Wieso eilt bei der Induktivität die Spannung dem Strom um 90 Grad voraus?

2 Antworten

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Wenn man an eine Induktivität (Spule) eine Spannung anlegt, fängt der Strom langsam an, sich aufzubauen. Wenn man die Spannung ändert, folgt der Strom ebenso langsam.

So lange die Spannung positiv ist, erhöht sich der Strom, so lange die Spannung negativ ist, erniedrigt er sich. Hierbei ist das Vorzeichen zu berücksichtigen, ein Strom in negativer Richtung von 2 A ist kleiner als ein Strom in positiver Richtung von 1 A.

Damit erreicht der Strom genau dann sein Maximum, wenn die Spannung von + nach - durch 0 geht, und sein Minimum, wenn die Spannung von - nach + durch 0 geht.

Bei einer sinusförmigen Spannungsänderung ergibt sich weiter, dass auch der Strom sinusförmig ist, allerdings auf der Zeitachse verschoben.

Verschobene (und natürlich auch nichtverschobene) Sinuskurven kann man mit Winkeln ausdrücken. Wenn eine sinusförmige Kurve ihre Maxima und Minima genau dort hat, wo die andere ihre Nulldurchgänge hat, sind sie um 90° gegeneinander verschoben.

Da der Strom steigt, wenn die Spannung positiv ist, sagt man, der Strom eilt der Spannung nach bzw. die Spannung eilt dem Strom voraus.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

PWolff  14.07.2018, 12:50

Das mit dem Vorauseilen / Nacheilen wird klarer, wenn man sich "Zeigerdiagramme" ansieht.

Sinusförmige Kurven, die von der Zeit abhängen, bekommt man besonders einfach, wenn man einen Punkt auf einen Kreis malt und die Bewegung dieses Punktes auf eine Gerade "projiziert". Der "Schatten" des Punktes bewegt sich sinusförmig mit der Zeit (bei Parallelprojektion).

Schön dargestellt bei https://www.leifiphysik.de/elektrizitaetslehre/wechselstromtechnik/zeigerdiagramme-in-der-wechselstromtechnik

Siehe auch https://www.leifiphysik.de/elektrizitaetslehre/wechselstromtechnik/versuche (hier hab ich leider keine Animation gefunden)

In diesen Zeigerdiagrammen sieht man sehr schön, dass bei einer Induktivität der Zeiger für U in Drehrichtung um 90° vor dem Zeiger für I liegt.

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grenzenfrei0 
Beitragsersteller
 14.07.2018, 12:49

Vielen Dank für die ausführliche Erklärung. Noch eine kurze Frage : Wenn dann noch zusätzlich an der Schaltung ein Widerstand angeschlossen ist, wieso ist dann der Strom und die Spannung des Widerstandes in gleicher Phase und haben nicht ebenfalls einen Phasenunterschied wie bei der Spule?

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PWolff  14.07.2018, 12:54
@grenzenfrei0

In einem idealen Widerstand gibt es keine "Trägheit", der Strom kann der Spannung sofort folgen und tut es auch.

Das ist ähnlich wie eine Stahlkugel in Sirup - die erreicht auch fast sofort ihre Maximalgeschwindigkeit, mit der sie langsam nach unten sinkt. Das Gewicht der Kugel entspricht der Spannung, ihre Geschwindigkeit dem Strom und der bremsende Sirup dem Widerstand.

(Bei sehr hohen Frequenzen macht sich aber die "parasitäre" Kapazität des Widerstandes dann doch bemerkbar. Ähnlich, wie wenn du die Anordung mit dem Sirup kräftig schnell schüttelst - dann kommt die Kugel irgendwann auch nicht mehr sofort hinterher.)

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Bei der Spule (Induktivität) hinkt der Strom der Spannung hinterher (Phasenverschiebung), weil durch die Magnetfeldänderung ein Gegenstrom induziert wird, der den Anstieg bremst.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung