Denken Menschen mehrheitlich (alle?) schablonenhaft?
Ja, alle. Die Gehirne der Menschen verwenden Faustregeln, sogenannte "Heuristiken". Heuristiken sind Abkürzungen des Denkens, wo man also etwas Genauigkeit hergibt und im Gegenzug viel ökonomischer denkt. Es spart Zeit und Energie. Würden die Menschen ganz ohne Heuristiken denken, käme gar nichts zustande. Die Menschen würden ständig pausierend dastehen und müssten etwas zuende denken. Das ist auch im Sinne der Evolution nicht gerade adaptiv gewesen. Im Gegenzug, wie gesagt, ist ihr Denken fehleranfälliger. Normalerweise wäre das halb so schlimm. Mal würde sich ein Mensch in die eine Richtung, mal in die andere Richtung irren.
Was es jetzt dramatisch macht, ist die Tatsache, dass ein anderer, der diese Heuristiken kennt, diese ausnutzen kann. Er manipuliert dann also einen anderen. Der Manipulierte macht dann nicht zufällig mal hier, mal da einen Fehler, sondern die Fehler, die er macht, sind systematisch. Nämlich so, wie es der Manipulateur zurechtlegt. Wenn sämtliche Fehler das Bild in eine bestimmte, vom Manipulateur gewollte Richtung verzerren, so kann sein, derjenige entwickelt die felsenfeste Überzeugung von etwas, das eigentlich kompletter Blödsinn ist. Durch Manipulation wird diese Überzeugung dann aufrechterhalten und derjenige kommt nur noch schwer dort heraus. Wenn er lange genug in diesem Film ist, so wird er auch mehr und mehr resistent gegenüber logischen Argumenten hinsichtlich des betreffenden Themas.
Wenn sich das alle Menschen mal klar machen wuerden, ginge es ruhiger zu in der Welt, nicht wahr ?
Nicht ganz. Viele Heuristiken und Denkfehler kann man den Menschen erklären, und trotzdem begehen sie sie. Es bedarf jahrelangem Training und Selbstreflexion, damit ein Mensch erheblich weniger Fehler begeht. Es gibt allerdings große interindividuelle Unterschiede. Manche Menschen wachsen so auf, dass sie gelernt haben, sie kommen am besten auf diese Welt klar, wenn sie sich selbst belügen. Andere entwickeln ein großes Korrektheitsmotiv. Wer bestrebt ist, korrekt zu urteilen, der gesteht sich auch eher ein, wenn er einen Fehler gemacht hat. Dieses Feedback kann er nutzen, um zu lernen, seine Fehler zu bemerken. Deshalb gibt es entschiedene Unterschiede der Menschen hinsichtlich der Fehleranfälligkeit. Der Unterschied liegt bei den meisten Fehlern einzig darin, dass der rational denkende die Heuristik wieder verwirft, und nicht etwa darin, dass er sie von Anfang an nicht benutzt. Denn die Heuristiken haben, wie oben erwähnt, einen adaptiven Sinn und müssen nicht erlernt werden. Sie gehören zum Menschsein dazu, völlig unabhängig von der Umwelt, in der ein Mensch lebt oder aufgewachsen ist.
Jeder Mensch macht Denkfehler, auch solche, die er nicht bemerkt. Die wenigsten denken das aber über sich. Die meisten Menschen meinen, ihnen würde das nicht passieren. Karl Popper nennt dies die "Illusion der Immunität".
Was würde also helfen, die Welt einen besseren Ort zu machen? Meiner Meinung nach eine liebevolle Erziehung, in welcher die Kinder nicht bestraft werden, sondern bspw. logische Konsequenzen gezogen werden. Wo die Kinder eine eigene Meinung haben dürfen, wo mit ihnen diskutiert wird, und mit einer lockeren Fehlerkultur, wo die Kinder keine Angst vor Fehlern haben und wissen, dass man aus Fehlern lernen kann.
Bei Erwachsenen würde vielleicht noch helfen, wenn sich Menschen wie du - mich zähle ich auch hinzu - die auf dieses Problem aufmerksam sind, vornehmen, gemäßigt mit anderen Menschen bei Meinungsverschiedenheiten zu diskutieren. Der andere hat es so leichter, seinen Fehler vor sich und anderen einzugestehen. Mit einem freundlichen Umgang kann man auch gezielt auf Fehler aufmerksam machen, wenn man es richtig anstellt, d. h. so, dass der andere sich nicht hart kritisiert fühlt. Gekonnt Fragen zu stellen ist hier meist besser, als zu sagen: "Du irrst dich! Du hast etwas falsch gemacht!" Besser ist z. B.: "Wie erklärst du dir dann, dass xy?" etc.