Die Auführungen von jo135 sind stichhaltig.
Hinzuzufügen bleibt, dass die Digitalisierung bei uns sehr lange als Ausbau der Netze missverstanden wurde. Tatsächlich braucht niemand "schnellstes Internet" um einen Antrag digital auszufüllen.
Auch der Föderalismus spielt eine große Rolle, jedes Bundesland achtet peinlichst auf seine Unabhängigkeit und Eigenständigkeit. Es gibt zwar "Entwicklerverbünde", bei denen jeweils mehrere Bundesländer versuchen, etwas gemeinsam zu entwickeln, aber diese versuchen natürlich, möglichst viele eigene Positionen im Gesamtprojekt durchzusetzen, was die Entwicklung extrem verlangsamt und verteuert und baut einen gewaltigen Wasserkopf auf. Bis es da mal eine "working Demo" gibt, darüber vergehen Jahre, und in einem mir bekannten Fall, sogar Jahrzehnte.
Eine Zusammenarbeit im Betrieb solcher Systeme findet praktisch nicht statt, jedes Bundesland besteht darauf, das jeweilige System im eigenen Landesrechenzentrum zu betreiben, dadurch entstehen enorme Redundanzen und Kosten.
Die Sicherheitsanforderungen sind bei uns extrem hoch. Das hat zwar zur Folge, dass Behördensysteme nur selten mal tatsächlich gehackt werden, aber es verteuert und verlangsamt die Entwicklung.
Und zu guter Letzt: Informatiker werden bei uns nach öffentlichem Tarif bezahlt, eben BAT oder TVL/TVöD. Was dazu führt, dass man im öffentlichen Dienst kaum die Hälfte von dem verdient, was in der Wirtschaft bezahlt wird. Folge: Man muss mit der Hälfte der Belegschaft arbeiten, die eigentlich nötig wäre.
Fertige Azubis, die in einem Landesrechenzentrum ihre (sehr gute) Ausbildung zum Fachinformatiker abschließen, werden von der Wirtschaft "mit Kusshand" abgeworben. Das trägt auch nicht eben zur Attraktivität des ÖD bei.