Falls das noch einigermaßen aktuell ist und dich interessiert:
1. Stell dir vor, du schaust auf einer Landkarte nach Straßen, Wegen etc. Während das Gehirn von Nichtautisten einer Autobahn gleicht (sie also sehr schnell und ohne Ablenkung auf eine Lösung kommen), ist dein Gehirn wie ein Wanderwegenetz - du kannst endlos viele verschiedene Wege gehen, die sich kreuzen. Du kommst nur langsam voran und die Ablenkung ist groß, weil du dich jedes Mal neu entscheiden musst, wo du lang gehst. Das hat aber den Vorteil, dass du auf unkonventionelle Lösungswege kommst. Versuche also nicht dein Gehirn zu ändern, sondern dich auf deine Qualitäten zu konzentrieren, die sonst niemand hat. Es ist schwierig, sich Talente als solche bewusst zu machen, wenn einem ständig gesagt wird, dass man falsch ist und anders sein soll als man eigentlich ist.
Ich gehe jetzt mal ganz frech davon aus, dass du sehr viel in Bildern denkst (dies ist sehr oft bei Autisten so). Dass du wahrscheinlich auch Synästhesist bist, also eine Information bei dir nicht nur Bilder im Kopf auslöst, sondern sogar Gerüche, körperliche Gefühle und ähnliches. Man hat festgestellt, dass Bilderdenker ca 1000x schneller denken als Wort-Denker. Du denkst definitiv nicht "langsam", sondern nur umständlicher und du musst sehr viel mehr Informationen aussieben und ständig analysieren, als dein Umfeld.
2. Du bist nicht weniger intelligent! Intelligenz ist in der Psychologie eine sehr umstrittene bzw. nicht final festgelegte Eigenschaft. Das was man allgemein mit IQ bezeichnet, richtet sich sehr stark nach mathematisch-sequenziell denkenden Hirnen aus, es wird unterm Strich also nur eine wesentliche Eigenschaft angeschaut: Logik. Nicht die "ich sehe komplexe Zusammenhänge im 3D-Modell und Figuren, die eine Geschichte vor meinem inneren Auge spielen, sodass ich genau weiß, welche Details wie zu einander in Relation stehen und was sie bedeuten", sondern eben genau das was ich oben geschrieben habe: Die Datenautobahn, die nur ein einziges Ziel kennt. Es gibt darüber hinaus mehrere Arten von Intelligenz - zum Beispiel die Sprachliche, die Künstlerische, die Interpersonelle, die Intrapersonelle, die Emotionale usw usf. Niemand ist in jedem Bereich gleich gut, aber die Verteilung kann individuell eher Stärken in eine andere Art legen als die mathematische, das ist dann halt einfach so. Man kann zum Beispiel sehr viel intelligenter sein, wenn es um die Beziehung zu Tieren geht, sie zu verstehen und mit ihnen zu interagieren, statt eine logisch-argumentative Debatte über Tierethik zu führen. Beides hat seine Berechtigung! Und beides sollte im Idealfall zusammenarbeiten um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Also "Intelligenz" hat nichts mit Geschwindigkeit zu tun und du bist sicher auch nicht dumm.
3. Du sprichst von dir und von deinem Gehirn. Das ist sehr typisch für Menschen, die ihre Lebensrealität von anderen "schon immer" abgesprochen bekommen haben. Wahrscheinlich hast du "dein Gehirn" noch nie als "verlässlich" erlebt, im Sinn von: Bringt immer die Ergebnisse, die andere und du selbst von dir erwarten / steuert dein Verhalten so, wie du es eigentlich erwartest etc. Menschen ohne Autismus haben diese Trennung von "ich" und "mein Gehirn" nicht, sie erleben sich als ganzer Mensch, weil ihnen dies von klein auf so gespiegelt wird. Es ist also viel mehr eine antrainierte Art mit seinen eigenen Fehlern umzugehen und eine Bewältigungsstrategie aufgrund von problematischer sozialer Umgebung als ein Teil von Autismus. Und das bedeutet, dass du lernen kannst und solltest, dich als ganzen Menschen mit Persönlichkeit, Stärken und Schwächen nicht nur wahrzunehmen, sondern auch zu akzeptieren und dieses Bewusstsein auch im Alltag anzuwenden.
4. Wenn du Punkt 3 mit Punkt 1 verbindest, bekommst du eine wesentliche Aussage darüber, wie du durch dein eigenes Verhalten dein Gehirn formst: Autismus bedeutet, dass sehr, sehr viel mehr Nervenverbindungen im Kopf bestehen als bei Nichtautisten, zudem werden scheinbar nicht länger benötigte Verbindungen schneller wieder zerstört und an anderer Stelle neu gebaut. Das autistische Gehirn ist sehr viel "beweglicher" und verändert sich ständig im Vergleich zu dem nichtautistischen Gehirn. Du musst also etwas besonders oft wiederholen, damit es als Verbindung im Nervengeflecht bestehen bleibt - wenn du bei deinen bisherigen Aussagen "ich vs mein Gehirn" oder "ich bin nicht intelligent genug" bleibst, bleibt dir auch die Möglichkeit verschlossen, langfristig etwas an deiner Selbstachtung zu ändern.
5. Hat mit den vorgenannten Punkten nur insofern zu tun, dass es auch hier verschiedene neurologische Arten gibt: Die Lerntypen nämlich. Das ist etwas, das meiner Erfahrung nach so gut wie nie an Schulen gelehrt wird, aber eigentlich ganz elementar ist. Lehrer wissen das auch, sie wenden es nämlich im Unterricht gezielt an, aber sie bringen den Schülern nie bei, dieses Wissen selbst für sich zu erkennen und anzuwenden.
Es gibt verschiedene Lerntypen, also vom Gehirn bevorzugte Wege, Informationen aufzunehmen, zu verknüpfen und abzuspeichern. Zum Beispiel gibt es den auditiven Typ, der vor allem eine Information hören muss. So jemand kann sich gut Geräusche und Stimmen merken und wird auch z.B. sehr viel Informationen aus einem Hörbuch ziehen. Ein auditiver Lerntyp hat es leicht bei Fremdsprachen, wenn er die Aussprache von Worten hört und sie sofort abspeichert. Der visuelle Typ braucht für alles Bilder, um sich Dinge zu merken. Oder wenigstens die Schriftform. Ein visueller Typ wird sich Fremdsprachen vor allem dadurch merken, wie Worte geschrieben aussehen. Du kannst im Internet viel Informationen dazu finden, welche Typen es sonst noch gibt.
Der Punkt ist: Wenn du deinen eigenen Lerntyp kennst (es gibt auch Mischtypen), dann kannst du das nutzen, um dir Wissen bevorzugt auf diese Weise anzueignen. Du kannst als auditiver Typ leicht zuhören und dir dadurch Dinge merken. Oder als visueller Typ machst du dir viele Markierungen mit farbigen Stiften und kleinen Symbolen oder Skizzen am Blattrand.
6. Der Bogen von Punkt 5 kommt hier an ein "Problem". Es kommt ebenfalls bei Autismus oft vor, dass eine "Wahrnehmungs-Verarbeitungsstörung" (VWS) vorliegt. Das Gehirn hat Probleme, die wahrgenommenen Informationen auch ins Bewusstsein zu holen und auszuwerten. Dadurch scheint im Kopf eine Leere zu entstehen, bis man es verstanden hat. Wie lange diese Leere anhält, kann man nicht kontrollieren. Bei mir geht das so weit, dass ich z.B. ein Telefon, was direkt vor mir klingelt, überhaupt nicht sehen kann. Meine Augen sehen das Telefon auf dem Tisch vor mir, aber mein Gehirn lässt die Information nicht ins Bewusstsein und dadurch weiß ich nicht, dass das Telefon da ist. Ich höre es nur klingeln und suche es wie ein Idiot. In einer anderen Situation stand ich vor einer Kiste und sollte daraus etwas entnehmen. Mein Gehirn hat blockiert und war überfordert mit den Informationen, die es wahrgenommen hat. Bei dem Versuch, mich auf die Kiste zu konzentrieren, wurde ich ganz kurz ohnmächtig. Das Gehirn schaltet dann einfach ab, weil es überfordert ist. Daran kann man etwas machen: Nämlich Reize reduzieren und Stress konsequent vermeiden.
Das soll hier keine Ferndiagnose für irgendetwas sein, sondern dir 1) aufzeigen, dass du alles andere als dumm bist, sondern einfach nur ein Fisch, der auf einen Baum klettern soll und 2) Hinweise geben, mit welchen Themen du dich befassen kannst, die dir helfen, besser zurecht zu kommen.
Weil Autismus leider sehr oft auch mit nicht erkannter Depression einher geht, solltest du dich auch damit befassen. Depression bedeutet nicht, sich immer schlecht zu fühlen oder traurig zu sein. Besonders Autisten können längere Zeit in einem depressiven Zustand sein, ohne dies zu bemerken und sich glücklich fühlen. Damit einher gehen aber langfristig Leistungsverschlechterung, Häufung von Fehlern, wichtige Informationen werden öfter vergessen oder gar nicht erst mitbekommen (ich hab z.B. meine Biologie-Prüfung zum Schulabschluss verpatzt, weil ich dachte, ich müsse erst um 10 da sein, die Prüfung war aber um 8).
Auch das kann also ein Thema sein. Depression kann auch zum so genannten "Sluggish Cognitive Tempo" führen, also Denken im Schneckentempo. Das ist meist ein anhaltender Zustand, bei dem man irgendwie keinen klaren Gedanken fassen kann und einem die Umwelt sehr schnelllebig, sogar hektisch vorkommt, obwohl sie das nicht ist. Auch das ist ein Zeichen von Überforderung des Gehirns.
Weil hier jemand Ergotherapie angesprochen hat: Ich kann dir unbedingt nur empfehlen, die erste Erfahrung nicht für allgemeingültig zu nehmen. Ergotherapie ist sehr, sehr vielseitig und kein Therapeut arbeitet wie der andere. Es hängt auch davon ab, was der Arzt dem Therapeuten aufträgt und in welcher Umgebung die Therapie stattfindet (Klinik zum Beispiel ist immer schlechter als in einer Praxis, wo der Therapeut auf dich persönlich eingeht).
Ich habe Ergotherapie gelernt und ich würde mit dir an den ganzen genannten Punkten arbeiten und schauen, was davon dir dann weiterhilft. Ergotherapie macht zwei Dinge - entweder den Menschen (wieder) so gut wie möglich an die Umwelt anpassen oder die Umwelt an die Bedürfnisse des Menschen anpassen. Und mit dem Thema AuDHS (man unterscheidet ADHS nicht mehr mit und ohne H) bleibt dir leider vor allem nur, dein Leben und deine Umgebung stark an deine Bedürfnisse anzupassen. Das ist meistens auch der Inhalt von Verhaltenstherapie beim Psychotherapeuten. :) Der darf übrigens auch Ergotherapie verschreiben.
Und zu deinem letzten Satz: Ich hab nicht studiert, weil ich eine Matheschwäche habe und in allen naturwissenschaftlichen Fächern komplett durchgerasselt bin. Abitur würde ich niemals schaffen. Man hat mir schon mal gesagt, dass ich irgendwie geistig behindert sein muss (die Situationen wie mit dem Telefon), aber das bin ich nicht. Ich ticke nur ganz anders als die meisten, weil ich Autist bin. Man kann in einem Thema noch so genial gut sein - wenn man mit dem nichtautistischen System nicht zurecht kommt (die meisten Obdachlosen sind autistisch), dann bringt einem aller Intellekt gar nichts. Und daran wird sich für Autisten niemals was ändern, außer die Gesellschaft wird mal inklusiver und offener für verschiedene (!) gleichberechtigte Lösungswege.