Die Frage nach dem ich? Wie ist das gemeint?

4 Antworten

Hi,-

selten erlebt, dass eine kluge Frage auf so vollständige Weise "rübergebracht" wird. :-) Super! Deine Frage bewegt den Intellekt, dein Bild (tolles Bild) das Gefühl. Und damit hast du beide Dimensionen des Begriffs ohne viel "Tam Tam" umfassend und genau getroffen: a) die rational-philosophische Perspektive und b) die psychologische.

In dieser Aufteilung kann man sich dem (etwas diffusen) Begriff auch sinnvoll annähern. - Erleben findet immer auf beiden Ebenen gleichzeitig statt.

zu a) alle Menschen sind zu jedem Zeitpunkt ihres Lebens niemals völlig identische Ereignisse (der Selbst- und Fremdwahrnehmung), da sie niemals in völlig identischen räumlich-zeitlichen Situationen leben. Das ist erstmal einfach nur als grundsätzlicher mathematisch-physikalischer Sachverhalt zu sehen woraus sich ergibt, dass es keine völlig identische Selbsterfahrung (Persönlichkeitsbildung) geben kann - selbst bei eineiigen Zwillingen nicht. - Zudem erfahren wir uns aufgrund unseres Körpers in einer Art "Außengrenze" immer auch als "Eigenes", also das "Nicht-Andere".

Aus diesem Beziehungsgefüge speißt sich das, was man >System-Umwelt-Kommunikation< nennt (siehe: Systemtheorie), welche im Wesentlichen bewirkt, dass "das System" (das werdende Ich) zunehmend Informationen über sich als eigenes Wahrnehmungs-, Bedürfnis- und Handlungssystem - also >Selbstwahrnehmung< und schließlich ein >Selbstkonzept< aus der Tatsache der einfachen ursprünlichen räumlich-zeitlichen Existenz- / Erlebnisverschiedenheit entwickelt.

Damit wären wir auch schon bei b) (obwohl immer noch viel a) drinsteckt).

Selbstwahrnehmung als beständige Systemeigenschaft bedeutet >Selbstvergewisserung< und die kann nur entstehen wenn die Selbstwahrnehmung nicht nur ein Moment, also Bewußtsein wie eine Art Sternschnuppe ist, sondern kontinuierlich. Die Psychologie kennt das längst. Babies z. B. sind keine "Lebend-Automaten", die von außen mit Informationen gefüttert werden können, - sie WOLLEN mit Informationen von außen gefüttert werden. Sie sind autoaktiv auf der Suche nach Informationsverarbeitung. Wird ihnen diese versagt, sterben sie in der Regel - trotz füttern - oder erleiden schwerste Entwicklungsschäden.

Der Mensch ist ein autoaktives und das, was man in der Systemtheorie ein >Offenes System< nennt, dessen Ziel die Selbstentwicklung als Selbstzweck und erst später "den Zweck als Mittel zum Zweck" verfolgt.

Es ist einfach Leben und das will leben - nicht weil es das zu irgendeinem Zweck muß, sondern weil es das kann. - Alles andere kommt später.

An spielenden (gesunden) Kindern läßt sich das alles sehr gut beobachten:

  • System-Umwelt-Interaktion
  • Selbsterprobung
  • Selbsterfahrung
  • Selbstentwicklung
  • Strukturbildungen der Selbstentwicklung
  • Selbstkonzept
  • Ich-Bild

Fazit: Es macht Menschen krank oder sperrt sie in psychologische Gefängnisse, wenn ihnen glauben gemacht wird, dass das >Ich< eine Struktur statisch-psychologischer Merkmale ihrer "sozialen Performance" ist.

Es ist nur die temporär bevorzugte, weil jeder Zeit disponible Art und Weise, mit der Welt zum Zweck der Selbstentwicklung in Kontakt zu treten - Ende offen.

Das ist wie mit dem Pendel einer Uhr: Würde das Pendel in der Mitte verharren wäre die Uhr außer Betrieb (tot). Die Mitte eines Pendels einer aktiven Uhr ist eine virtuelle Mitte. Und so ist es auch mit dem >Ich<. ;-)

PS: Es kann aber nicht schaden, Namen, Geburtsdatum und Adresse von sich zu kennen. :-)

Gruß

Die Frage nach dem Ich ist ebenso berechtigt, wie die beiden anderen Fragen.

Aber Dir geht es ja um die Frage nach dem Ich, weshalb ich nun dazu etwas sagen werde:

"Wer bin ich?" Diese Frage könnte sich beispielsweise jemand stellen, der aktuell sein Gedächtnis verloren hat (nicht aber die Fähigkeit des Sprechens und Verstehens der Muttersprache).

Er erlebt, dass er innerhalb eines lebenden menschlichen Körpers zu sein scheint, und all die Wahrnehmungen, die dieser Körper von der Außenwelt liefert mit dem Gehirn dieses Körpers ERLEBT.

Nur weiß er nicht mehr, wie dieser Körper heißt, ob er jung oder alt ist, und im Extremfall sogar nicht mal mehr, ob er männlich oder weiblich ist.

Übrig blieb nur das reine Erleben der Wahrnehmungen dieses Körpers. Also könnte er ja auf jeden Fall sagen: "Ich bin der, der erlebt, dieser Körper zu sein."

Aber WER ist dieses erlebende Ich?

Und genau diese Frage kann man sich natürlich auch stellen, wenn der Körper, den das erlebende Ich als sich selbst erlebt, KEINEN Gedächtnisverlust erlitten hat. Denn wir sind nicht nur dieses individuelle Ich, das der materielle Körper und all seine individuellen Eigenschaften und Erinnerungen ist, sondern eben auch dieses erlebende Ich, das ERLEBT, dieses individuelle Ich zu sein.

Ich habe mal ein Gedankenexperiment zu diesem Thema gemacht und aufgeschrieben, nur habe ich das, was ich inwzischen als das "erlebende Ich" bezeichne, damals noch das "eigentliche Ich-Gefühl" genannt (aber das "erlebende Ich" passt viel besser):

http://www.jenseits-von-allem.de/gedanken.htm#10


Knopperz  01.10.2019, 19:18

Schöner Text :)

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Das Bild von sich selbst (Identität) ist, ja muss ein anderes Bild sein als das der Mutter und es wird mehr sein als nur der Eigenname, es beginnt mit der eigenen Geschichte.

Das ist doch nur ein Scherz!
Den Tieren werden menschliche Regungen unterstellt. (Du wirst dich erinnern: eigentlich vermögen Schweine nicht zu sprechen ...).

Und in manchen warmen Sommernächten neigt der Mensch zur Nachdenklichkeit und zum Philosophieren ... über den Sinn des Lebens zum Beispiel ... über die Frage: "Wer bin ich? Was ist meine Bestimmung im Leben?" etc. -
Und das wird hier - metaphorisch ausgedrückt - "auf die Schippe genommen".