Wieso kann ich mir sein Gesicht nicht merken?

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Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Deine Frage ist nicht leicht zu beantworten, weil nicht genau geklärt ist, was du mit dem "Vergessen des Gesichts" meinst. Ich gehe mal davon aus, dass du ihn doch - wenn er plötzlich neben dir steht - als denjenigen erkennst, der er ist. Als reale Person kannst du ihn also wiedererkennen.

Ich vermute nun, dass du meinst, wenn du dich gedanklich mit ihm auseinandersetzen willst, und ihn also zu imaginieren versuchst, dann erscheint sein Bild so opak, verschwommen und unscharf, dass du ihn nicht erkennen und identifizieren kannst. Aber zumindest wirst du doch wissen, dass die imaginierte Person "er" ist?

Da ist nun zunächst anzumerken, dass die meisten Menschen beim "Sichvorstellen" anderer Menschen in der Regel nur sehr diffuse Bilder erzeugen können. Selbst in Träumen sieht man die handelnden Akteure des Geschehens nur sehr unscharf - allerdings ist das Wissen um wenn es sich handelt, meist sehr eindeutig und ausgeprägt.

Ich kann nun schwer beurteilen, was du genau mit "sein Gesicht ist weg" meinst. Zumindest verweist du auf den Unterschied von ihm zu anderen Personen, die dir lebhafter gedanklich vor Augen stehen. Da könnte es sein, dass sein Gesicht, obwohl du ihn persönlich als reale Person wertschätzt, unbewusst eine Erinnerung an eine ehemals als bedrohlich oder ängstigend erlebte Person aktiviert wird, die dann von Angstmomenten gesteuert ausgeblendet wird.

Dieses Phänomen, dass zu stark belastende und ängstigende Phänomene tabuisiert werden und folglich unbewusst gefiltert bleiben, ist gut bekannt. Hier gilt das Prinzip: "Nicht sein kann, was nicht sein darf", was urspünglich ein tiefenpsychologisch gut zu verifizierendes Prinzip war. Es wird zwar heute manchmal als Kalauer angeführt, wenn jemand etwas für ihn Peinliches leugnet, was allen anderen offen vor Augen steht, aber dennoch kann es wirkmächtig durchschlagen, wenn besonders bedrohliche Begebenheiten - gerade auch aus der Kindheit - schlicht verdrängt werden.

Bilanz: Freud hat in seiner "Psychopathologie des Alltagslebens" bereits auf zahlreiche Prozesse der Angstabwehr, also die Verleugnung, das Ungeschehenmachen, die Verwandlung in das Gegenteil und noch etliche andere hingewiesen, und daher könnte das von dir beschriebene Ausblenden des Gesichts deines Bekannten auch hierunter fallen, doch was nun genau dahinter steht, könnte erst eine wesentlich genauere "Fallanalyse" in einem quasi therapeutischen Kontext klären.


asokaaloha 
Beitragsersteller
 24.07.2021, 22:46

"unbewusst eine Erinnerung an eine ehemals als bedrohlich oder ängstigend erlebte Person aktiviert wird, die dann von Angstmomenten gesteuert ausgeblendet wird."

~vielen vielen Dank dafür, ich glaube ich habe die Antwort gefunden

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