Na ich bin mal gespannt, was du von meiner Sicht über die Liebe hältst (gerade weil ich wohl zum Jungvolk dazugehöre, haha)
Vorab: Da ich nicht nur Fan vom Philosophieren über die Liebe, sondern auch von Gedichten bin, dachte ich, dass dieses hier ganz gut zum Thema passen würde:
Vorsätze - Hans Kruppa
Ich möchte nicht mit dir zusammen alt werden,
sondern jung bleiben.
Ich werde deinen Ängsten die Suppe versalzen
und deiner Liebesfähigkeit mein Jawort geben.
Ich will lernen, immer offener zu werden,
im Reden und im Schweigen.
Und wenn ich kann, will ich der Spiegel sein,
in den du siehst, wenn deine Augen leuchten.
Mehr mag ich dir nicht zusagen.
Versprechen, das sind Worte,
geschrieben in den Küstensand bei Ebbe.
Für mich ist Liebe kein Gefühl. Keine Bewunderung von Stärke. Sie ist nicht leicht, beruht nicht auf Instinkten. So sehr ich ihn auch mag, Shakespeare hatte meiner Meinung nach Unrecht als er behauptete, Liebe sei blind -
Seine Auffassung sowie die sämtlicher klassisch romantischer Dichter und Denker haben dazu beigetragen, unseren Blick auf die Liebe mehr oder minder zu vergiften. Dank ihnen scheinen wir allzu oft zu glauben, dass es am besten wäre, einfach auf das Herz, auf die Gefühle zu hören. Oh man, das ist vermutlich der schlechteste Tipp, den ich in Sachen Liebe je bekommen habe, da wir alle mal gefühlsmäßig sehr chaotisch, ambivalent und schlicht und einfach beknackt sein können. Ein wichtiger Teil der Liebe ist es, gerade mit diesen Seiten in uns und in anderen klarzukommen. Liebe ist so auch Selbstliebe. Tatsächlich denke ich, dass sie viel mehr mit Vernunft zutun hat als gemeinhin angenommen.
Verliebtheit hingegen ist ein Gefühl, es ist flüchtig und wird in unserer Gesellschaft, die instinktive Impulse zu privilegieren scheint, hochgepriesen. Nicht umsonst handeln die meisten Romanzen aus Büchern, Film und Fernsehen von genau diesem Gefühl, dem ersten Treffen mit Schmetterlingen im Bauch etc. - eben von Dingen, die man als die große, einzig wahre Liebe verkaufen will. Die Erfindung des oder der „Einen" ist eine grausame Sache. Niemand, wirklich niemand ist vollkommen richtig, noch vollkommen falsch, nicht vollkommen für jemanden „bestimmt“. Und das ist absolut ok. Allein das zu wissen würde so manchen hoffnungslos Verliebten einige Enttäuschung ersparen.
Wenn man nur per Medien wie diesen Ideen über die Liebe geliefert bekommt muss man sich ja fast schon fragen, ob man einen Menschen lieben kann, auch wenn dieser berühmt berüchtigte „Funke“ doch nicht übergesprungen ist. Ich sage: Ja, natürlich! Das liegt daran, dass dieser Funke zur Verliebtheit, nicht zur Liebe gehört. Wahre Liebe kommt ohne ihn aus, ja, sie fängt genau da an, wo die schönen Seiten des Partners in den Hintergrund treten und wir uns mit Geduld, Mühe, Mitgefühl und der Bereitwilligkeit, uns verletzlich zeigen zu können den dunklen, ambivalenten und verrückten Eigenschaften des Partners stellen.
Dazu gehört ne Menge Frustrationstoleranz und Übung in Kommunikation, um so auch die Liebesfähigkeit zu stärken, um zu lernen, immer offener zu werden, sein Selbst zu erweitern.. Was das Lernen betrifft: Jeder gute Liebende sollte auch versuchen, ein guter Lehrer zu sein. Sehr romantisch klingt das nicht gerade, doch meiner Meinung nach steht dahinter eine berührende Absicht: den Ängsten des geliebten Menschen die Suppe zu versalzen und aus ihm eine weniger gebrochene Person zu machen. Denn, um Himmels Willen, niemand sollte uns einfach so annehmen, wie wir sind, sondern mit Verständnis aneinander arbeiten wollen. Völlige Akzeptanz des anderen bedeutet mentale, ja, spirituelle Stagnation, keine Erweiterung des Selbst, es ist passiv, ganz im Gegensatz zur aktiven Handlung der Liebe. Genau das macht Kruppas Gedicht in seiner Schlichtheit zu einem ehrlichen, ergreifendem Liebesgedicht.
Eigentlich ist aufrichtige Liebe daher immer eine Art gegenseitiger Psychotherapie, in der man Teile seines inneren Chaos dem anderen gegenüber offenbart und das ohne, dass der anschließend davor wegrennt. Es sind gerade unsere gemeinsamen und nur allzu menschlichen Schwächen, die den Leim der Liebe ausmachen.
Sicherlich geht diese Sicht einigen Romantikern gehörig gegen den Strich. Sie ist nicht leidenschaftlich , nicht „spontan“ genug. Andererseits ist genau diese Liebe beständiger und rührender als jedes Schmetterlingsflattern, das mit dem ersten Entdecken der Fehler des anderen heftig gedämpft wird. Ist nicht letztlich die Mühe für einen geliebten Menschen bedeutungsvoller als mühelose Bewunderung?
Ich hoffe ich konnte dir und anderen mit meiner kleinen Abhandlung ein bisschen Inspiration geben:D