Was zusammenfassen angeht, schreibe ich viel zu lange und benötige deshalb Hilfe.
Runen, Wikingersymbolik, vermeintlich ursprüngliche Medizin – die Vereinnahmung des Germanentums ist bei Neonazis weit verbreitet. Der Kult um die vermeintlichen Vorfahren ist allerdings kein neues Phänomen, schon die völkische Bewegung und die Nationalsozialisten instrumentalisierten die Germanen. Karl Banghard skizziert Gesprächsfelder für den Twitterchat.
Viele Neonazis mögen Urgeschichte. Diese Liebe hat tiefe ideologische und psychologische Wurzeln, sie ermöglicht überdies fintenreiche Werbefeldzüge in die Mitte der Gesellschaft. Denn wer weiß schon, was am Germanenspaß rechts sein soll. Dabei ist das Thema für viele extreme Rechte in hohem Maß sinnstiftend. Ganze Lebenskonzepte können durch den Germanenbezug wesentlich und existenziell geprägt sein. Bundesweit bekannt wurde etwa der Fall der vierjährigen Sighild, die 2009 an ihrer Diabeteserkrankung starb, da ihre Eltern Insulininjektionen mit Verweis auf die Neue Germanische Medizin verweigerten. Auch manche Rechtsextreme lassen sich im Sippenverband zwischen Jahrtausende alten Grabhügeln bestattenZur Auflösung der Fußnote[1] , um symbolstark die existenzielle Verbundenheit mit der Vorzeit zur Schau zu stellen. Hier kann man nicht mehr von einem Hobby sprechen. Vielmehr ist dort der Germanenbezug die Basis des Selbstbildes.
Die Beschäftigung mit der germanischen Vorzeit gilt in der Öffentlichkeit pauschal als unpolitisch. Für viele Menschen, etwa in der Metal-Szene, bleibt diese Beschäftigung auch unpolitisch. Doch der Germanenkult nützt auch extrem rechten Agitatoren, völkische Erzählungen versteckt einem breiten Publikum nahezubringen. Während sich auf zeithistorischen geschichtspolitischen Feldern schnell massive Widerstände bei extrem rechten Vereinnahmungsversuchen einstellen, öffnen sich beim Thema Vorgeschichte große, strategisch wertvolle Freiräume.
Weit gedehnter Germanenbegriff
Wertvoll ist auch die hohe Elastizität des Germanenbegriffs in der extremen Rechten: Er spannt sich dort chronologisch von der Jungsteinzeit bis ins Mittelalter. Wissenschaftlich relevant ist der Begriff dagegen nur in römischer Zeit. Auch die konventionell den Germanen zugesprochenen geografischen Räume sind weit dehnbar, so finden sich Beiträge in der rechtslastigen Publizistik zu Wikingern in SüdamerikaZur Auflösung der Fußnote[2] oder zu den blonden und blauäugigen Siedlern in ZentralasienZur Auflösung der Fußnote[3]. Die enorme Flexibilität der Projektionsfläche macht die Germanen ideologisch universell einsetzbar. So lassen sich sämtliche neonazistische Basisüberzeugungen durch germanische Erzählungen abbilden. Dieses Spektrum ist mit keinem anderen geschichtspolitischen Operationsfeld der extremen Rechten so umfassend übertragbar.