Wieso haben menschliche Frauen ihre Periode, aber Tiere nicht?

17 Antworten

Man muss bei der Beantwortung deiner Frage zwei Dinge ganz klar voneinander unterscheiden, nämlich Sexualzyklus und Menstruation/Periode.

Als Sexualzyklus bezeichnet man die periodisch auftretenden physiologischen Veränderungen des weiblichen Körpers, der durch die Sexualhormone ausgelöst und gesteuert wird. Der Sexualzyklus wird in vier Phasen gegliedert: Proöstrus, Östrus, Metöstrus undDiöstrus.

  1. Im Proöstrus (Vorbrunst) beginnt die Reifung des Follikels mit der Eizelle zum befruchtungsfähigen Graafschen Follikel. Der alte Gebkörper bildet sich zurück. Die Gebärmutter bereitet sich auf die Befruchtung vor und baut das Endometrium (Gebärmutterschleimhaut) auf und die Schleimhäute des Genitaltrakts beginnen mit der vermehrten Produktion von Schleim.
  2. Der Östrus, auch Brunst oder Brunft genannt, ist der Abschnitt des Sexualzyklus', während der das weibliche Tier die Begattung duldet und fruchtbar ist. Er erfolgt entweder, wie bei den meisten Säugern, spontan oder wird erst durch Anwesenheit eines oder mehrerer Männchen ausgelöst (induzierter Östrus) wie z. B. bei der Präriewühlmaus (Microtus ochrogaster). Es kommt zu einem Anstieg des Östrogenspiegels, der eine starke Schwellung und Durchblutung der Vulva bewirkt. Besonders auffällig ist diese Brunstschwellung bei einigen Primatenarten wie Pavianen (Papio sp.) und Schimpansen (Pan troglodytes) und Bonobos (Pan paniscus). Der Eizellfollikel ist zum befruchtungsfähigen Graafschen Follikel herangereift und es folgt die Ovulation (Eisprung, Follikelsprung), d. h. der Follikel reißt ein und schwemmt die nun für die Befruchtung freie Eizelle aus. Bei den meisten Säugetieren erfolgt der Eisprung spontan durch einen sprunghaften LH-Anstieg (LH: luteinisierendes Hormon). Auch ein Anstieg von FSH (follikelstimulierendes Hormon) ist zu beobachten. Der spontane Eisprung ist vermutlich erst sekundär entstanden. Bei den ersten Säugetieren wurde er vermutlich erst durch den Orgasmus beim Deckakt ausgelöst (induzierte Ovulation). Das ist auch heute noch bei einigen Säugern so, u. a. bei Katzen, Kaninchen und Neuweltkameliden (Lamas und Verwandten). Eine neuere Hypothese geht deshalb davon aus, dass Frauen einen Orgasmus bekommen können, weil er bei den frühen Vorfahren zum Auslösen des Eisprungs notwendig war.
  3. Während der Nachbrunst (Metöstrus) bildet sich aus den Resten des Follikels der Gelbkörper (Corpus luteum). Der Gelbkörper produziert u. a. Östrogene und das Gelbkörperhormon Progesteron, welches für die Aufrechterhaltung der Schwangerschaft notwendig ist. Infolgedessen ist im Metöstrus ein Anstieg des Progesteron-Spiegels zu beobachten. Das Endometrium ist nun voll ausgebildet und die Gebärmutter damit gerüstet für die Einnistung (Implantation) der befruchteten Eizelle (Zygote).
  4. Ist es zur Befruchtung gekommen, produziert die Plazenta (Gebärmutter) das Hormon hCG (humanes Chorion-Gonadotropin), welches den Gelbkörper erhält, der als so genannter Corpus luteum graviditatis die Schwangerschaft durch einen konstant hohen Progesteron-Spiegel aufrechthält. Das hCG ist das Hormon, welches auch bei einem Schwangerschaftstest nachgewiesen wird. Durch die Schwangerschaft wird der Sexualzyklus unterbrochen. Ist es nicht zu einer Befruchtung gekommen, unterbleibt der Erhalt des Gelbkörpers und der Sexualzyklus tritt in die Phase der Zwischenbrunst (Diöstrus) ein. Unter dem Einfluss von Prostaglandin F (PGF) wird der Gelbkörper abgebaut und bildet als narbiger Überrest das Corpus albicans. Das Endometrium wird infolge des sinkenden Progesteronspiegels dann abgebaut.

Bei einigen Säugern treten ganzjährig Sexualzyklen auf (polyöstrisch). Bei anderen Tieren sind die Zyklen auf bestimmte Jahreszeiten begrenzt. Es treten dann nur zwei Zyklen pro Jahr (diöstrisch) auf wie beim Hund oder es gibt sogar nur einen einzigen Sexualzyklus pro Jahr (monöstrisch) wie bei Rehen, Wildschweinen. Phasen, in denen ein Säuger nicht in seinem Sexualzyklus ist, werden Anöstrus genannt.

Auch menschliche Frauen haben einen Sexualzyklus, der aber einige Besonderheiten aufweist und daher besser als Menstruationszyklus bezeichnet wird. Er ist mehr oder weniger regelmäßig und dauert insgesamt etwa 28 Tage. Er darf aber nicht mit der Menstruation gleichgesetzt werden. Als Menstruation oder Regelblutung bezeichnet man den Abbau der Gebärmutterschleimhaut nach einem Eisprung, wenn die Befruchtung unterbleibt. Die Gebärmutterschleimhaut wird dabei abgestoßen und mit den Sekreten und geringen Blutmengen über die Vagina ausgeschieden. Die Menstruation kommt nur beim Menschen und höheren Primaten (Haplorrhini) vor. Andere Säugetiere menstruieren nicht, weil sie das Endometrium nicht ausscheiden, sondern der Körper es durch Resorption abbaut und es damit nicht zu einer Blutung kommt. Bei einigen Tieren wie Hunden kommt es während des Sexualzyklus zwar auch zu einer Blutung, diese ist aber keine Menstruation und hat ganz andere Ursachen. Während des Proöstrus kommt es zu einer Auswanderung roter Blutzellen (Erythrodiapedese) und der Cervikalschleim nimmt deshalb eine rote Farbe an.
Eine weitere Besonderheit des menschlichen Menstruationszyklus ist, dass Paarungen über den gesamten Zyklus hinweg erfolgen und nicht, wie bei den meisten anderen Säugerarten, ausschließlich während der Ovulation. Das führt dazu, dass die meisten sexuellen Aktivitäten gar nicht zu einer Schwangerschaft führen können. Mehr noch, durch Verhütungsmittel verhindern Menschen ganz gezielt eine mögliche Schwangerschaft. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass beim Menschen eine versteckte Ovulation erfolgt. Während andere Tierarten durch eindeutige Brunstsignale wie auffälliges Verhalten ("Rolligkeit", "Läufigkeit", "Rossigkeit") oder durch die Brunstschwellung der Anogenitalregion die Ovulationswahrscheinlichkeit anzeigen, können Männer nicht von außen erkennen, ob eine Frau gerade ihren Eisprung hat oder nicht. Selbst die meisten Frauen wissen instinktiv nicht, wann ihr Eisprung erfolgt und können das nur erfahren, wenn sie einen Verhütungskalender führen und ihre Zyklen alle sehr regelmäßig kommen.
Auch bei Bonobos, die neben dem Schimpansen die nächstlebenden Verwandten des Menschen sind, zeigen Anzeichen einer versteckten Ovulation. Zwar haben weibliche Bonobos eine Brunstschwellung, sie ist aber sehr viel länger als bei Schimpansen und kein verlässliches Anzeichen für die männlichen Bonobos. Auch Bonobos paaren sich während aller Phasen ihres Zyklus', also auch dann, wenn ein Weibchen nicht die typischen Schwellungen aufweist.
Das lässt vermuten, dass bei Menschen und Bonobos Sex eine wesentlich andere Funktion erfüllt als nur die Fortpflanzung. Von Bonobos weiß man, dass sie Sex als wichtiges Mittel der Vermeidung von Konflikten und des Beilegens von Streitigkeiten (gewissermaßen "Versöhnungssex") in der Gruppe einsetzen. Übrigens nicht nur zwischen verschiedengeschlechtlichen, sondern auch gleichgeschlechtlichen Gruppenmitgliedern - Bonobos sind sozusagen alle bisexuell. Die Konfliktlösungsstrategien und die Entspannungspolitik von Bonobos sind damit weitaus friedlicher als bei den Schimpansen. Es ist zu vermuten, dass auch die frühen Menschen, bei denen ja das Überleben des Einzelnen stark von seiner Gruppe abhing, Sex auf ganz ähnliche Weise einsetzten wie Bonobos.
Es gibt noch eine weitere Besonderheit im menschlichen Menstruationszyklus. Fast alle weiblichen Säugetiere sind ab dem Zeitpunkt ihrer Geschlechtsreife bis zu ihrem Tod fähig zur Ovulation und damit fruchtbar. Bei Frauen treten Ovulationen nur ab der Menarche (erste Regelblutung während der Pubertät) bis zur Menopause (letzte Regelblutung) mit etwa 50 - 55 Jahren während der "Wechseljahre" (Klimakterium) auf. Frauen leben dann in der Regel noch viele Jahrzehnte weiter, ohne dass sie noch fruchtbar wären. Damit sind Frauen ziemlich einzigartig. Im Tierreich sind Wechseljahre ansonsten nur noch bei einigen Walarten, darunter Narwalen (Monodon monoceros), Belugas (Delphinapterus leucas), Grindwalen (Globicephala macrorhynchus) und Orcas (Orcinus orca) nachgewiesen. Vielleicht kommen sie auch bei Elefanten und anderen Affenarten vor, aber hier sind die Studien nicht ganz so eindeutig und beruhen fast ausschließlich auf Beobachtungen von Tieren in menschlicher Obhut. Auffällige Gemeinsamkeit all dieser Tiere ist, dass es sich um gruppenlebende Arten handelt, bei denen die Aufzucht der Jungen sehr aufwändig ist. Die Nachkommen haben eine lange Kindheit und müssen viel lernen. Möglicherweise, so glauben Forscher, besteht der evolutionäre Sinn der Wechseljahre darin, dass Großmütter bei der Aufzucht ihrer Enkel helfen (Großmutter-Hypothese).

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Agnes2019  15.06.2020, 13:20

Sind Sie sicher, dass jemand diesen Text verstanden hat ? Ich glaube eher, dass dem/der Fragesteller/in damit nicht geholfen wurde. Schade. Ich hätte mich für eine etwas verständlichere Antwort übrigens auch gefreut.

1
Darwinist  15.06.2020, 15:07
@Agnes2019

Jedes Fremdwort ist im Text erklärt und extra fett hervorgehoben. Außerdem habe ich immer die deutsche Bezeichnung dazu genannt, sodass jeder noch einmal selbst nachschlagen kann. Sind übrigens alles Begriffe, die in jedem Biologie-Schulbuch stehen und erklärt werden.

Was genau hast du nicht verstanden? Gerne werde ich versuchen, es dir noch einmal zu erklären. =)

1
Mauritan  22.12.2020, 13:41
@Agnes2019

Sollte sich Darwinist nicht sicher sein, ob ihn jemand verstanden hat, jetzt kann er es: HIER!

Ich habe das verstanden und fand es hochinteressant. Vor allem in bezug auf jene Tierarten, von denen man auch mit Allgemeinbildung nicht soviel Ahnung hat. Dass ein Orca Wechseljahre kennt, - faszinierend!

1
Jannis391  03.05.2024, 09:50

Jetzt ist noch die Frage ob andere Tiere außer der Mensch nach dem ersten Mal paaren bluten

0
Darwinist  03.05.2024, 11:11
@Jannis391

Es ist ein Mythos, dass es beim ersten Mal immer bluten muss. Die meisten bluten nicht.

0

ich vermute mal weil normalerweise keine mehrlinge bei menschen geboren werden und zuviel aufwand bestand als dass dann in 50% aller fälle totgeburten nach 9 monaten kämen. Wenn sowieso normal mind. 4 Babies gleichzeitig geboren werden und durchschnittlich 2 davon sind tot, dann wars nicht umsonst.

also wird evolutorisch dafür gesorgt dass die eizelle nicht zu lange umwelteinflüssen ausgesetzt ist und damit geschädigt sein könnte, sodass das kind tot geboren wird. also quasi "nur das beste und neuste material wird verwendet". ist das Material zu alt, wird ohne weitere Prüfung einfach "weggeschmissen". eben nach 1 Monat warten.

Außer Menschen haben nur einige wenige Tiere eine "richtige" Menstruation. Einige andere Primaten, ägyptische Stachelmäuse, ein paar Fledermausarten und Rüsselspringer haben auch eine richtige Menstruation, bei der bei Nicht-Befruchtung das Ei mit Blut und der wieder abgebauten Beschichtung der Gebärmutter abgestoßen wird.

Bei den meisten Säugern wird das alles einfach wieder in den Körper absorbiert. Hündinnen bluten zwar beim Eisprung, aber das ist keine Periode wie wir sie haben.


Mauritan  22.12.2020, 13:34

Hündinnen haben wohl Blutungen. Zur Zeit der Läufigkeit ist die Wohnung voller Blutstropfen. iii Doch wenigstens nicht jedes Monat.

0
Plaritma  22.12.2020, 13:48
@Mauritan

Nicht gelesen?

"Bei einigen Tieren wie Hunden kommt es während des Sexualzyklus zwar auch zu einer Blutung, diese ist aber keine Menstruation und hat ganz andere Ursachen. Während des Proöstrus kommt es zu einer Auswanderung roter Blutzellen (Erythrodiapedese) und der Cervikalschleim nimmt deshalb eine rote Farbe an."

1

Hühner haben praktisch jeden Tag ihre Regel, manche sogar mehrmals täglich.

Katzen haben zum Beispiel keine Periode, weil der Eisprung erst durch den Deckakt ausgelöst wird. Somit können sie keine unbefruchteten Eizellen haben die ausgeschieden werden müssten.

Ich habe schon einmal einen Hund gesehen, der seine Tage hatte.


reshenziii  22.12.2020, 13:38

1 Satz und zack ist mir weitergeholfen. Danke.

4