Arbeitgeber werfen mir Arroganz vor und wollen nicht auf Augenhöhe verhandeln?

21 Antworten

Sie sind aber kein Geschäftspartner, nur ein potentieller Angestellter.

Das bringt es auf den Punkt.

Wenn du dich dort als Geschäftspartner beworben hättest und es darum gehen würde, dass du die Hälfte des Firmenkapitals übernimmst, wärst du mit der "Augenhöhe" genau richtig. Wenn du aber ein Angestelltenverhältnis suchst, hat das trotz allen Respekts etwas mit hierarchischen Strukturen zu tun. Dein Chef teilt dir Arbeit zu, die du zu erledigen hast. Dafür hält er dir den Rücken frei, was die Organisation und Finanzierung betrifft.

Wenn z.B. in einer Klinik jeder Mitarbeiter mit der Direktorin "gleichberechtigt auf Augenhöhe" diskutiert, wird das totale Chaos ausbrechen.

Es ist nachvollziehbar, dass du bei den Gesprächen als arrogant empfunden wirst.

Wieso erwähnst du hier, dass du nicht auf Arbeit angewiesen bist? Meinst du dadurch in einer anderen Verhandlungsposition zu sein und eine Sonderbehandlung zu verdienen? Bist du der Meinung, dass Menschen, die auf das Gehalt angewiesen sind, weniger Anrechte haben?

Eine Hierarchie ist ein Organisationssystem. Auch in einem Team spielt ein Teamleiter eine besondere Rolle. Das hat nichts mit "weniger wert" oder "devot" zu tun. Sich in ein Team einzuordnen hilft dem gesamten System. Möchtest du ein konstruktiver Teil einer Firma sein, oder willst du arbeiten um Selbstbestätigung und Machtgefühle zu erleben?


xo9zu9dyoi 
Beitragsersteller
 21.07.2021, 14:07

Danke für den ausführlichen Kommentar, aber ich glaube, du hast mich falsch verstanden.

a) Auch ein Dienstleister, der von außen kommt, bringt kein Kapital ein.
b) Auch ein Dienstleister, der von außen kommt, führt einen ihm zugewiesenen Job aus (Bitte reparieren Sie Maschine XYZ z.B.)

Trotzdem wird ein externer Dienstleister "auf Augenhöhe" behandelt. Das meine ich mit "Geschäftspartner".

Ich möchte als Angestellter einfach mit dem Respekt und in der Weise behandelt werden, wie jemand von einer externen Servicefirma.

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mjutu  21.07.2021, 14:29
@xo9zu9dyoi

Ich stimmt dir zu, das gegenseitiger Respekt wichtig ist.

Wenn ich einen externen Dienstleister beauftrage z.B. die Wände meiner Wohnung zu streichen, bestimme ich die Farbe, die Uhrzeiten zu denen er Zugang zur Wohnung hat und kontrolliere hinterher, ob die Arbeiten ordentlich durchgeführt wurden. Im Gegenzug garantiere ich umgehende Bezahlung inklusive Versicherung und Steuern. Ich sorge dafür, dass er eine Toilette benutzen kann und stelle ihm Gläser und eine Flasche Wasser hin. Wenn ich Kuchen backe, bekommt er in seiner Pause etwas davon. Das ist kein Verhandeln auf Augenhöhe. Wenn er einwendet, dass pink besser aussehen würde, sage ich ihm schlicht "nein, ich habe meine Farbwahl schon getroffen."

Ich kenne die Namen der Personen, die in meiner Firma putzen. Ich halte ihnen die Türen auf und begrüße sie wie jeden anderen auch. Trotzdem ist das kein verhandeln auf Augenhöhe, denn ich habe die Freiheit und und Aufgabe bei Bedarf auch zu bestimmen, wann sie wo wie zu putzen oder nicht zu putzen haben. Ich trage die Verantwortung also bestimme ich auch, ob z.B. im einem Server-Raum mit Wasser geputzt wird oder nicht. Im Gegenzug bin ich dann auch derjenige, der im Schadensfall juristische Schritte einleitet, damit das Reinigungspersonal im Schadensfall nicht haftbar gemacht wird.

Hierarchien schützen beide Seiten. Ein Haufen voller gleichgestellter Freelancer ist weniger produktiv, aber einer gewissen Komplexität der Aufgabe. Zu zwei oder zu dritt bekommt man das eventuell hin. Mit 100 Mitarbeitern nicht.

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xo9zu9dyoi 
Beitragsersteller
 21.07.2021, 14:35
@mjutu

"Ein Haufen voller gleichgestellter Freelancer ist weniger produktiv, aber einer gewissen Komplexität der Aufgabe. Zu zwei oder zu dritt bekommt man das eventuell hin. Mit 100 Mitarbeitern nicht."

Da wäre mein Ansatz: "Ich verstehe Ihren Ansatz Chef, aber ich empfinde das als demütigend irgendwo ein kleines Glied in der Kette zu sein. Ich bräuchte hier eine Degradierungs-Zulage in Form von €, um das wieder auszugleichen und mein Ego wieder anzuheben".

So bin ich drauf ;) Wenn der Chef dann sagt "Okay", dann bin ich der devoteste Angestellte den man sich vorstellen kann. Aber ich will fürs Devot sein extra Geld.

So verstehe ich das mit dem Respekt.

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mjutu  21.07.2021, 14:50
@xo9zu9dyoi

Gut. Ich mag es, wie du drauf bist. Es ist sympathisch, dass du deine Gefühle so klar erkennst und in der Lage bist sie wertneutral zu formulieren.

Einstellen würde ich dich allerdings nicht, weil Personen, deren Ego durch die Arbeit angehoben werden muss, nicht dem entsprechen, was ich von Mitarbeitern erwarte. Eine Arbeit im Team mit der Einordnung in eine Hierarchie als "Degradierung" zu betrachten, wäre mir zu suspekt.

An meinem Arbeitsplatz gibt es immer mal wieder Stress. Dann liegt es am Chef zu entscheiden, wie ein Problem gelöst wird. Ab und zu entscheidet der dann natürlich auch falsch. Ich informiere ihn darüber, aber weil er die Verantwortung trägt und einen anderen Überblick über die Gesamtlage in der Firma hat, liegt es an ihm, das letzte Wort zu haben. Wenn er dann meinen Vorschlag nicht annimmt, finde ich das nicht degradierend oder demütigend, sondern er macht einfach nur seinen Job, also mache ich meinen und setze seine Entscheidungen so gut um, wie es geht.

Wenn ich am Lenkrad eines Autos sitze (kommt nur sehr selten vor), bin ich auch "Chef". Ich entscheide, ob gelüftet wird, die Musik eingeschaltet wird und ob ich eine Pause brauche. Natürlich höre ich mir alle Wünsche der Mitfahrer an, aber wenn mir die Augen zu fallen wäre es idiotisch, die Fenster zu schließen und die Musik auszuschlaten. Ích bin verantwortlich für das Überleben der Passagiere, also darf ich auch bestimmen, welche Sonnenklappen in welche Richtung gekippt werden. Im Gegenzug habe ich aber keine Freiheiten mal zu telefonieren, herumzuträumen oder ein Bier zu trinken. Sowie ich auf dem Beifahrersitz sitze, ist der nächste Fahrer der Chef. Genauso läuft es bei der Arbeit auch. Wenn Rechte mit Pflichten Hand in Hand laufen, hat das nichts mit Demut zu tun.

Ich denke ich verstehe ein wenig, wie die Arbeitgeber bei deinen Vorstellungsgesprächen auf die Idee kommen, du wärst arrogant. Kannst du den Eindruck auch nachvollziehen? Ich meine das nicht kritisch, denn mich belastet das ja überhaupt nicht. Du kannst gerne genau so bleiben. Ich finde es gut, wenn Menschen geradeheraus, direkt und ehrlich sind. Glücklicherweise bist du ja auch nicht auf den Lohn angewiesen. Dann kannst du dir das durchaus leisten.

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xo9zu9dyoi 
Beitragsersteller
 21.07.2021, 14:53
@mjutu

Danke für das Feedback. Ja, ich kann das schon irgendwo nachvollziehen, das manche oder viele Chefs da auch Probleme mit haben. Ich bin wohl einfach selbst zu sehr "Alpha-Tierchen", als dass ich so in eine Hirachie in der Form hereinpasse, wie man das so gewohnt ist hierzulande.

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mjutu  21.07.2021, 15:12
@xo9zu9dyoi

"Alpha-Tier" passt nicht ganz ("Tierchen" schon gar nicht), denn du willst ja nicht einfach nur an der Spitze stehen, sondern auch mit anderen auf Augenhöhe sprechen.

Überlege mal, welche Art von Arbeit gut dazu passt. Du wirkst energisch, aufgeräumt, strukturiert und nicht team-willig. Ungewöhnliche Leute brauchen ungewöhnliche Aufgaben. Mir fällt da nicht spontan etwas ein. Moderator in einem Internetforum? :-)

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xo9zu9dyoi 
Beitragsersteller
 21.07.2021, 15:37
@mjutu

Ich werde versuchen, selbstständig Dienstleistungen anzubieten. Ich habe ja viel Zeit und wenn etwas floppt, macht das auch nichts.

Unternehmensberatung stelle ich mir zum Beispiel interessant vor. Und große Investitionen muss ich hier auch nicht vornehmen - nur gutes Marketing in eigener Sache betreiben. Habe da letztens noch eine Doku zu geschaut. Was machen die meistens Unternehemsberater? Die reden mit den Mitarbeitern und fragen diese nach Input, was verändert und optimiert werden könnte, zum Beispiel an Fertigungsabläufen. Das sammelt der dann, fasst es zusammen und hübscht es auf und legt es dem Chef danach als große Sache vor. Und kassiert eine Menge Geld! Weil viele Chefs zu dumm (?) sind, selbst mal "unten" nachzufragen, was denn nicht passt.

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Ich denke, du gehst die Sache falsch an. Ich weiß nicht, in welcher Branche und mit welchem fachlichen Hintergrund du dich bewirbst, aber zunächst fehlt dir wahrscheinlich einfach die Erfahrung mit Branche und Betrieb, um dem Arbeitgeber tatsächlich auf Augenhöhe zu begegnen. Im Prinzip sehe ich zwei Möglichkeiten:

  • Du suchst dir tatsächlich eine Position als Teilhaber. Dabei spricht auch nichts dagegen, dass du arbeitstechnisch zunächst eine Einarbeitungszeit absolvierst bzw. dein Fachwissen auf den nötigen Stand bringst. Als Teilhaber darfst du alles machen, was du für dein Fortkommen für sinnvoll hältst. Solche Positionen findet man aber nicht beim Arbeitsamt oder in den Stellenanzeigen. Das läuft über - teilweise sehr exklusive - Personalberater bzw. Executive Search Agenturen. Die findest du online, manche breit aufgestellt, manche auch branchenspezifisch.
  • Du lässt bei deiner Bewerbung zunächst den ganzen Geldkram außen vor und versuchst erst mal, jemanden zu finden, mit dem du dich gut verstehst und wohlfühlst. Ein HR-Profi würde dich ohnehin nicht von oben herab behandeln, sondern darauf schauen, was du an Qualifikation und Persönlichkeit mitbringst.

Ein dritter, allerdings riskanter Weg wäre, mit deinem Geld eine eigene Firma zu gründen und dann zwei bei drei sehr erfahrene Leute einzustellen, die dich sozusagen on the job anleiten und trainieren. Das Risiko liegt darin, dass du auf Grund fehlender Erfahrung und Menschenkenntnis die Falschen erwischst.

Du hast es nicht nötig zu arbeiten. Deshalb verhältst du dich bei einem Vorstellungsgespräch auch nicht wie ein "normaler" Arbeitnehmer oder Angestellter. Die meisten Leute , vor allem wenn sie arbeitslos waren, stellen keine Bedingungen oder verlangen, dass der Arbeitgeber ihnen was bietet, wenn sie den Job antreten. Im Gegenteil, sie sind froh, einen Job zu bekommen. So gesehen kann man dein Verhalten schon als arrogant ansehen.

Noch ein Aspekt, das in den bisherigen Antworten nicht besprochen wurde.

gerne mal wieder was machen, weils ja auch interessant sein kann und mir langweilig war.

Das ist für eine Bewerbung eine nicht ausreichende Motivation. Du musst dem künftigen Arbeitgeber davon überzeugen, dass es für IHN attraktiv ist, Dich anzustellen, und ,,langweile" oder ,,etwas machen" sind keine Argumente.

Ganz einfach: Vor allem größere Betriebe ersaufen förmlich in Bewerbungen. Davon können sie sich dann einen einzigen Bewerber aussuchen. Du willst, dass du dieser Bewerber bist. Oder anders: DU willst etwas von IHM, nämlich den Job. Also musst DU dich auch entsprechend verhalten. Dass du das nicht tust und sogar denkst, SIE müssten DICH anwerben, lässt sich durchaus als Arroganz bezeichnen.


xo9zu9dyoi 
Beitragsersteller
 21.07.2021, 14:25

Sie können sich aber auch geehrt fühlen, dass ausgerechnet ich, obwohl es gar nicht nötig hab, dort trotzdem mal reinschneie. Ist ja gewissermaßen Nobel von mir.

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Midnight1999  21.07.2021, 14:28
@xo9zu9dyoi

Nein, ist es nicht. Du tust gerade so, als stünden die Unternehmen allesamt kurz vor der Insolvenz und nur du alleine könntest sie davor bewahren.

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