Wie wird die Sequenz , Umkehrung , imitation und der Krebs gebildet(Musik)?
Ich brauche Beispiele dafür!
1 Antwort
Sequenz ist eine sehr einfache Melodiebildungstechnik, d.h. ein Verfahren, bei der eine Melodie erweitert wird. Dabei wird schlicht die Übertragung einer musikalischen (i.d.R. melodischen) Figur auf eine andere Tonstufe vorgenommen. Dies kann in exakt denselben Intervallen erfolgen ("Transposition") oder "tonal", d.h. dass innerhalb der Tonleiter die Melodie (oder der Melodieteil) auf einer anderen Tonstufe erfolgt, aber die Tonabstände nicht exakt die gleichen bleiben (so kann z.B. eine große Sekund eine kleine werden oder eine kleine Terz eine große etc.). Paradebeispiele für eine Sequenz ist z.B. der Beginn von Beethovens 5. Symphonie: Die ersten vier Töne (dadada-daaa) erscheinen gleich darauf "sequenziert" auf anderer Tonstufe. Ein anderes Beispiel bietet das Kinderlied "Der Kuckuck und der Esel". Das Eingangsmotiv über dem Text "Der Kuckuck und der Esel" wird bei "die hatten einen Streit" um eine Tonstufe nach unten sequenziert.
Imitation ist eine Technik des Kontrapunkt, d.h. der mehrstimmigen Komposition. Sie besagt, dass eine neu einsetzende Stimme in einem Musikstück eine Melodie (oder zumindest einen Melodieanfang) "imitiert", die bereits erschienen ist. Paradebeispiel hierfür ist der Kanon (z.B."Hejo, spann den Wagen an"): Eine Stimme beginnt mit einer Melodie, eine andere Stimme setzt etwas später ein und imitiert die bereits vorhandene. Typisch beim Kanon ist, dass die zweite Stimme der ersten in der Regel ganz entspricht. Das muss nicht der Fall sein. Für eine Imitation genügt es, wenn der Melodieanfang erkennbar ist. Imitation muss außerdem auch nicht immer auf dem gleichen Ton erfolgen, sondern kann auch auf ganz anderer Tonstufe sein. Der Unterschied zur Sequenz ist, dass eine Sequenz innerhalb einer Stimme als allgemeines Verfahren der Melodiebildung und Melodieerweiterung dient. Imitation ist ein Verfahren in der mehrstimmigen Komposition und daher sehr viel aufwändiger. Imitationstechnik ist vor allem in der Musik vor 1600 sehr weit verbreitet, aber auch noch in Kanons und Fugen der späteren Zeit. Weitere Beispiele wären z.B. von Palestrina die Motette "Sicut Cervus", bei der die Stimmen in Imitation einsetzen, aber auch auf unterschiedlichen Tonstufen. Es wird nur der Melodiebeginn wird imitiert, aber dann verlaufen die Stimmen unterschiedlich weiter. Das ist das übliche Verfahren bei der Imitationstechnik (sonst würde man es eher "Kanontechnik" nennen, wenn der Stimmenverlauf streng übernommen werden würde):
https://youtube.com/watch?v=0yd5EE0hAB8 G.P. da Palestrina: "Sicut Cervus"
Umkehrung ist eine Technik zur Veränderung einer bereits bestehenden Melodie oder einer ganzen mehrstimmigen Tonkonstellation. Dabei wird nur die Richtung der Tonschritte/Sprünge geändert: Ein Ton, der um eine Terz nach oben springt, springt in der Umkehrung um dasselbe Intervall nach unten. Umkehrung ist vor allem im Kontrapunkt üblich. Es gibt viele Beispiele von J.S. Bach. Zum Beispiel in der Kunst der Fuge erscheint in den Stücken "Contrapunctus 3" und "Contrapunctus 4" das ursprüngliche Thema in Umkehrung. In "Contrapunctus 5" erscheint das Thema anfangs im Original und wird beim zweiten Einsatz sogleich umgekehrt. "Contrapunctus XIII" besteht aus zwei in sich geschlossenen Spiegelkanons (die Einzelstimmen bilden zueinander die Umkehrung), von denen wiederum das zweite die vollständige Umkehrung des ersten ist.
https://youtube.com/watch?v=OhB3vjywW10 J.S. Bach: "Contrapunctus V" (eingangs irrtümlich als Contrapunctus 3 angegeben) aus: "Die Kunst der Fuge" BWV 1080
https://youtube.com/watch?v=mDeiHrAwubs J.S: Bach: "Contrapunctus XIIIa" (rectus) aus: "Die Kunst der Fuge" BWV 1080
Krebs ist wie auch die Umkehrung eine Veränderungstechnik für bereits bestehende Melodien oder auch Akkordfolgen. Der Krebs kommt in der Musik sehr viel seltener vor, weil er, anders als die Umkehrung, beim Hören praktisch nicht erkannt werden kann. Beim Krebs wird eine bereits vorhandene Tonfolge (oder Akkordfolge) schlichtweg umgedreht und rückwärts gespielt. Ein besonders beeindruckendes Beispiel gibt es wiederum von J.S. Bach, nämlich im "Musikalischen Oper". Dorf gibt es ein zweistimmiges Stück "Canon cancrizans" die zweite Stimme entspricht dabei dem vollständigen Krebs der ersten Stimme. Dadurch klingt das komplette Stück vorwärts gespielt genauso wie rückwärts gespielt. Krebsführungen sind in der Kontrapunkttechnik selten, in der Musik des 20. Jahrhunderts (v.a. in der Zwölftontechnik) wurde der Krebs beliebt und häufiger gebraucht.
https://youtube.com/watch?v=Cixn7IRsP6g J.S. Bach: "Canon Cancrizans" aus: "Musikalisches Opfer" BWV 1079
Nice , aber leider habe ich den Test schon längst geschrieben... und 5 Punkte bekommen👌🏼
Beispiele für die o. gen. Kompositionstechniken:
Sequenz: Hänschen klein - ging allein (in C-Dur: g-e-e f-d-d)
Def: Wiederholung eines Motivs/Melodieausschnitts auf einer anderen Tonstufe
Umkehrung: Die Melodie g-h-h a-c'-c' ist nun eine Umkehrung des obigen Melodieausschnittes. Allerdings kann die Umkehrung ab jedem Ton beginnen, nur müssen die Intervalle (zumindest grobbestimmt) in die entgegengesetzte Richtung gehen. Möglich wäre also auch: e-g-g f-a-a
Def: vertikale Spiegelung eines Motivs/eines Melodieausschnitts
Krebs: "Guten A-" (bend, gut Nacht) ist nun ein Krebs von "Hänschen klein", denn die gleichen Töne kommen in umgekehrter Reihenfolge (in C-Dur: e-e-g).
Def: horizontale Spiegelung eines Motivs/eines Melodieausschnitts
Die Imitation ist nun die einzige Technik, die 2 unabhängige Stimmen braucht (Polyphonie): Der Kanon ist die strengste Form der Imitation, aber auch zB Bach-Inventionen oder Fugen (Dux und Comes) beginnen stets mit Imitationen.
Def: Wiederholung eines Motivs/Melodieausschnitts in einer anderen Stimme wenige Schläge oder Takte später
Also - meine Hochachtung! Sogar die Dodekaphonie erwähnt... Vielleicht geht unsere (klassische) Musikkultur doch noch nicht so schnell unter, wie landläufig geklagt wird!? Danke.