Bücher?
Hi, ich wollte fragen, wie schwer Odyssee und die Suche nach der verlorenen Zeit zu lesen sind. Ich spiele schon länger mit dem Gedanken sie zu lesen, habe aber ein bisschen Angst, dass die zu schwer sind. Vor allem ist Proust auch ca. 6000 Seiten lang! Danke im Voraus !
2 Antworten
Die Odyssee ist vergleichsweise spannend, wenn dich das Versmaß nicht stört. Schau mal rein: http://www.zeno.org/Literatur/M/Homer/Epen/Odyssee.
Proust wird manchmal mit dem Ulysses von Joyce verglichen. Falls du den meinen solltest: Da gilt wie bei Proust. Es ist unwahrscheinlich, dass du alles mit Interesse liest. Aber 30 Seiten lohnen sich gewiss bei beiden Werken. Bei beiden musst du allerdings ziemlich lange nach den 30 Seiten suchen. Wenn du es durchhältst, hast du vermutlich genügend Gefallen daran gefunden, dass du auch noch den Rest lesen kannst. Ich habe meine 30 - 50 S. mit Stichprobenmethode gefunden, aber nur im Ulysses, von Proust lese ich alle paar Jahre mal ein paar Seiten und finde dann mal 30 Zeilen. Aber die hebe ich nicht alle auf.
Hier aber ein Beispiel: Der Anfang des 3. Romans von "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit":
"Das Piepen der Vögel morgens kam Françoise abgeschmackt vor. Bei jedem Wort der »Bonnen« fuhr sie in die Höhe; es war ihr lästig, wenn sie ihre Schritte hörte, und sie fragte sich, was sie nur treiben! Wir waren umgezogen. Gewiß machten die Dienstboten, die sie in dem sechsten Stock über unserer früheren Wohnung hörte, nicht weniger Lärm; aber die kannte sie, mit ihrem Kommen und Gehn hatte sie sich angefreundet. Jetzt gab sie gequält sogar auf die Stille acht. Und da unser neues Viertel so still schien wie der Boulevard, an dem wir bisher wohnten, laut war, trieb – schwach, von fern gehört wie ein Orchestermotiv – das Lied eines Vorübergehenden der Françoise in ihrem Exil die Tränen in die Augen. Wohl hatte ich mich über sie lustig gemacht, [...]
Übrigens war auch von andern Gesichtspunkten als dem der Wohltätigkeit das Viertel – und zwar bis auf weite Entfernung – für den Herzog nur eine Verlängerung seines Hofes, eine ausgedehntere Rennbahn für seine Pferde. Hatte er gesehn, wie ein neues Pferd trabte, ließ er es anspannen und durch die nächsten Straßen fahren, der Bereiter mußte neben dem Wagen herlaufen, das Pferd am Zügel halten und es vor dem Herzog auf und abtraben lassen; Herr von Guermantes stand auf dem Trottoir, hochaufgerichtet, lang und mächtig, im hellen Mantel, die Zigarre im Munde, den Kopf erhoben und spähte durch sein Monokel bis zu dem Augenblick, in dem er auf den Sitz sprang, selbst kutschierte, um das Pferd auszuproben, und schließlich mit dem neuen Gespann abfuhr, um in den Champs-Elysées seine Mätresse zu treffen."
(Marcel Proust: Die Herzogin von Guermantes 1. Band, 1. Kapitel)
Odyssee geht. Proust - wenn man für so etwas etwas übrig hat? Ich habe es nicht. Weiß nicht, warum man auf zwanzig Seiten genau beschreibt, wie man einschläft. Was Langatmigkeit betrifft, so übertrifft Marcel Proust alle anderen (Jean Paul, Adalbert Stifter, Wilhelm Raabe, Robert Musil - sie alle sind harmlos gegen M.Proust. Du kannst Dir ja mal einen von denen vornehmen.).
Menschen sind verschieden. Und ich habe dem FS meine Überzeugung kundgetan. Was er selbst beim Lesen von Proust empfinden wird, kann ich nicht voraussehen. Ich bin kein Prophet. Dass manche Proust lieben, weiß ich auch.
Och, als (angehender) "Interior-Designer" kann man seitenlangen Tapetenmusterbeschreibungen sicherlich einen gewissen Reiz abgewinnen 😉.