Wie soll man zwei Verfassungen vergleichen?Welche Hauptpunkte?

4 Antworten

Für einen Vergleich von Verfassungen sind Gesichtspunkte erforderlich. Bei der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871 (Kaiserreich) und der Verfassung des Deutschen Reiches vom 19. Juli 1919 (Weimarer Republik) können oft Institutionen zum Vergleich nebeneinandergestellt werden.

  • Staats- und Regierungsform

Kaiserreich: Konstitutionelle Monarchie, nicht voll verwirklichter Parlamentarismus Weimarer Republik: Republik, parlamentarische Demokratie

Souverän: Wer ist Träger der Macht, von wem geht die Staatsgewalt aus? Wenn sie vom Volk ausgeht, gibt es Volkssouveränität. Im Kaiserreich war die monarchische Souveränität vorherrschend (von Monarchen geschlossener ewiger Bund), die Macht des Volkes begrenzt und eingeschränkt.

  • Gewaltenteilung

Das klassische Modell ist Gewaltenteilung mit den drei Gewalten gesetzgebende Gewalt (Legislative), vollziehende Gewalt (Exekutive) und rechtsprechende Gewalt (Judikative) und gesetzgebende Gewalt (Legislative).

Beim Vergleich kann zunächst festgestellt werden; ob es Gewaltenteilung gibt, und dann (wenn dies der Fall ist), wie sie verwirklicht ist. Welche Institutionen haben welche dieser Gewalten? Die Machtverteilung (sowohl innerhalb einer Gewalt als auch unter den Institutionen insgesamt) kann untersucht werden. Dabei kann geprüft werden, wer wen wählt, ernennt, einberuft, entläßt, auflöst, kontrolliert und wer Gesetzesanträge stellen kann.

Dies kann in einer näheren Untergliederung verfeinert werden, indem die Aufgaben und Rechte/Befugnisse einander entsprechender Institutionen verglichen werden.

Beim Staatsoberhaupt sind dies z. B. der Kaiser des Deutschen Reiches und der Reichspräsident.

In der Exekutive ist daneben vor allem die Regierung mit dem Reichskanzler an der Spitze einzubeziehen.

In der Legislative kann die Stellung des Reichstags verglichen werden, außerdem dies des Bundesrats und des Reichsrates als Vertretung der einzelnen Länder.

In der Judikative geht es neben den obersten Gerichten der einzelnen Länder (diese hatten die Gerichtshoheit) um das Reichsgericht in Leipzig, das aufgrund eines Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 als oberstes Straf- und Zivilgericht ab 1879 tätig war. In der Weimarer Republik stand an der Spitze das Reichsgericht in Leipzig und der beim ihm eingerichtete Staatsgerichtshof (kein ständiges Gericht, sondern einberufen, wenn ein Klageantrag gestellt wurde). Der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich war für Rechtsprechung in bestimmten Fällen (Staatsorgane, Staatsorganisation und Verfassungsstreitigkeiten betreffend) zuständig.

  • Wahlrecht und seine Umsetzung in die Sitzverteilung

Wenn Wahlen stattfinden, ist das Wahlrecht zu vergleichen. Neben den Verfassungen kann dabei auch ein Wahlgesetz wichtig sein (im Kaiserreich wurde für den Reichstag nach Artikel 20 das Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bundes vom 31. Mai 1869 übernommen; in der Weimarer Republik ist neben Artikel 22 das Reichswahlgesetz von 27. April 1920 zu beachten).

  • Existenz von Bestandteilen direkter Demokratie

Gibt es neben einem Repräsentativsystem (z. B. Wahl von Abgeordneten als Vertreter des Volkes) in der Verfassung auch Möglichkeiten direkter Demokratie? Da es um Abstimmungen des Volkes [der Wählerschaft] geht, werden diese auch als plebiszitäre Elemente bezeichnet.

  • Grundrechte

Gibt es Grundrechte bzw. Menschen- und Bürgerrecht? Wenn ja, welche? Im Kaiserreich gab es keine Grundrechte auf Reichebene, in der Reichverfassung, sondern in den Verfassungen der Länder(der einzelnen Staaten des Deutschen Reiches).

  • vertikale Machtverteilung (zwischen Zentralgewalt und Ländern/Einzelstaaten)/Zentralismus oder Föderalismus oder Staatenbund

Wie sind die Beziehungen zwischen der Zentralgewalt und den Ländern/Einzelstaaten geregelt? Enthält die Verfassung Zentralismus (starkes Übergewicht der Zentralgewalt) oder Föderalismus (Bundestaatlichkeit)? Beiden Verfassungen sind föderalistisch, allerdings ist in der Weimarer Republik im Vergleich zum Kaiserreich die Zentralgewalt an Rechten/Befugnissen etwas stärker.

Neben einer Betrachtung der Verfassungstheorie kann die Untersuchung erweiternd auch die Verfassungspraxis einbezogen werden. Wie waren die Abläufe in der Praxis, wie hat die Verfassung funktioniert, welche Probleme traten auf?


Ergänzung: Vielleicht sollte man noch ein Wort über die Befugnis zur Kriegserklärung verlieren. Verfassung von 1871: Der Kaiser durfte mit Zustimmung des Bundesrates, aber ohne Zustimmung des Reichstages die Kriegserkärung unterschreiben. Erst durch Änderungsgesetz vom 28.10.1918 wurde die Zustimmung des Reichstages für erforderlich erklärt. Laut Weimarer Reichsverfassung sollte die Kriegserklärung durch Reichsgesetz erfolgen.

Wenn man Verfassungen vergleicht bzw. auch nur eine einzelne analysiert, dann guckt man ob es eine Gewaltenteilung gibt und ob eine Volkssouveränität herrscht. Bei einer Gewaltenteilung sind die 3 Bereich im Staat, also die Exekutive, die Legislative und die Judikative von einander unabhängig und sollten sich kontrollieren. Volkssouveränität heißt, dass das Volk die Regierung mitbestimmt, zum Beispiel mit Wahlen. Alle Verfassungen sind sind unterschiedlich. Manche haben keine Volkssouveränität oder Gewaltenteilung. Bei anderen ist die Kontrolle der Exekutive, der Legislative und der Judikative viel ausgeprägt bei anderen ist gar keine Kontrolle. Am besten guckst du wie die beiden Verfassungen in den Beiden Punkten aufgebaut sind und kannst die somit vergleichen.

Ich hoffe ich kann dir damit helfen.

schau doch nach bürgerrechten und der stellung der staatsoberhäupter. (z.b. weimarer verfasung reichspräsident ganz oben) dann kannst du noch grundrechte und so vergleichen


sunnykaninchen 
Beitragsersteller
 04.04.2012, 20:08

bei der Kaiserreich-Verfassung war ja Kaiser auf jeden Fall Staatsoberhaupt.Aber bei der Weimarer Reichsverfassung...?War der Reichspräsident sowas wie ein Staatsoberhaupt?Kann man das so sagen?

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