Wie soll man expressionistische Lyrik verstehen?
Am Donnerstag schreib ich eine Gedichtinterpretation von einem expressionistischen Gedicht. Jetzt hab ich mir einige Beispiele angeschaut (Weltende- beide Versionen-, die Stadt, kleine Aster, mann und frau gehn durch die Krebsbaracken, uvm.). Normalerweise verstehe ich den Inhalt eines Gedichtes nach wiederholtem Lesen (Romantik z.B ist sehr simpel). Doch im Expressionismus benutzen die Dichter Wörter, die ich nicht kenne, Metaphern, mit denen ich nichts anfangen kann, etc. JA, ich weiß wie man ei Gedicht interpretiert. Bloß ist es schwer, den Inhalt zu deuten wenn man ihn nicht versteht. Beispiele: "Ein weißer Vogel ist der große Himmel" "Drei kleine Menschen spielen Blindekuh" "Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern" Kurz gesagt: Wie verstehe ich diesen "Müll" (Gedichte an sich sind toll, Expressionismus nicht)? Wie verstehe ich den Inhalt?
1 Antwort
Moin, bin vom Lehramt! ;)
Für das Verständnis expressionistischer Literatur ist es wichtig, dass du zentrale Motive und den geschichtlichen Hintergrund kennst. Teilweise kann es auch wichtig sein, einen biographischen Zugang (Autor) zu haben. Dies ist zum Beispiel bei Franz Kafka der Fall.
Zeitlich ist der Expressionismus ungefähr in die Zeit zwischen 1905 bis 1925 einzuordnen. Historisch ergibt sich daraus ein Bezug zum ersten Weltkrieg, zur Instabilität der Weimarer Republik, zum Pauperismus, zur Urbanisierung und zur Industrialisierung.
Zentrale Motive sind der moralische Zerfall der Gesellschaft, die Orientierungslosigkeit der eigenen Persönlichkeit (Ich-Dissoziation), die Problematik der "neuen" Technik durch die Industrialisierung, der (nahende) Krieg, die Aufgabe traditioneller (gesicherter) Weltbilder usw.
Allgemeine Motive: Liebe, Tod, Hinrichtung, Chaos, Untergang, Wahnsinn..
--> Liebe ist gar nicht so oft; meistens sind negative Extreme Elemente von Lyrik, Epik und Dramatik.
Dabei bedienen sich die Lyriker vor allem sogenannter Chiffren. Des Weiteren wird oft mit Farben, Hyperbeln, Symbolen, Metaphern und Lautmalereien gearbeitet.
Beim Lesen expressionistischer Werke fällt oft auf, dass die Umwelt chaotisch dargestellt wird. Zum einen ist die Umwelt das Spiegelbild der Seele des lyrischen Ichs bzw. des neutralen Sprechers und zum anderen wird damit auf die Unstetigkeit des Lebens (Krieg, Weimarer Republik, Pauperismus, Urbanisierung, Industrialisierung) referiert.
Die Lyrik des Expressionismus ist übrigens nichts Blödes, sondern ehrlich richtig toll, wenn man sich darauf einlässt; so ausdrucksstark und mannigfaltig in der Interpretation! :))
Ich hoffe, dass ich dir helfen konnte und ganz viel Erfolg für die Klausur! :)
Liebe Grüße