Erfolglose Reanimation/Selbstvorwürfe

8 Antworten

Du solltest dich unbedingt austauschen. Ich wünsche sowas keinem.

In erster Linie würde ich aber auf das hören, was dir von Experten gesagt wurde: Du konntest nichts tun. Jeder muss irgendwann gehen und so schlimm es auch ist, was sollst du denn falsch gemacht haben? Du hast die Anweisungen befolgt, du kannst keine Wunder vollbringen. Nur dein Bestes geben und das hast du.

Du solltest dir dennoch unbedingt Hilfe suchen und reden, reden, reden.


Dandelion80 
Beitragsersteller
 17.09.2024, 01:38

Danke. Darum dachte ich, ich probiere es mal über diesen Weg, in der Hoffnung, dass vielleicht jemand weiss, wo ich mit solchen Menschen reden kann. Die Psychologin, die keinen Platz mehr hatte, konnte mir auch nichts nennen.

Ja, es gibt was für Krisen, aber ich hab einfach das Gefühl, dass ich was anderes brauche.

Ich bin aber grad froh, dass ich mich doch getraut hab, hier zu fragen.

Heyho,

Bei Reanimationen ist es normal, dass man eine Person nicht wieder "Lebensfähig" reanimiert, sodass diese wieder selbstständig atmet ... auch mit AED. Bei der Reanimation geht es in erster Linie darum, einen gewissen Zeitraum zu überbrücken, die Organe mit Sauerstoff zu versorgen und den Rythmus beizubehalten. Je länger der Rythmus unterbrochen wird, desto geringer wird die Überlebenschance:

Demnach hast Du absolut alles richtig gemacht! Du hast reanimiert! Es ist statistisch eine Seltenheit, dass eine Person bei einer Reanimation wieder anfängt zu atmen: Auf die Sanitäter trifft dieselbe Wahrscheinlichkeit zu ... die verlieren (leider) regelmäßig Menschen bei Reanimationen (leider die traurige Wahrheit).

Demnach ist das, was leider passiert ist, teil einer Wahrscheinlichkeit mit entsprechenden Ergebnissen. Du kannst garnichts falsch gemacht haben ... Du bist einfach nur auf der entsprechenden Seite der Statistik.

Ich hoffe Dir damit weitergeholfen zu haben!

Alles Gute und viel Erfolg!

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Trainer: Seminare in Straf- & Zivilrecht, Notfallmedizin

Dandelion80 
Beitragsersteller
 17.09.2024, 01:51

Also mach ich mich umsonst verrückt? Natürlich hab ich gegoogelt und da kamen dann so Dinge wie, dass man so feste drückt, dass man sogar die Rippen brechen könnte. Ich hab nicht so feste gedrückt und war glaub ich zu zögerlich.

Es ist furchtbar zu lesen, dass es selten ist, dass man jemanden zurück holen kann.

Meine Mutter macht sich Vorwürfe, weil sie in der Nacht unter Schock stand und mir nicht geholfen hat. Es war ihr Mann, dem ich helfen wollte.

Danke. Ich werde mir das auf jeden Fall zu Herzen nehmen. Das muss nur noch irgendwie in meinem Kopf ankommen und festigen.

PumPum2004  17.09.2024, 02:16
@Dandelion80

Ich habe nochmal nachgelesen: 11% aller Reanimationsfälle (in DE), schaffen es nach 30 Tagen wieder lebend aus dem Krankenhaus. Das ist die bittere Realität. Das sind die best-ausgebildsten Ärzte, Saniäter, Chirurgen etc. ... und trotzdem bleiben es 11%.

Wie gesagt: Du hast alles richtig gemacht! Es wäre dennoch angemessen, wenn Du entsprechend mit einem Therapeuten sprichst. Über solch traumatische Ereignisse muss man reden ... selbstvorwürfe sind in der Regel eine Form von Trauer, die bewältigt werden muss.

Alles Gute! 👍

Dandelion80 
Beitragsersteller
 17.09.2024, 02:25
@PumPum2004

Vielen Dank für deine Mühe.

11% sind wirklich wenig 😔

Danke. Ich werde es nochmal versuchen, dass ich einen Platz bei einer Psychologin bekomme. Mir hat nur in den letzten Wochen etwas die Energie gefehlt. Hab auch eine Woche gebraucht, diese Frage hier zu stellen 🙈

Hey, es tut mir leid was du erleben musstest. Als derjenige, der im Zweifelsfall in oder oder gelber Jacke neben dir am Einsatz und steht kann ich dir aber folgendes sagen: du bist nicht allein mit dem, was du fühlst. Beinahe jeder, der als Ersthelfer eine Wiederbelebung begonnen hat, die schlussendlich nicht erfolgreich ist gibt sich selbst daran zumindest eine Mitschuld. Ich sage das nicht um deine Gefühle abzuwerten, die sind natürlich so wie sie sind und fühlen sich total schlecht an. Ich will damit nur sagen, dass es dich möglicherweise ein wenig beruhigen kann, dass dies eine relativ normale Reaktion des eigenen Verstandes ist. Eine, die natürlich sachlich durch nichts begründet ist.

Vielleicht helfen ein paar Zahlen, so nüchtern sie auch klingen mögen um diese Gedanken an eine Schuld ein wenig zu mildern: in weniger als einem Drittel der Fälle gelingt die Wiederbelebung vor Ort und nur in etwa 10% der Fälle ist ein langfristiges überleben mit guter Lebensqualität die Folge.

Auch wichtig zu wissen ist, dass, so wichtig die Reanimation durch Laien auch für das spätere Überleben ist, dir reine Laien-Reanimation den Kreislauf meist nicht zurückbringt. Das schafft erst der Rettungsdienst - aber eben nur, eenn es dafür durch das beherzte Eingreifen von Ersthelfern überhaupt noch Chancen gibt! Wenn du so willst, verhindert die Ersthelfer-Reanimation schlimmeres und ermöglicht es dem Rettungsdienst überhaupt erst, erfolgreiche Wiederbelebung zu leisten. Wenn der Rettungsdienst es schließlich nicht schafft, heißt es nicht, dass du schlechte Arbeit geleistet hast. Du hast den Versuch des Rettungsdienstes überhaupt erst ermöglicht! Ob du nun ein bisschen zu wenig oder zu doll gedrückt haben magst, das spielt keine Rolle, die Tatsache, dass du überhaupt gehandelt hast, hat deinem Angehörigen erst eine Chance gegeben. Dass diese Chance leider zu keinem guten Ende geführt hat, das ist natürlich sehr traurig. Aber ohne deine Maßnahmen hätte der Rettungsdienst es überhaupt nicht mehr versuchen brauchen, denn dann wäre zu viel Zeit verstrichen um eine Chance zu haben.

Nur deinetwegen gab es eine Chance.

Wie gesagt, wenige Menschen schaffen es vor Ort, noch weniger kommen aus dem Krankenhaus zurück. Aber die, die das schaffen sind in der Regel jene, welche von Ersthelfern sofort wiederbelebt wurden. Diese haben einfach die besten Chancen.

Dass du ihm diese Chance gegeben hast, ist eine große Tat. Dass er sie nicht nutzen konnte, ist nicht deine Schuld, sondern Schicksal. Daran, wie wenig Wiederbelebungen erfolgreich sind, sieht man ja: für die meisten ist es eben einfach an der Zeit. Manchmal kommt diese Zeit viel zu früh, eigentlich immer ungelegen, oft verstehen wir nicht warum. Aber irgendein biologischer Mechanismus, das Schicksal oder an was auch immer man glauben darf hat in diesem Moment beschlossen, das es soweit ist. Das waren wieder du noch der Verstorbene noch sonst irgendjemand, den du kennst. Alles was du getan hast, war die einzige Möglichkeit, es wieder gut zu machen und das hast du perfekt getan.

Das ist die Wahrheit. Du hast alles getan, was menschenmöglich war. Du hast deinen Angehörigen eine Chance verschafft. Ohne dich hätte es keine Chance gegeben. Dass er die Chance nicht nutzen konnte, das ist aber nicht deine Schuld. Wir wissen eben nicht, was am Ende mit unserem Leben passiert. Bei manchen klappt es mit Wiederbelebung bei anderen nicht. Das können wir Helfer nicht beeinflussen. Weder du als Laie noch ich als Profi, das ist einfach so. Entweder wir schaffen es gemeinsam, oder wir schaffen es nicht. Wir beiden entscheiden das nicht. Aber was ich weiß ist, dass OHNE das, was du getan hast, es niemals eine Chance gegeben hätte. Und du brauchst dich niemals schlecht dafür zu fühlen, dass du einem Menschen in Not eine Chance gegeben hast, auch wenn er sie leider nicht nutzen konnte.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Anästhesist und Notfallmediziner

Dandelion80 
Beitragsersteller
 17.09.2024, 11:05

Hallo.

Vielen Dank, für die lieben Worte. Mir kamen gleich die Tränen.

Ich verstehe das alles, es ist nur so furchtbar schwer das anzunehmen. Aber das dauert vielleicht noch ein paar Wochen, ist ja alles noch sehr frisch. Aber es tut gut zu wissen, dass es jemand mit Erfahrung zu mir sagt. Danke.

DorktorNoth  17.09.2024, 15:45
@Dandelion80

Ja, ich weiß, dass das schwer fällt. Auch wir, die wir das beruflich machen, haben ähnliche Gedanken beim ersten Mal. Hätte man es anders machen können? Wäre es anders gelaufen, wenn ich es besser gemacht hätte? Diese Fragen nagen an einem und ich möchte mir nicht vorstellen, wie sehr sie das tut, wenn man denjenigen auch noch kannte. Ich kann deinenGedanken bestens nachvollziehen. Und ich versichere dir nochmal: du hast die Chancen verbessert. Nicht verschlechtert. Ohne dich gab es eine Chance von Null. Durch doch gab es einenkleine Chance. Leider hat sie nicht gereicht. Aber ohne dich hätte es sie nicht gegeben. Und das darfst du dir immer wieder sagen, wenn die Frage nach der eigenen Leistung kommt. Du hast mehr getan, als die meisten getan hätten. Und dann darfst du nach dem Moment des Zweifels wieder stolz auf dich sein.

Dandelion80 
Beitragsersteller
 17.09.2024, 17:15
@DorktorNoth

Und schon wieder kommen mir die Tränen. Danke,für die lieben Worte.

Wenn ich gefestigt bin, dann werde ich auf jeden Fall einen Erstehilfekurs machen. Nie wieder möchte ich sowas erleben und nicht genau wissen, was zu tun ist.

Danke an dich und deine Kollegen, die solch eine Hilfe leisten. Und das es euch vor allem auch sehr nahe geht,daran denken wahrscheinlich auch nicht viele.

Ich hätte mich nämlich auch gerne bei dem Herrn von der Notrufzentrale bedanken wollen. Der war die ganze Zeit bei mir und als die Kollegen ankamen, war er dennoch ein bisschen am Telefon und hat mich nicht alleine gelassen. Ihm ging es damit sicher auch nicht gut.

Man denkt sich vielleicht, ja ihr seid abgehärtet und es sei euer Job. Aber wenn man das selbst mal mitbekommt, sieht man das irgendwie ganz anders. Obwohl ich das niemals als selbstverständlich angesehen habe... Hoffe das wird nicht falsch aufgefasst!?

Vielen Dank 🤗

alles richtig gemacht, manchmal gibt es Dinge im Leben, die man nicht ändern kann

Du kannst mal schauen ob es in deiner Umgebung die Möglichkeit der psychosozialen Notfallversorgung gibt. Die sind auf sowas Spezialisiert und können dir wahrscheinlich weiter helfen.