bearbeitet und dann die Antwort den ganzen Weg zurück über alle Ebenen macht. Das dauert nicht nur lange, kostet bei Personen die gar nicht wissen worum es geht viel Arbeitszeit und damit Geld, sondern im Zweifelsfalle kommt auch noch eine falsche Info, weil irgendjemand in der Kette es nicht richtig verstanden hatte und daher falsch oder einfach unvollständig weiter gegeben hat. Wie bei "stiller Post" man weiß nie was am Ende rauskommt, oft aber nicht das was der erste wollte.

Wer nur Dienst nach vorschrift macht und keine dringenden Themen hat, dem mag das egal sein, ich bin aber froh einfach direkt den betreffenden Kollegen ohne unnötige Umwege ansprechen zu können und meine Infos zeitnah und vor allem zu meiner Frage passend zu erhalten. Sollte es doch mal kritisch sein beziehen wir unsere Chef natürlich mit ein, aber ansonsten sparen wir diesen Umweg.

Als Mitarbeiter der Abteilung M (wie Marketing) brauche ich etwas (wie Daten) von der Abteilung I (wie Informatik). In stark hierarchisch organisierten Unternehmen kann ich dann nicht einfach drei Zimmer weiter gehen, anklopfen und bekomme nach einem netten Chat das, was ich brauche. Nein, da muss ich eine Etage höher zu seinem Teamleiter gehen, der dann zum Abteilungsleiter, der beredet es in einem Gremium, es erhält eine Nummer & Priorität, es wird 4 Wochen später nach Details gefragt ... bis es irgendwann mal umgesetzt ist.

In einem Unternehmen mit flachen oder keinen Hierarchien gibt es jeden Tag ein lautes Geschnatter (genannt Daily Standup) und vierzehntägig kreatives Neuorganisieren (genannt Sprint Planning), und irgendwann steht was halbes-und-nicht-ganzes (genannt MVP), was erst im Betrieb richtig getestet wird.

Bringt Dich das jetzt weiter? Wahrscheinlich nicht, weil jede Firma anders funktioniert, und ein Start-up mit fehlenden Hierarchien bei manchen Dingen gut funktionieren kann, bei anderen chaotisch, genauso wie es bei grossen Firmen auch gut & schlechtes gibt. Und was in Werbung & Stelleninseraten steht, ist nochmals was anderes.


Suboptimierer 
Fragesteller
 21.04.2021, 07:06
Nein, da muss ich eine Etage höher zu seinem Teamleiter gehen, der dann zum Abteilungsleiter, der beredet es in einem Gremium, es erhält eine Nummer & Priorität, es wird 4 Wochen später nach Details gefragt ... bis es irgendwann mal umgesetzt ist.

Und was ist daran so schlimm? Wird dir die Schuld daran gegeben, dass es dann so lange dauert, bis du arbeiten kannst?

Weil wenn das der bewusst gewählte Weg ist, dann ist das doch vollkommen okey. Dann musst du halt lange auf Informationen warten. Aber darüber kann sich doch dann niemand beschweren. Im Gegenteil, du hättest sogar viel mehr Ausreden. Zum Beispiel konntest du nicht weiterarbeiten, weil dir noch Informationen fehlen, die du bereits beantragt hast. Und schon muss sich jemand anderes den Schuh anziehen.

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Suboptimierer 
Fragesteller
 21.04.2021, 07:15
@rockthekrokodil

Na aber wenn sich die Schuldfrage nicht stellt, was ist dann daran so schlimm, auf etwas warten zu müssen?

Oder geht es um einen Sektor, bei dem Menschenleben von einer zügigen Abarbeitung abhängen?

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rockthekrokodil  21.04.2021, 07:22
@Suboptimierer
was ist dann daran so schlimm, auf etwas warten zu müssen?

stimmt ... jeder wartet gerne, wenn es nicht um Menschenleben geht. Ob das Zalando-Paket nun am nächsten Tag kommt oder erst 2 Wochen später, ist ja egal. Ob der Antrag sofort oder erst in 4 Wochen bearbeitet wird, ist ja egal. Ob die Adressänderung oder Korrektur heute oder nächste Woche bearbeitet wird, ob die Fehlermeldung auf dem Bildschirm sofort verschwindet oder noch weitere 2 Wochen aufpoppt, oder auch die Kundenbeschwerde ... all das kann ja warten. Ist nicht schlimm ...

over-and-out.

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Suboptimierer 
Fragesteller
 21.04.2021, 07:30
@rockthekrokodil

Das ist sehr aus Kundensicht gedacht.

An alle Mitarbeiter ganz unten in steilen Hierarchien: Macht euch nicht fertig. Ihr macht nur euren Job. Wenn der Kunde aus strukturellen Gründen zeitverzögert bedient wird, muss auf oberer Ebene ein Strukturwandel entschieden werden. Da könnt ihr nichts für und ihr braucht euch nicht ärgern.

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Flache Hierarchie: Mitarbeiter kann viel Mitbestimmen.

Steile Hierarchie: Personal ist Rädchen im Getriebe.

"Karriere" ist ein sehr einseitiger Blick auf die Berufswelt.


Suboptimierer 
Fragesteller
 21.04.2021, 06:41

Okey, das leuchtet ein. Ich denke, die meisten wollen viel mitbestimmen.

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Hallo Suboptimierer!

in Stellenausschreibungen liest man oft etwas von flachen Hierarchien

Ist es schlimm, wenn ich diese Bezeichnung noch nie gehört habe? Aber natürlich verstehe ich, was gemeint ist

Gut ist, wenn die Hierarchie möglichst flach ist. Es muss effektiv sein, darf aber keinen " Wasserkopf " geben

Und natürlich kommt es auf den Betrieb an. Ein Handwerksbetrieb mit 5 Mitarbeitern kann sich keine gestaffelte Führungsebene leisten in einem Großbetrieb wie ich ihn kenne ist sie nötig und sinnvoll

Ein in der Praxis häufiges Problem: Ein Großbetrieb baut Mitarbeiter ab das sollte natürlich auch die Führungsebene einbeziehen

Diese leitenden Angestellten wollen aber Vorteile und Geld erhalten und sind Teil der Macht im Betrieb

Dir einen schönen Tag

Ja, flache Hierarchie hört sich gut an, tut aber selten wie gewünscht. Je nach Mitarbeiteranzahl verlangt die oberste Ebene halt trotzdem nach allerlei Dienstleistungen für sich. Mitarbeiterführung, Controling usw. Und das muss die flache Hierarchie zusätzlich zur Fachaufgabe leisten. Dann werden dort Unterstrukturen aufgestellt wie in der vorherigen Hierarchie die aber nicht gleich gut gezahlt werden.


Suboptimierer 
Fragesteller
 21.04.2021, 06:51

Guter Punkt. Wenn ich in einem Unternehmen mit flachen Hierarchien z. B. als Einkäufer angestellt werde, dann bin ich ja sozusagen so etwas wie ein Ein-Mann-Abteilungsleiter, werde aber bestimmt nicht wie ein Abteilungsleiter in einer anderen Firma mit steilen Hierarchien bezahlt.

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