Du stellst eine Frage, die mehrere Ebenen beinhaltet.
Intelligenz per se heißt für eine Psychotherapie noch nicht sehr viel. Ein Patient kann seine kognitiven Fähigkeiten dazu einsetzen, in seiner Therapie schneller zu Erkenntnissen zu gelangen als vielleicht jemand mit "weniger in der Birne". Er kann komplexere Zusammenhänge verstehen und leichter zu Lösungsmöglichkeiten gelangen. Dies alles muss aber auch emotional unterfüttert sein, damit es im Inneren etwas verändern kann.
Dann gibt es Patienten, die ihre Intelligenz tatsächlich im Sinne der Abwehr einsetzen, die ihr Verhalten super rationalisieren können im Sinne, das mache ich zwar, aber mit meinen Schwierigkeiten hat das gar nichts zu tun, weil ...
Ein "Problem" in der Therapie wird unterschiedliche "Intelligenz" erst, wenn
a) der Therapeut (vielleicht unbewusst) in Konkurrenz mit dem Patienten tritt auf intellektuellem Gebiet. Das ist schlecht für die Behandlung, denn dann ist der Therapeut nicht mehr neutral bzw. stellt nicht die Belange des Patienten an die erste Stelle, sondern hat ein eigenes Anliegen bzw. Problem. Nüchtern besehen ist die Frage der "Intelligenz" auch zweitrangig, denn es geht um emotionale Schwierigkeiten des Patienten, die ihn in die Therapie geführt haben.
b) wenn der Patient die "Intelligenzfrage" zum Anlass nimmt, den Therapeuten auf die Probe zu stellen oder abzuwerten. "Kennen Sie das Buch XY? ... Ach ... nein?" Da muss der Therapeut souverän sein und auf das Dahinterliegende eingehen, nämlich den Test oder die Abwertung, und nicht nur inhaltlich darauf eingehen, einfach eine Antwort zu geben und sich heimlich vorzunehmen, das Buch noch zu lesen. - Diese Art der Abwehr steht im übrigen natürlich auch Patienten zur Verfügung, die messtechnisch über einen geringeren IQ verfügen als der Therapeut.
Und nicht zuletzt ist die Frage der "Intelligenz" weniger relevant, als sie auf den ersten Blick scheint. Denn ich mag studiert haben, dennoch habe ich keine Ahnung vom Alltag einer Kassiererin in einem Supermarkt und davon, welche Probleme mit Kollegen hier auftreten können. D.h. für die Abläufe hier ist sie die Expertin und "klüger" als ich, und ich muss durch Fragen meine "Defizite" füllen. Ebenso wie der Hochschuldozent, der einen höheren akademischen Grad hat als ich, der mir auch seinen Alltag schildert, soweit darin Schwierigkeiten auftreten.
Also: (vermeintlich) unterschiedliche "Intelligenz" ist nur ein Problem bei einer ganz speziellen Gruppe von Patienten, die andere Menschen, ob nun Therapeut oder nicht, zur Stabilisierung des eigenen Selbstwertgefühls abwerten (müssen).
Der Therapeut sollte über soviel Selbstreflexion verfügen, sich nicht persönlich angegriffen zu fühlen, sondern das Dahinterstehende zu analysieren. Und schon gar nicht mit dem Patienten konkurrieren.
Die Patienten, die Intelligenz dazu einsetzen, ihre wahren Probleme nicht angehen zu müssen, gibt es, und sie haben eine schlechte Behandlungsprognose, wenn es ihnen nicht gelingt, im Laufe der Zeit ihre Angst zu überwinden und sich wirklich einzulassen auf die Therapie, in der schmerzliche Dinge zum Vorschein kommen können/werden.