An sich ist es ganz gut, allerdings habe ich auch ein paar Verbesserungsvorschläge. Der erste und wohl wichtigste Punkt ist, dass ich während des ganzen Prologs nicht wirklich ein Gefühl für die Umgebung.
Zunächst wird nur erwähnt, dass der Wind stark weht. Dann denke ich aber nicht zuerst an das Dach eines fahrenden Zuges, sondern einfach, dass das ganze sich draussen abspielt. Es wird dann zwar irgendwann das Fenster erwähnt, aber damit konnte ich auch nicht wirklich etwas anfangen. Es hat mich sogar eher verwirrt, wo jetzt plötzlich dieses Fenster ins Spiel kam und was es überhaupt für eines ist.
Irgendwann wird dann erwähnt, dass sie sich auf den Dach eines Zuges befinden, aber selbst wenn ich alles mit diesem Wissen noch mal durchlese, kann ich mir vieles nicht wirklich vorstellen. Wie genau soll Kathi denn auf ein offenes Fenster zu rennen, wenn sie auf einen Zugdach ist? Wo sollen Joy und Nathan wieder einsteigen? Die Wortwahl ist an diesem Punkt auch etwas verwirrend, da ich bei einsteigen eher daran denke von dem Boden aus in ein Zug zu steigen und nicht vom Dach aus.
Ich weiss, man will gerade in einen Prolog keine ellenlange Beschreibungen der Umgebung, aber wenn man gar keine hat, dann ist es auch schlecht. Gerade da die ganze Action von wegen auf fahrenden Zug sein und von irgendwelchen Männern verfolgt werden einfach nicht wirklich rüberkommt
Eine weitere Sache, die nicht so ganz rüberkommt ist das Setting. Als der Zug ins spiel kam, dacht ich zunächst an Fantasy, die in der Gegenwart, die in der realen Welt spielt. Da kam es dann zu einen kurzen Bruch, als Reiko mit dem Schwert angriff, allerdings blieb ich weiter bei dieser Ansicht.
Dann wird plötzlich die Stadt der Händler erwähnt, was mich dann eher an Fantasy, die in der Vergangenheit in einer anderen Welt spielt denken liess. Natürlich darf der Prolog auch offene Fragen beinhalten z.B. Wer sind diese Männer? Was ist das für ein Säckchen? Was genau hat es mit der Stadt der Händler auf sich? Aber ein Prolog soll einen auch auf die Geschichte einstimmen und daher wäre es gut, wenn man auch ein bisschen ins Setting eingeführt wird.
Das machst du zum Teil schon, indem du die Kräfte etc. beschreibst und es ist auch etwas, dass man ganz subtil machen kann. Wie z.B. wird der Zug betrieben? Mit Diesel, Dampf, Strom irgendetwas magischen? Dann versuch das irgendwie einzubauen z.B. indem du die Stromleitungen beschreibst. Was für Kleidung tragen die Männer und Lian und der Rest? Auch das kann man relativ schnell und subtil mit einbringen. Vielleicht stört sich Lian daran, dass seine etwas zu grosse Trainerhose sich im Wind aufbläht und herumflattert und beneidet Kathi um ihre Leggings.
Vielleicht beginnt er zu frieren, da sein einfaches Gewand ihn nicht vor den Wind schützt, während Reiko in seine Tierfelle gehüllt da wohl kein Problem hat.
Ansonsten gibt es noch ein paar andere, kleinere Dinge.
Als Nathan Kathi das Säckchen zuwirft, wäre es vielleicht noch interessant zu wissen, in welche Richtung der Wind weht und in Verhältnis zu der Richtung in die er das Säckchen wirft. Ich denke, du willst da etwas übernatürliches andeuten, aber wenn er es in die selbe Richtung wirft, in die auch der Wind weht, dann ist es eigentlich vollkommen normal, dass es nicht abgelenkt wird.
Allerdings ist das dann schon ein ziemlich knauseriger Kritikpunkt, da es eigentlich !wenn man den ganzen Kontext der Szene kennt! klar ist.
An einer Stelle hast du eine kleine Doppelung. Im einen Satz wird gesagt, dass Kathi das Säckchen knapp zu fassen bekommen hat und im nächsten, dass sie, sobald sie es in den Händen hat, losrennt. Es ist natürlich nicht genau dasselbe, da bei einem Satz vermutlich das Fangen an sich und beim anderen das sicher in den Händen Halten gemeint ist, allerdings kannst du diesen Halbsatz theoretisch auch weglassen.
Als nächstens wäre die bereits erwähnte Beschreibung, dass Kathi auf das Fenstern zu rennt. Die Formulierung auf etw. zu rennen ist dabei etwas unglücklich gewählt, da diese (zumindest meiner Erfahrung nach) eher benutzt wird, wenn man sein Ziel (das Fenster) sehen kann und tatsächlich zu dem hingehen kann. Besser wäre vielleicht, zu sagen, dass sie zum Rand des Zugdachs rennt (dann wäre an diesem Punkt auch schon klar, dass es sich um ein Zug handelt.)
Ich fand es auch etwas seltsam, dass die Männer Nathan einfach so loslassen. Kann sein, dass es im Kontext der ganzen Geschichte Sinn ergibt, aber nur auf diese Szene bezogen erfährt man, dass die Männer hinter diesem Säckchen her sind, das die Gruppe, zu der auch Nathan gehört, besitzt. Nathan weiss also vielleicht, wohin sie damit gehen oder hat sonstige Insiderinformationen. Ausserdem will er wohl verhindern, dass die Männer an das Säckchen kommen. Daher wirkt es seltsam, dass sie ihn nicht gefangen nehmen oder versuchen auszuschalten. Sie halten ihn ja bereits fest und müssten ihn eigentlich einfach schnell vom Zug schmeissen. (Wenn es dafür einen Grund gibt, musst du ihn aber nicht unbedingt bereits im Prolog erklären.)
Es gibt auch noch eine kleine Wortwiederholung, als steht, dass er es, obwohl es riskant war, riskieren muss.
Zahlen bis zwölf werden übrigens ausgeschrieben und auch darüber wird das (gerade bei kurzen Zahlen wie zwanzig oder hundert, aber auch bei längeren) oft gemacht, da es sonst den Lesefluss stören kann. Bei deinem Text war das bei mir tatsächlich der Fall, da ich zuerst zehnte (10.) anstatt Zehn (10) gelesen habe.
Der Satz "Es schien, als die Luft [...] von kleinen, blauen Blitzen durchzogen" ergibt in meinen Augen keinen Sinn, da kleine, blaue Blitze schon sehr spezifisch sind und man sie, um sie zu beschreiben, schon klar sehen müsste.
Beim Satz "Nur noch ein letzter war noch übrig" ist das noch doppelt.
Wie schon gesagt ist der Prolog sicher nicht schlecht, ich würde sogar sagen, er ist für den Anfang ziemlich gut. Allerdings wirkt er noch etwas schnell und unüberlegt, was aber, bei einer ersten Fassung immer der Fall ist. Lese am besten alles noch einmal genau durch, dann fallen dir Wortwiederholungen etc. vielleicht auch selbst auf. Versuche auch, dich in eine Perspektive einer Person zu versetzen, die die ganze Geschichte und den Hintergründe nicht kennt.