Der Religionswissenschaftler Edmund Weber schreibt in seinem Aufsatz
"Allahs Mütterlichkeit und die muslimische Nächstenliebe"
im Islam gelte es als Ursünde nicht an Allahs unbedingte Sündenvergebung zu glauben und anstatt dessen ihm die karmistische Werkgerechtigkeit, hier in Form der Scharia, überzuordnen.
Quelle: http://web.uni-frankfurt.de/irenik/relkultur67.pdf
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Mohammed, der Prophet der Araber, war ein Erneuerer der Gnadenreligion der jüdisch-christlichen Tradition. Er predigte angesichts des nahen Weltgerichts die frohe Botschaft vonder unbedingten Vergebung der Sünden.
Er tat dies in einer Welt, die von einem gnädigen Gott nichts hielt, die ihn vielmehr vergessen hatte.
Sie verehrte einen Gott, der erbarmungslos das Gesetz exekutierte.
Diese Erneuerung der Gnadenreligion durch Mohammed wurde schon kurz nach seinem Tod von der dann zur Interpretationsherrschaft gelangten Orthodoxie durch eine das Weltgericht weit von sich schiebende konträre Gesetzes- und Werk- oder Karmareligion verdrängt.
Mit Hilfe der politischen Macht bemächtigte sich diese neue islamische Religion der Interpretationsherrschaft über die Offenbarungen Mohammeds und konnte so ihre eigene
karmistische Auslegung kanonisieren
.
Als angeblich wahre Sachwalterin der Rechtgläubigkeit setzte sie
an
die Stelle des göttlichen Angebots der unbedingten Sündenvergebung das angeblich Heil bewirkende Gesetz, die Scharia
.
Die Scharia wurde so ihres wegweisenden Charakters entkleidet und zum Gegengott erhoben, d.h. in der Sprache der islamischen Theologie: sie wurde dem gnädigen Allah
beigesellt oder gar übergeordnet.(..)
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Wenn rahman und rahim als Allahs erste Eigenschaft in der ersten Sure genannt wird, wird damit gesagt, daß sie auch seine primäre, d.h.
wesentliche Eigenschaft
ist.
Alle anderen Eigenschaften, insb. die Allmacht, sind ihr unter
geordnet und ranken sich um diese eine Ureigenschaft -
eine Ureigenschaft,die einer aus dem eigenen Leib Kinder gebärenden und diese ihre geborenen Kinder zärtlich liebenden Mutter eigen ist.
Kein Wunder, daß z.B. in Urdu das Adjektiv rahmani die Bedeutung
'göttlich' hat.
Rahman und rahim
zu sein, das ist Allahs ureigenstes Wesen, seine
göttliche Eigenschaft schlechthin.
Aus dieser seiner ureigensten Wesenseigenschaft der gebärenden, zärtlich liebenden und sich erbarmenden Mütterlichkeit entspringt Allahs
unstillbares Bedürfnis nach Leben schenken,nach nicht endender Schöpfung.
Aber diese Schöpfung erschöpft sich nicht im Gebären, sie
setzt sich fort in Pflege und Schutz des Geborenen. Es ist seine zärtliche Liebe zu seiner Leibesfrucht, die ihn antreibt, sein Kind, sein Geschöpf, das in den Schmutz, in die Sünde, gefallen ist, aus eigenem mütterlichen Antrieb und mit eigenen Händen zu reinigen, und mit neuem
Lebensmut zu versorgen, es mit neuer Gnade auszustatten.
Aber daraus folgt ebenso Allahs nicht minder starkes Bedürfnis nach
Erneuerung von erstorbenem Leben oder
in der Sprache der Gesetzesreligion nach Sündenvergebung
.
Leben schenken oder Sündenvergebung macht demnach das vorrangige Interesse Allahs gegenüber seinen menschlichen Geschöpfen aus.
Der Islam ist so besehen nichts anderes als die Erfahrung Allahs als eines ewigen Schöpfers und Erlösers,
als geradezu triebhafter Mutter
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Mohammed verkündet einen Gott, der das Heil der Sünder
nicht an ein Buch und dessen Werke hängt
, sondern allein an die freie Offenbarung seiner Gnade.
Der abrahamitische Glaube ist das Wesen der Botschaft Mohammeds
.
Sie gehört somit auf ihre Weise in die
Sola-Gratia-Tradition
der jüdischen, der paulinischen und reformatorischen Religion. (..)
Gruß