Buddhismus - 5 Silas - unrechte Sexualität - Was bedeutet das?

2 Antworten

Ja, die Antwort von  Enzylexikon ist sehr hilfreich und orientiert sich an den alten Texten, die vor 2600 Jahren dargelegt wurden. Hier muss man bedenken, welche Rechte die Frauen damals in Indien hatten und welche sie heute haben - da hat sich nicht viel geändert - und eine moderne, westl. Frau würde sich bei der dieser Auslegung von  Enzylexikon unten beschrieben fragen: 'Habe ich da auch ein Wörtchen mitzureden?' Und wenn man ins Detail geht mss es für unseren Kulturkreis auch umgeschrieben werden. Ich sage an dieser Stelle: Unrechtes sexuelles Verhalten ist es dann, wenn man sich selbst oder andere zu sexuellen Handlungen zwingt, sie sich durch Manipulation erchleicht, oder - noch weiter gefasst - aber das ist mein Sicht - wenn sie sich nicht aus der Liebe heraus entfaltet. Aber man kann ja mal fühlen wie das ist, wenn man mal wieder Sex hatte einfach nur um den Trieb zu befriedigen - und wie schal sich das manchmal anfühlt. .........


UserGF2  05.07.2020, 12:20

Schöne Erweiterung der Antwort von Enzylexikon. Kannst du mir näher beschreiben warum Pornos aus Sicht des Buddhismus kein rechtes sexuelles Verhalten sind? Letztlich entfalten sich diese auch nicht aus der Liebe... .

1

Ich bin Buddhist und gebe mal meinen Senf ab.

Die dritte der fünf Sittlichkeitsregeln (Pancasila) lautet;

"Ich nehme die Übungsregel, kein sexuelles Fehlverhalten zu üben, auf mich"

In Pali

"Kamesu micchacara veramani sikkhapadam samadiyami"

Diese Regel bedeutet für Laien, das man verantwortungsbewusst mit der eigenen Sexualität umgehen und die Schaffung von Leiden vermeiden soll.

Leiden wird dann geschaffen, wenn man sich selbst, oder einer anderen Person Schaden zufügt, oder materiellen Anhaftungen erliegt.

Das Problem sind also nicht grundsätzlich Masturbation und Homosexualität, sondern beispielsweise Vergewaltigung, Untreue, Sexsucht und Pornographiekonsum.

All diese Formen der Sexualität sind explizit mit Leiden verbunden, da sie entweder Schaden zufügen, oder mit Anhaftung verbunden sind.

Das ist eine heute allgemein akzeptierte Interpretation unter Buddhisten, denke ich, auch wenn ich sie hier mit eigenen Worten wiedergegeben habe.

Schauen wir uns das aber mal wörtlich an

Was sagt die Regel wörtlich?

Das auf sich nehmen der Übungsregeln "veramani sikkhapadam samadiyami" findet sich bei allen fünf Sittlichkeitsregeln.

 "micchara" ist der "falsche Weg" für "kamesu" - der zugrunde liegende Begriff "kama" bedeutet "Freude durch sinnliche Befriedigung".

Dass der Buddha damit explizit sexuelle Befriedigung meinte, wird in den weiteren Textstellen aus dem Palikanon deutlich

Er führt einen unrechten Wandel in Sinnenlüsten; vergeht sich gegen Mädchen, die unter der Obhut von Vater, Mutter, Bruder, Schwester oder Verwandten stehen, gegen Mädchen, die unter dem Schutze der Religionsgemeinschaft stehen, die einem Gatten versprochen wurden, , die öffentlich Anverlobten, bis zu den durch Überwurf eines Blumenkranzes Anverlobten

(Quelle: Palikanon Anguttara Nikaya, X, 206).

Im Saleyakka Sutta erklärt er die zehn heilsamen und zehn unheilsamen Handlungen. Dort heißt es:

Aufgeben sexuellen Fehlverhaltens; Er nimmt von sexuellem Fehlverhalten Abstand, er hat keinen Geschlechtsverkehr mit Mädchen, die unter dem Schutz ihrer Mutter, ihres Vaters, Bruder, Schwester, oder Verwandten stehen, gegen Mädchen die einen Ehemann versprochen sind, die durch Gesetz geschützt, oder bereits in einer Beziehung sind

(Quelle: Palikanon Majjhima Nikaya 41, Saleyyaka Sutta).

In dieser ursprünglichen Form dienen sie also explizit dem Schutz von Frauen vor sexueller Ausbeutung.

Da in weiteren Lehrreden des Buddha die Anhaftung an Sinnesfreuden - siehe obiges "kama" - kritisiert wird, ist klar, dass diese Aussagen dann auch den sexuellen Genuss einbeziehen.

Hoffe, die Antwort war hilfreich.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit etwa 40 Jahren praktizierender Buddhist

Lacrimis27  24.02.2021, 12:27

Das verwirrt mich ein wenig...

Das Problem sind also nicht grundsätzlich Masturbation (...)

Masturbation ist ja materiell angehaftet ist ja von außen offensichtlich ziemlich körperlich.. Die Wohlgefühle entstehen jedoch im Kopf man könnte auch sagen das Masturbation nur ein Energiewandel ist - die Umwandlung von Bewegungsenetgie in Wohlgefühle.. Man stimuliert ja mit der Bewegungsenergie nerven dabei welche elektrische also energetische Impulse an das Gehirn weiter leitet Un dieses zur Produktion von diverse Glücks und Entspannungshormone führt - also im Prinzip der Meditation sehr ähnlich nur mit mehr Aktion.. Vllt wie eine Gehmeditation

Also wenn Masturbation an sich nicht "das Problem" ist, dann das rein geistliche

Wäre eine Masturbation im Sinne des Buddhismus in Ordnung wenn diese eine Art meditative Praxis ist? Wenn es gar nicht all zu sehr um die körperliche Stimulation dabei geht sondern etwa 80% tantrisch geschied? Sanftes massieren ohne dem festgelegten Ziel auf ein orgasmus - den Weg als moment wahrnehmen und durch den gesamten Körper fließen lassen.. Spüren wie die dabei entstehende Energie sich im Körper breit macht und sich bis in die Tiefen der Gefühle verteilt..

Es macht geistlich schon einen großen Unterschied ob man Masturbation als eine besonders angenehme Art der selbsterfahrung nutzt oder ob es nur darum geht sich von seinem schlafenden Traum abzulenken.. Sodas Masturbation missbraucht wird.. Wenn Masturbation missbraucht wird, missbraucht der Geist den eigenen Körper aus zumeist "niederen" Gründen

Ich habe nun einfach mal ein paar Gedanken geäußert damit du weißt worum es mir geht und vllt findest du darin meine Verwirrung.. Worin unterscheidet sich "gute" und "schlechte" Masturbation? Wie tief kann man da unterscheiden? Klar, Vergewaltigungen sind offensichtlich... Aber grade bei so Grauzone wie Masturbation das sowohl für vollkommen schadloses wie auch geistig für sehr gefährlich durch Beispielweise Sucht (was von suchen kommt - der Süchtige ist ein Suchender.. Jemand der bereits erkannt hat zu schlafen oder es zumindest unterbewusst ahnt und nun nach Auswege sucht oder Unterdrückung dieser Gefühle um noch tiefer zu schlafen)

Danke für die Einblicke :)

Lg

0
Enzylexikon  24.02.2021, 19:34
@Lacrimis27

Natürlich ist Masturbation erst einmal ein zeitlich begrenztes körperliches Wohlgefühl. Musik hören, ein leckeres Essen, ein inspirierender Meinungsaustausch, führen gleichfalls zu einem zeitweisen Wohlbefinden.

Weder körperliches noch geistiges Wohlbefinden sind an sich verwerflich - der Buddhismus ist nicht "lustfeindlich" - es soll nur eben eine Abhängigkeit von diesen Dingen vermieden werden.

Wer nur noch gute Laune hat, wenn er täglich sein Lieblingsessen bekommt oder stundenlang Sex braucht, um sich wohl zu fühlen oder wer regelmäßig Meditation benötigt, um überhaupt mit seinem Leben klar zu kommen, hat ein Abhängigkeitsproblem.

Sexsucht...Meditationssucht...Luxussucht...nicht Sex, Meditation oder Luxus sind das Problem, sondern die Anhaftung, das Suchtverhalten.

Zu deinen Punkten

Natürlich ist es schön, wenn jemand sich die Zeit nimmt, um sich bewusst etwas gutes zu tun - aber manch einer rennt eben auch vor der Klassenarbeit noch mal schnell auf die Schultoilette um Stress abzubauen, indem er Hand anlegt.

Das ist meiner Ansicht nach völlig okay (...wenn er ordentlich sauber macht)

Aber man kann eben auch von schönen Ritualen abhängig werden und so spricht aus meiner Sicht absolut nichts dagegen, mit einem schönen Bad, anschließendem warmen Körperöl und passender Musik meditativ zu masturbieren - so lange man sich nicht von dieser äußeren Form abhängig macht.

Ich bin da vielleicht sehr pragmatisch, aber ein guter Orientierungspunkt ist meiner Ansicht nach die Frage: "Kann ich auch ohne/mit weniger Essen/Erotik/ Meditation/Musik/Gesellschaft/Anerkennung glücklich sein?"

Sobald da ein "Nein" ist, sollte man genauer hinsehen.

Man sollte sich bewusst sein, was man macht.

Wenn man beispielsweise total überdreht ist, nicht zur Ruhe findet, aber dringend Schlaf braucht, weil morgen ein wichtiger Termin ansteht...dann ist eine Masturbation zur Erzielung der gefürchteten "postkoitalen Müdigkeit" (Mann dreht sich nach dem Sex auf die Seite und schnarcht weg) möglicherweise nicht die schlechteste Idee.

Man kann sich natürlich auch einreden, ein "spiritueller Mensch" mache sowas nicht und sich die halbe Nacht mit Meditation um die Ohren schlagen. Ob das in dieser Situation aber wirklich von Weisheit zeugt...da kann man drüber streiten.

Im Bezug auf Masturbation gibt es meiner Meinung nach keine "niederen" Gründe - denn Triebhaftigkeit wohnt nun einmal dem Menschen inne. Anstatt es zu verdrängen oder viel Energie in irgendwelche Transformation zu stecken, kann man sie auch einfach mal zulassen.

Meister Deshimaru meinte mal (sinngemäß), es sei auffällig, wie viele Menschen, die sich für "spirituelle" Themen interessieren, gleichzeitig Fragen zur Sexualität haben. Für ihn war das einfach etwas, dass sich mit dem fortschreitenden körperlichen Alter von selbst regelt.

0
Lacrimis27  25.02.2021, 10:12
@Enzylexikon

Vielen Dank für deine ausführliche Erklärung! Nun sind alle wirrheiten aufgeklärt diesbezüglich ^~^

Die selbstreflektierende Frage ist super "kann ich auch ohne GLÜCKLICH SEIN?" denn viele Fragen sich nur ob sie auch ohne leben könnten.. Klar kann mn ohne überleben aber auch glücklich oder fehlt dann etwas?

Das Buddhisten ich irgendwo irgendwann irgendwas vermehrendes tun ist wohl offensichtlich ich denke, seit buddha also die letzten etwa 2500 Jahre, sind nicht alle weibliche Buddhisten die Jungfrau Maria :D

Was ich mich auch noch fragte: Ich habe mal aktiv nach Kritik am buddismus gesucht.. Guck über das Christentum oder Islam oder sonstwas man findet immer sofort tonnenweise darüber jedoch nichts außer satire über den Buddhismus... Gibt es Kritikpunkte die man genauer hinterfragen sollte bzw über die man genauer was wissen sollte zur Verständnis?

Ich kann mir vorstellen das durch das gesamte loslassen einem irgendwann alles vollkommens egal wird.. Ich merke auch in meiner meditativen Praxis das ich mich immer weniger bzw deutlich kürzer aufrege.. Kann das was mich belastet einfach weg atmen und kurz drauf wieder in meinem Wohlgefühl sein durch Befreiung - woran merke ich, daß ich mich befreite und nicht verdränge? Angenommen ich habe alles losgelassen was ist dann noch von Bedeutung?

Alles eins - alles gleichwertig - alles gleichgültig

0
Lacrimis27  25.02.2021, 10:16
@Lacrimis27

Also die kritische Frage: ist der Weg zum erwachen potenziell ein Weg zu "alles egal" mit dem + des Mitgefühls?

0
Enzylexikon  25.02.2021, 18:46
@Lacrimis27
Gibt es Kritikpunkte die man genauer hinterfragen sollte bzw über die man genauer was wissen sollte zur Verständnis?

Natürlich kann man den Buddhismus und auch Buddhisten kritisieren (das ist etwas anderes als Schmähen - laut den Gelübden, soll man nicht schmähen) - ich persönlich halte das sogar für wichtig, weil meiner Meinung nach der Buddhismus vielfach zu unkritisch gesehen wird.

Buddhismus und Faschismus

Die großen buddhistischen Dachverbände in Japan solidarisierten sich mit dem, durch das "Staats-Shinto" geförderten Nationalismus und Militarismus während des Pazifikkrieges und verherrlichten das Töten und den Opfertod für das Vaterland als buddhistische Tugenden.

Meines Wissens nach haben sich bis heute nicht alle Dachverbände für die damalige Unterstützung des Faschismus entschuldigt.

Buddhismus und Missbrauch

Mehreren bekannten und bis heute durch ihre Bücher und Vorträge populären Lehrern sind verschiedene Formen von Fehlverhalten sowohl "nachgesagt", als auch teilweise bewiesen worden.

Machtmissbrauch, psychologische Manipulation und Abhängigkeit, sexuelle Nötigung und Missbrauch, der teilweise als offenes Geheimnis jahrzehntelang geduldet wurde, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Ehebruch, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, Ablehnung des Islam...

Vor ein paar Jahren wurde etwa ein deutscher Zen-Priester, der im interreligiösen Dialog tätig war, wegen sexuellen Kindesmissbrauchs und der Herstellung von kinderpornographischem Material verurteilt. Er hatte Flüchtlinge bei sich aufgenommen, sich trotz Ehefrau an die Mutter der Kinder herangemacht und dann die Kinder missbraucht und davon Filme erstellt.

Ein anderer Lehrer witzelte widerum über ertrinkende Flüchtlinge..

Während einige dieser Lehrer mittlerweile verstorben sind und unter ihren direkten Schülern teilweise noch genau so Verehrung genießen, wie unter neuen Anhängern ihrer Lehrtradition, sind einige dieser buddhistischen Lehrer trotz ihres Verhaltens weiterhin mit ihren Gruppen aktiv und gehen offensiv juristisch gegen Kritiker vor und lassen Inhalte aus dem Internet entfernen, oder schicken ihre Anhänger als Internet-Trolle los, um die Diskussion zu beeinflussen.

Probleme des Buddhismus

Manche Probleme sind auf Missverständnisse und christliche Prägungen zurückzuführen.

So wird der Begriff "Karma" in der westlichen Esoterik-Szene, oder mittlerweile auch in der Alltagssprache auf eine Weise verwendet, die mit der buddhistischen Interpretation praktisch nichts mehr zu tun hat.

Manche Menschen hoffen auf "Belohnung" vermeintlich "guter" und die "Bestrafung" angeblich "böser" Taten - aber so etwas gibt es im Buddhismus nicht.

Begriffe wie "Leerheit" (shunyata) oder "Nicht-Selbst" (anatman) oder "Nichts" führten gerade beim ersten frühen Kontakt zwischen westlichen Philosophen und dem Buddhismus zur falschen Vorstellung, es sei eine nihilistische Lehre.

Auch das Fehlen einer höheren Macht, die einem Gnade und Vergebung gewährt, ist für manche Menschen schwierig, weil sie sich z.B. nicht selbst vergeben können, oder an ihrer christlichen Moralvorstellung der "Sünde" kleben bleiben - aber im Buddhismus gibt es eben keinen gnädigen Übervater, sondern man ist zu 100% für sich selbst verantwortlich und muss mit den Konsequenzen leben.

1
Lacrimis27  25.02.2021, 19:20
@Enzylexikon

Vielen Dank für die Einblicke! Wie ich nun aber erlese, sind es Handlungen von Buddhisten aber nichts wirklich dabei, was die Lehre selbst angeht sodas sie ins verderben führen würde oder so also keine Kritik am Buddhismus selbst - bei sämtliche Beispiele die von dir genannt wurden, kann man nur den jeweilig handelnden Menschen buddhistischen Glaubens/Philosophie, betrachten nicht auf die Religion selbst beziehen

Auch die selbstmorde für Tibet sind nun kein Teil der Religion.. Man könnte vllt im Falle eines Glaubenskonflikt vorwerfen das die Lehre der Wiedergeburt dazu führen würde leichtsinnig mit dem eigenen Leben umzugehen doch denke ich, das die Gesamtheit der Lehre dies ausschließt.. Buddha wollte das Leid der Menschen beenden - aus dieser Sicht ist so eine selbstebtzündung eine noble Tat die von tiefster Überzeugung gerührt jedoch nur wenn sie auch was bringen würde... Tibet ist immernoch ein Teil Chinas und wie viele Buddhisten haben sich schon verbrannt? Hätten die genauso gehandelt ohne die Lehre der Wiedergeburt? Hätten sie vllt andere Lösungen gefunden und den Suizid gar nicht in Betracht gezogen? Im Gegenzug könnte man aber auch sagen, daß dies keine Botschaft ist die Frieden und Glück bringt und daher so nicht zu interpretieren sein kann.. Ich mein... Hast du das schonmal gesehen als Video oder so? Grauenhaft - solche Bilder fressen sich ganz tief rein... Und zu sehen bekommen das in erster Linie Zivilisten - kann also nicht in Sinne des Buddha sein (als mögliche Gegenargument zu einer derartigen Kritik)

Wie genau es dazu kam das Karma und Gottes Gericht ein und das selbe wurde verstand ich auch nicht so recht :D aber ja jz wo du es sagst, es ist wie Gottes Gericht die Volksmündliche Definition der westlichen Welt sprich christliche Werte ^^ Eig ist das Prinzip des karma gar nicht so komplex es ist lediglich die Assoziation zum bekannten jüngsten Gericht der Leute vermute ich und vllt von solchen Bollywoodfilme die immer sagen das wir als Schnecke wiedergeboren werden wenn man sein Teller nicht Aufisst xD unseren kinder droht man mit Knecht rubrecht vom Nikolaus

0
Enzylexikon  25.02.2021, 19:49
@Lacrimis27

Kritik am Buddhismus selbst....

Nun, man könnte vorwerfen, dass der Buddhismus in seiner religiösen Ausprägung, wie jede Art von Religion, unbewiesene bzw. irrationale Elemente hat.

Ich gehöre beispielsweise zur Soto-Linie innerhalb der Tradition des Zen-Buddhismus.

Die Lehre ist, dass seit dem historischen Buddha Shakyamuni eine ununterbrochene Linie von Lehrern besteht, so dass man sich selbst, wie bei einem Stammbaum, bis auf den Buddha zurückverfolgen lassen kann.

Die großen Etappen sind dabei in meiner Traditionslinie: Der Buddha (Nepal/Indien) - Bodhidharma (brachte Zen von Indien nach China) - Dogen (brachte Zen von China nach Japan) - Deshimaru (brachte Zen von Japan nach Europa).

An diese ungebrochene Linie der "Dharma-Vorfahren" (früher sprach man von Zen-Patriarchen, das wird aber zunehmen unüblich) glauben "wir". Ich bin also über meine Lehrer über 2600 Jahre hinweg, bis zum Buddha verbunden.

Das ist übrigens auch eines der Kriterien für einen "echten" Lehrer - wer keine Autorisation durch einen anderen anerkannten Lehrer nachweisen kann, wird nicht als Lehrer unserer Tradition anerkannt.

Rein historisch betrachtet ist das natürlich hööööchst fragwürdig. Wie realistisch ist es, über Jahrtausende hinweg, voller Kriege, Naturkatastrophen und Seuchen hinweg, dass tatsächlich immer der passende Schüler vorhanden war, um der Nachfolger seines Lehrers zu werden???

Es gibt sogar ein englischsprachiges Buch, dessen Autor aufgrund historischer Studien die Behauptung aufstellt, Meister Dogen sei niemals in China gewesen - das würde unsere gesamte Linie praktisch delegitimieren.

Also entweder sagt man jetzt "Ich habe Vertrauen in meinen Lehrer und die Übertragungslinie von Meister zu Meister..." oder aber man zieht das alles in Zweifel - und hat dann letztlich gar keinen Bezug mehr zur Linie.

Hier kann man z.B. also dieser Form des Buddhismus Irrationalität vorwerfen.

Das gleiche gilt z.B. für verschiedene Formen des so genannten tibetischen Buddhismus, die stark vom lokalen Schamanismus beeinflusst sind. Dort rührt die Autorität der Lehrer teilweise darin, dass sie eine bewusst gelenkte Wiedergeburt (Tulku) eines verstorbenen Lehrers seien.

Glaubt man nicht daran, dann kann man seinen Lehrer immer noch aufgrund seiner eigenen religiösen Praxis respektieren und ehren, aber die legendenhafte Behauptung, aufgrund der Wiedergeburt über besonders tiefes Wissen, oder sogar über "magische Kräfte" zu verfügen, geht baden, wenn man der Tulku-Behauptung nicht folgt.

Auch hier haben wir den Zwiespalt: "Glaube ich, dass mein Lehrer eine besondere Kompetenz hat, die über intellektuelle Klugheit hinausgeht?"

Allgemein kann man das "Meister-Schüler-System" durchaus kritisch sehen, denn wie schon gesagt öffnet so etwas natürlich Tür und Tor für verschiedene Formen von Abhängigkeit, von Personenkult, Vergötterung und mangelnde Kritikfähigkeit.

Grundsätzlich sollte man nie vergessen, dass buddhistische Lehrer (ich nutze das Wort "Meister" sehr sparsam) auch nur Menschen mit menschlichen Vorlieben und Schwächen sind.

Ein Lehrer kann auch neidisch, oder herrschsüchtig sein, vielleicht hat er sogar nur unzureichende historische Kenntnisse über den Buddhismus (die ich übrigens für wichtig halte) - das schmälert aber nicht seine lebenslange Erfahrung in buddhistischer Praxis und seine Fähigkeit, Hilfestellung zu geben.

Ich hatte schon mit verschiedenen Lehrern Kontakt und keiner war ein weltabgewandter, vergeistigter und stets mild lächelnder "Heiliger" - solche Leute sind mir suspekt, da ich der Meinung bin, dass sie ihren Schatten nur verdrängen.

Was Selbstmorde von Mönchen während des Vietnamkriegs, oder später in Tibet angeht, so sind sie für mich ein politisches Statement, kein religiöses.

Ich bin politisch auch sehr aktiv und für mich passt beides durchaus zusammen - aber ich weiß sehr gut, wann ich mich von religiösen und wann von politischen Ansichten bzw. Überlegungen leiten lasse (wobei das kein Widerspruch sein muss).

Man sollte aber eben sagen können "das ist politisch motiviert" oder "das entspringt meiner religiösen Überzeugung".

1
Lacrimis27  25.02.2021, 20:48
@Enzylexikon

Wow da hast du wieder ein klasse text geschrieben sehr vielen lieben dank für die Einblicke! Nagut also haben wir als Kritik vorallem das es even eine Religion ist und es Glaubensinhalte gibt 😅 wow.. Nicht sehr belastend meiner Ansicht nach..

Das es diese Linie über 2600 Jahre gibt kann ich mir sehr gut vorstellen! Schließlich gibt es eine Linie von uns zu den ersten Menschen 🤔 wir reden hier schließlich nur von 2600 Jahre... Meine Familie hat ein Stammbaum nur aus einem Dorf welcher bereits über 300 Jahre abdeckt in einem Ortssippenbuch.. Ich und alle aus dem Buch sind Schneeweiß von der Hautfarbe und trotzdem fließt in mir teils "schwarzes Blut" also meine Familie wird wohl noch eine deutlich längere Geschichte haben als die 300 Jahre..

Ich habe kürzlich den Film "der kleine buddha gesehen :) da wird drei potenzielle Lama-reinkarnationen Kinder die Geschichte Buddhas kurz erzählt von seiner Geburt, bis zur Erleuchtung.. Jedenfalls, habe ich da gesehen wie jene suchen gehn ^~^

Ich mag die auf deutsch erhältliche Schriften des dalai lama - interessant das es schamanische geprägt ist ^~^ Schamanismus ist eine kleine Leidenschaft thematisch ^^

0
Lacrimis27  25.02.2021, 20:51
@Lacrimis27

Es ist jedoch kaum wichtig ob die Linie durchgängig stimmt.. Wenn man dem Lehrer vertrauen kann und seinen Weg beschreiten möchte, so wird man zumindest zu dem, zu dem man aufgesehen hat selbst wenn alles nicht stimmt - man hatte ein erfülltes Leben mit Sinn

0