Die Lehre vom Gesellschaftsvertrag

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Die Fragen, beim dem nicht klar ist, wer sie in welchem Zusammenhang gestellt hat, zielen anscheinend darauf, die die Lehre vom Gesellschaftsvertrag dem Naturrechtsdenken zuordnen und den Rechtspositivismus für dessen Überwindung zu halten.

Inhaltlich ist dabei Zweifel möglich, sowohl an der Kraft der Argumente als auch ans der nahegelegten Einschätzung als Vorankommen/Fortschritt.

Immanuel Kant ist falsch eingeordnet, da er im Gegenteil ein Vertreter des Vernunftrechts war.

Eine Aussage als Beispiel:
Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten (1797). Erster Theil. Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre. Einleitung in die Metaphysik der Sitten. IV. Vorbegriffe zur Metaphysik der Sitten. AA VI 224:
Überhaupt heißen die verbindenden Gesetze, für die eine äußere Gesetzgebung möglich ist, äußere Gesetze (leges externae). Unter diesen sind diejenigen, zu denen die Verbindlichkeit auch ohne äußere Gesetzgebung a priori durch die Vernunft erkannt werden kann, zwar äußere, aber natürliche Gesetze; diejenigen dagegen, die ohne wirkliche äußere Gesetzgebung gar nicht verbinden (also ohne die letztere nicht Gesetze sein würden), heißen positive Gesetze. Es kann also eine äußere Gesetzgebung gedacht werden, die lauter positive Gesetze enthielte; alsdann aber müßte doch ein natürliches Gesetz vorausgehen, welches die Autorität des Gesetzgebers (d. i. die Befugniß, durch seine bloße Willkür andere zu verbinden) begründete."

Bei Jean Bodin ist keine deutlich hervortretende Lehre von einem Gesellschaftsvertrag bemerkbar.

Eine Lehre von einem Gesellschaftsvertrag ist bereits bei einigen antiken Autoren angedeutet.

Deutlich ausgebildet ist eine Theorie des Gesellschaftsvertrag bei Marius Salamonius, (De principatu, 1511 - 1513). Auch Johannes Althusius und Hugo Grotius waren Theoretiker des Gesellschaftsvertrages in der frühen Neuzeit. Die Annahme, den Gedanken eines einen Gesellschaftsvertrages habe es erst bei Thomas Hobbes gegeben, ist falsch. Die Gedanken zu Jean Bodin, die auf ein Problem hinweisen, halte ich dagegen für richtig.

Vernunftrecht ist meines Erachtens am besten als eine Spielart des Naturrechts einzuordnen. Recht wird nicht mehr aus einer naturhaft-zweckvoll vorgegebenen Gemeinschaftsordnung heraus teleologisch (auf Zwecke/Zeile hin angelegt) verstanden und begründet. Vernunftrecht kann aber einen Bezug zu von Natur aus vernunftbegabten Personen und zur Natur/zum Wesen einer Sache, woraus die Vernunft Folgerungen zieht, haben.

Beim Naturrecht ist ein unterschiedliches Verständnis möglich, was alles mit Natur gemeint ist bzw. als Quelle des Rechts gilt(z. B. Gott bzw. Gottheiten als Schöpfer einer natürlichen Ordnung, Naturgesetze, natürliche Verhältnisse, die in der Natur waltende/die Welt durchdringende Vernunft).

Jean Bodin (1529/1530 – 1596) hat in seinem Hauptwerk* Les six livres de la République* (1576; „Sechs Bücher vom Staatswesen“) den traditionellen Lehren einen modernen Gedanken der Souveränität hinzugefügt. Er befürwortete einen „souveränen“ Monarchen an der Spitze des Staates, der mit fast absoluter Macht und unabhängig von parteiischen Gruppen regiert. Souveränität ist ein abstraktes Machtprinzip, vom Monarchen losgelöst von seiner Person, aber durch sein Amt ausgeübt. Souveränität (französisch souveraineté, lateinisch summa potestas oder maiestas) ist eine ständige unbedingte Gewalt über die Bürger mit dem Recht, Gesetze zu geben und aufzuheben. Jean Bodin stellte sich die Souveränität unteilbar vor.

Die Familie war in seiner Sicht Ursprung des Staates und der Staat ein Abbild der Familie mit vielen Gliedern und der Regierung als Familienoberhaupt. Darin steckt eine patriarchalische Weltsicht. Der Monarch ist für ihn auch Abbild des allmächtigen Gottes. Durch einen Monarchen an der Spitze wird nach Bodin eine natürliche und gerechte Weltordnung abgebildet. Allerdings gibt es ihm übergeordnete moralische Prinzipien, die göttlichen Gebote und das Naturrecht, woran er gebunden ist – sonst ist er ein Tyrann. Das Naturrecht als göttliches Recht steht noch über den Monarchen Insofern war Jean Bodin zwar ein Befürworter des Absolutismus, schränkte ihn aber durch eine Bindung an bestimmte Voraussetzungen ein.


Albrecht  23.01.2013, 06:18

Vgl. zur Einordnung:

Walter Euchner, Gesellschaftsvertrag. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 3: G – H. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1974, Spalte 476 – 480

Henning Ottmann, Geschichte des poltischen Denkens, Band 3: Neuzeit. Teilband 1: Von Machiavelli bis zur großen Revolution. Stuttgart, Weimar : Metzler, 2006, S. 213 – 230 (Jean Bodin) und S. 265 . 321 (Thomas Hobbes)

S. 213: „Kern der Souveränität ist bei Bodin die Gesetzgebungskompetenz des Herrschers. Der Wille des Herrschers wird Gesetz. Darin liegen Keime des Rechtspositivismus, Keime auch einer Lösung der Macht von einem Recht, das historisch oder naturrechtlich bereits feststeht. Die eine »absolute« Gewalt, gelöst vom Gesetz, mag in den Zeiten des Bürgerkrieges eine naheliegende, ja eine unausweichliche Idee gewesen sein. Sie hat der Neuzeit aber auch das Erbe einer maßlos übersteigerten Vorstellung von Macht beschert.“

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Natha123 
Beitragsersteller
 23.01.2013, 10:50
@Albrecht

Vielen Dank für die ausführliche antwort:) also versteh ich das richtig, die lehre vom gesellschaftsvertrag gehört zum vernunftrecht und das wurde durch den rechtspositivismus überwunden? Wo finden sich denn bei hobbes anlagen zu dieser Überwindung?

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Natha123 
Beitragsersteller
 23.01.2013, 12:39
@Natha123

Ah sorry steht ja schon da, die gesetzgebungskompetenz bei Bodin ist die Anlage für den späteren Rechtspositivsmus.. bei bodin gilt das Recht, weil es Wille des Herrschers ist und nicht weil es vernünftigt ist, deswegen ist es eine Anlage zum Überwinden des Vernunftsrechts und die Anlage zum Rechtspositivismus... Richtig?

Vielen, vielen Dank :)

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Albrecht  23.01.2013, 06:18

Thomas Hobbes verwendet die Bezeichnungen Naturrecht und Naturgesetze (in der Bedeutung: moralische Gesetze) bei seiner eigenen staatsphilosophischen Theorie.

Mit Naturgesetzen meint Thomas Hobbes (heranzuziehen ist vor allem sein Werk Leviathan, Teil 1, Kapitel 14 – 15) natürliche Gesetze (englisch: natural laws, laws of nature; lateinisch: leges naturales). Das natürliche Gesetz ist eine aufgrund eines allgemeinen Grundsatzes verbindliche Vorschrift oder allgemeine Regel, welche die Vernunft lehrt, nach der niemand etwas unternehmen soll, was er als schädlich für sich selbst erkannt hat.

Allerdings bekommt Naturrecht dabei eine andere Bedeutung und Hobbes weicht, auch wenn er in gewissem Sinn (Orientierung an der natürlichen Vernunft jedes einzelnen Menschen) als Vertreter eines Naturrechts eingeordnet werden kann, von der Tradition des Naturrechtsdenkens in bei sehr wichtigen Gesichtspunkten völlig ab. Das Naturrecht, wie es Hobbes entwickelt, gilt im Grunde unter Voraussetzungen (seine Befolgung entspricht Klugheit) und ist kein wahrhaft unbedingtes (kategorisches) Sittengesetz. Menschen kommen die friedensfunktionale Leistung des Rechts einsehen. Inhaltliche Normativität wird nicht hergeleitet. Bei Thomas Hobbes fehlen natürliche Reche in der Art von Menschenrechten bzw. Grundrechten. Woher die ethische Verbindlichkeit kommen soll, bleibt ziemlich unklar. Hobbes betrachtet das Recht und die Gesetze auch als von Gott geboren. Allerdings geht dies nicht über eine Setzung durch eine Willenshandlung hinaus.

In der Einteilung des Rechts unterscheidet Thomas Hobbes natürliches Recht und bürgerliches Recht (dem positiven Recht zugeordnet), was aus der Tradition übernommen ist. Allerdings nimmt er dabei einen Gegensatz zurück, indem er erklärt, das Gesetz der Natur und das bürgerliche Gesetz schlössen sich gegenseitig ein und seien von gleichem Umfang. Denn die natürlichen Gesetze, die im Naturzustand keine eigentlichen Gesetz seien, sondern Eigenschaften, die Menschen zu Frieden und Gehorsam hinleiten, würden im Staatszustand zu wirklichen Gesetzen, die dann staatliche Befehle und somit auch bürgerliche Gesetze seien (Leviathan 26). Hobbes ordnet auch die göttlichen (geoffenbarten) Gesetze den positiven Gesetzen zu, weil die göttlichen Gesetze weder von Ewigkeit her bestehen noch mit Hilfe natürlicher Vernunft erkannt werden. Diese Zuordnung ist in der Sache nur unter den Bedingungen möglich, daß sie den „moralischen“, in diesem Fall natürlichen Gesetzen nicht widersprechen und daß sie durch staatliche Gesetze zu göttlichen Gesetzen erklärt worden sind. Der Gehorsam gegenüber den Souverän kann nach der Staatstheorie beendet werden (allerdings ohne eine Erlaubnis/Zulässigkeit des noch bestehenden Staates), wenn der Souverän seine Frieden und Ordnung schützende Aufgabe gar nicht mehr erfüllt.

Hobbes hält die Verteidigung des eigenen Lebens auch im Staat mit seinem Souverän für berechtigt (beruht auf dem Grundsatz der Selbsterhaltung, der ja der Grundpfeiler ist).

Anton Hügli, Naturrecht. IV. Neuzeit 2: B. Spinoza, J.- J. Rousseau und die englische N.-Tradition von Th. Hobbes bis A. Smith: In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 6: Mo – O. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1984, Spalte 585 – 587 gibt an:
Hobbes beendet die Tradition, sich auf eine vom menschlichen Willen unabhängige Instanz (die Natur- und Schöpfungsnormen, der Wille Gottes, die in die Natur geschriebenen Neigungen und Normen) zu berufen. Neue Grundlagen sind der Wille und die Einsicht der Einzelnen. Naturrecht (jus naturale) ist normative Begründung, wenn die bestehende staatliche Ordnung anerkannt werden soll, und affirmativer Einklang, wenn jeder die bestehende Ordnung zwangsläufig anerkennen muß. Natürliches Gesetz und alle, was aus ihm fließt, ist „law of nature“ und Gehorsamspflicht ein Teil davon.

Sich selbst zu schützen und zu verteidigen, wird als Naturnotwendigkeit betrachtet.

Natürliche Gesetze werden zu Recht, indem der mit höchstem Recht über alles gebietende Gott mit Recht verbietet und gebietet.

Der Hinweis auf Gott sei systemfremd.

Die Gleichsetzung von Macht und Recht drohe den zentralen Unterschied zwischen normativer Begründung und hervorgehender Schlußfolgerung, zwischen auf freiwilligem Vertrag beruhender Geltung und faktischer Erzwingbarkeit vollends zu vernichten.

Ein Herausschreiten aus dem Naturechtsdenken ist in der Theorie der Souveränität angelegt. Bei Thomas Hobbes ist dieses deutlich stärker als bei Jean Boden. Er drückt seien Auffassung mit der Formel aus. Die Autorität, nicht die Wahrheit macht/schafft das Gesetz (auctoritas, non veritas facit legem De Cive VI 19; XIV 1 und 17; Leviathan 26).

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Hallo,

der Gesellschaftsvertrag ist J.J. Rousseau zuzuordnen. Vielleicht sagt dir der "allgemeine Wille" (volonte generale) was?

MfG Rusty


Natha123 
Beitragsersteller
 21.01.2013, 18:19

Danke erst mal :) Ja das sagt mir was. Nach Rousseau wurden durch den Gesellschaftsvertrag alle Individuen zum Volk zusammengefasst, das danach Subjektsqualität hatte und einen allgemeinen Willen, den volonte generale bilden konnte, der dann faktisch der Wille aller sein sollte... Nur wo ist da der Zusammenhang mit den Theorien von Hobbes und Bodin? Der Gesellschaftsvertrag war doch vernunftrechtlich gedacht, mein ich zumindest mal und dann müssten ja Hobbes und Bodin Anlagen zur Überwindung des Vernunftrechts beinhalten, nur wo?

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