Gerade jüngere Menschen sehen, so die Umfragen, was vieles Arbeiten bei Ihren Eltern angerichtet hat und streben diesen Lebenstil nicht an. Selbstverwirklichung, Work-Life-Balance und 35-Stunden-Woche sind wichtiger als der Aufstieg im Job.
Nein, das sind nur die Symptome der zahlenmäßigen Bevölkerungsverteilung und der Ausprägung der Alterkohorten. Die besagten hohen Positionen sind von Älteren noch besetzt, insofern ist in der Breite (Ausnahmen gibt es immer) wenig Aufstieg möglich. Und die Zufriedenheit im Beruf als Person mit Führungsverantwortung im gesetzten Alter und vermutlich materiell unterfüttertem sozioökonomischem Status dürfte sehr hoch sein. Da fällt dann der Kontrast zu denjenigen, die schon wegen der Zahlverhältnisse nicht nachrücken können, besonders deutlich aus.
Und wer nicht in Führungspositionen kommt, kann auch nicht Erfahrung sammmeln und weiß daher gar nicht, ob eine solche Position infrage kommt.
Folge: Es drohen bis zu knapp 200.000 Führungspostionen im Jahr 2026 unbesetzt zu sein.
Die Formulierung mit dem Wort "droht" ist wie üblich mit der selbstgeißelnden Lust deutscher Medien an einem überall lauernden Untergang durchsetzt. Damit gewinnt man als Medienerzeugni kurzfristig Klicks und Engagement und macht sich bei den eigenen Führungskräften und den Investoren beliebt, denen gute Kennzahlen vorgelegt werden können, aber inhaltlich vergiftet es langfristig - steter Tropfen höhlt den Stein - die öffentliche Stimmung und trägt mit zu dem bei, was angeblich bemängelt wird.
Es geht nicht darum, Schlimmes zu beschönigen, aber ein bisschen Selbstkritik der Medien und die Selbsterkenntnis, dass sie mehr als neutrale Beobachter sind, wäre hilfreich. Weniger apodiktisch-belehrender Tonfall, mehr Fakten und Auswege.
> Teilt ihr die Erkenntnisse der Forscher? Was muss passieren, damit Führungskraft zu sein wieder attraktiert wird? Wie kann man dem Fachkräftemangel begegnen? Sind Greencards für ausländische Fachkräfte die Lösung?
Es würde direkt mal helfen, nicht Führungspositionen mit Fachkräften zu vermengen. Das sind unterschiedliche Sphären, die sich zwar überlappen können, aber nicht identisch sind. Idealerweise hält eine Führungskraft der Fachkraft den Rücken frei und koordiniert gute Arbeit, so dass ein Mehrwert aus der Zusammenarbeit entsteht.
Dann muss man noch unterscheiden zwischen mittlerem Management, das oft genug mit sich selbst beschäftigt wird, um möglichst wenig Schaden bei den produktiven Teilen des Betriebs anrichten zu können, und der Führungsetage und den C-Suites. Wenn es in Zukunft im mittleren Management zu wenig Nachrücker geben wird, ist das ein Grund zum Feiern: Weniger Ahnungslose in der Plüschetage, die einen von der echten Arbeit abhalten können.
Wenn es hingegen an der sachkundigen Führung mit echtem Interesse an dem Unternehmen mangelt, dann wird der Betrieb am besten direkt abgewickelt, weil das die sauberste Lösung ist und die wesentlichen Werte bewahrt. Anderenfalls wird das Unternehmen schleichend vom aufsteigenden mittleren Management übernommen, das aber notwendigerweise in allen praktischen Belangen ahnungslos ist - denn sonst wären die Leute dort ja in der Produktion aktiv oder selber Firmeneigentümer bzw. in der obersten Führung. Die Ahnungslosen stellen dann vor allem ihresgleichen neu ein und verknappen aus systemisch notwendiger Unkenntnis heraus die für die Produktion notwendigen Mittel. Sie schaffen immer neue Managementposten und Unterabteilungen als Selbstzweck, laufen unsinnigen neuesten Manamenttricks vom Tiktok-Coaching-Guru nach und glauben, das brächte einen Mehrwehrt. Derlei Unfug vertreibt aber die wahren Leistungsträger aus der Produktion. Je mehr man echter Leistungsträger ist, desto mehr Möglichkeiten hat man in anderen, besseren Firmen, und desto schneller geht man weg, weil man seinen Marktwert kennt. Bis eines Tages die ganze Firma aus Absolventen der Tiktok-Akademie, aus Intrigranten und Speichelleckern besteht, die in internen Ränkespielen geschickt sind und über die verbliebenen Minderleister wachen und so tun, als wären sie selbst wichtig und kompetent. Und dann wird die Firma früher oder später scheitern.
Gesamtgesellschaftlich ist jede Veränderung an der Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung ein Ergebnis der Bevölkerungsverteilung. Eine große Alterskohorte der Baby-Boomer-Generation steht kleineren nachfolgenden Generationen gegenüber, aber die Größe der Wirtschaft und die Anzahl an Positionen ist notwendigerweise noch auf die größte Alterskohorte ausgerichtet und wird daher als "normal" angesehen. Inklusive der Versorgungsposten im mittleren Management in Betrieben, die in einer sich wandelnden Zukunft keinen Nutzen mehr haben werden, aber sich derzeit noch durchschleppen.
Kleinere nachfolgende Alterskohorten bedeuten auch eine kleinere Zahl von möglichen Kunden und Konsumenten von erzeugten Waren und Dienstleistungen. Jedes Pyramidenschema mit Absahnern an der Spitze braucht immer Nachschub auf den untersten Ebenen. Es müsste jedes Mitglieder einer kleineren Kohorte entsprechen mehr Geld ausgeben und Produkte konsumieren, um rein quantitativ mit einer größeren Kohorte mithalten zu können.
Ein Problem ist, wo das Geld für mehr Konsum herkommen soll und welche Produkte man überhaupt in hohem Maße konsumieren kann, ohne dass andere negative Externalitäten sich auswirken. Extrembeispiel wäre der sogenannte "Messie", der brav konsumiert und sein Haus mit unproduktivem und von stinkendem Müll ununterscheidbarem Kram vollstellt. Wirtschaftlich ideal, menschlich ein Desaster. Auch gesamtwirtschaftlich gibt es solche "Messiehäuser", die als Waren- und Dienstleistungs-Senke existieren, aber dabei selbst zerfallen und am Ende keinen Wert beinhalten werden.
Oder man braucht weniger Arbeitszeit, um in mehr Freizeit von den verfügbaren Konsummöglichkeiten Gebrauch machen zu können, die dann wieder das Einkommen der Etablierten ausmachen. Aber das wird in Deutschland als moralisch verwerflich verurteilt. Es soll gearbeitet werden, aber nicht konsumiert.
Nun sind die gut bezahlten Arbeitsplätze nach wie vor von der größeren Alterskohorte besetzt, und mit weniger gut bezahlten Arbeitsplätzen kann man nicht genug konsumieren, um den gleichen Effekt zu erzielen wie die größere Alterkohorte in der Breite es kann bzw. konnte. Deutschland als Volkswirtschaft hat sich bisher damit beholfen, die eigene Überproduktion ins Ausland zu verkaufen und so ein gutes Einkommen bei großer Produktion zu erzielen. Das ist aber ein Spiel, das nicht ewig trägt, und mit kleineren Alterkohorten in schrumpfenden Volkswirtschaften erst recht nicht.
Anstatt also einen vermeintlichen Mangel an Führungskräften zu bejammern, muss sich dieses Land mal ehrlich machen und überlegen, wo es steht, wo es ohne ein Umsteuern hingehen würde und wo es eigentlich selber hingehen möchte.