Wie schwer ist eine Doktorarbeit?

9 Antworten

Kommt drauf an, die Themen sind ja völlig unterschiedlich. Nicht jedem liegt auch jede Methode, jeder findet andere Sachen schwierig. Irgendwelche Bestandteile gibt es natürlich immer mit denen man schlechter zurechtkommt und in die man sich erstmal einlesen muss, das ist ganz normal und gehört dazu. Das hat man schließlich auch im Studium gelernt, wie man sich unbekannte Inhalte aufbereitet und sich selbst beibringt. Neben fachlicher Qualifikation beweist eine beendete Promotion aber vor allem auch, dass die Person Durchhaltevermögen hat und mit Rückschlägen und Frustration zurecht kommt. Wenn man anfängt zu promovieren, dann ist man mit Motivation bei der Sache. Wenn nicht, dann sollte man sich das grundsätzlich überlegen ob man das machen will, eine gewisse Begeisterung braucht man schon, sonst halten das wenige bis zum Ende durch.

Die Promotion ist ein langer Prozess und es ist der Sache eigen, dass genau das Thema bisher niemand sonst behandelt hat. Daher kann es im Verlauf der Jahre zu unerwarteten Rückschlägen kommen, Dinge funktionieren nicht wie gedacht, Sachen kosten mehr als man glaubt, wichtige Geräte sind belegt der kaputt, der Stromausfall macht das ganze Experiment kaputt, Interviewpartner wollen nicht mit einem reden, es stellt sich raus, dass die Sache ganz anders liegt als in den Anfangshypothesen vermutet und nun klappt die Methode nicht mehr, man ist auf jemanden angewiesen und der wechselt die Stelle, man hat ein Paper eingereicht und es kommt immer nur mit "mayor revisions" zurück, der Professor verlangt, dass man etwas ganz anderes auch noch mitbetrachtet, auf der Konferenz sind die kritischen Fragen ein bisschen sehr kritisch, die Finanzierung läuft aus und man muss nebenher Projektanträge schreiben, jemand veröffentlicht ein Paper mit ähnlichem Thema und man muss die eigene Arbeit umstellen und ganz insgesamt zweifelt man daran, ob die ganze Sache irgendwie Hand und Fuß hat und irgendwen interessiert. Da man selbst tief im Thema drinsteckt sieht man den Wald vor Bäumen nicht, es gibt tausend Dinge, die man noch machen könnte, man ist einfach nie wirklich fertig.

Jeder den ich kenne hatte Phasen in denen er am liebsten alles hingeschmissen hätte. Der ein oder andere hat es auch gemacht. Es kann manchmal einfach alles frustrierend sein und man glaubt nicht, dass man je zum Ende kommt. Ein Kollege in den letzten Wochen seiner Arbeit hatte quasi sein Büro nicht mehr verlassen, aber irgendwann einen Zettel mit der Aufschrift an die Tür gehängt "Und Gott am sechsten Tag so: Scheiß drauf, morgen ist Abgabe, das lass' ich jetzt so". Das trifft das Ende ganz gut, es gäbe immer noch mehr, aber irgendwann muss man den Punkt setzen.

Und dann hat man oft eine 50% Stelle, arbeitet aber ganz selbstverständlich Vollzeit und immer mal auch am Wochenende. Neben der Promotion muss man einen Haufen anderes Zeug auch noch machen (Lehre, Konferenzen, Institutszeug, Organisation der Weihnachtsfeier, Bürokratie, Betreuung von studentischen Arbeiten, Drittmitteleinwerbung,...), das kann einen interessieren, muss es aber nicht. Manchmal hätte man einfach gerne einen 9-5 Job bei dem man wirklich Feierabend hat. Ob einem die Promotion am Ende was bringt weiß letztendlich auch niemand.

Trotzdem ist es auch eine tolle Zeit. Man bekommt die Chance sich eingehend und in Tiefe mit einem Thema auseinanderzusetzen das einen interessiert. Man ist eingebunden in die globale Wissenschaftswelt und kann Kontakte knüpfen, zu Konferenzen gehen und sein Thema präsentieren. Die Kollegen forschen auch und sind in ähnlichem Alter, je nach Institut ist die Atmosphäre etwas wirklich Besonderes, konstruktiv und kollegial im besten Fall (es gibt auch Institute an denen ist Hauen und Stechen, kommt drauf an). Man kann seine Arbeit in Papern veröffentlichen, andere lesen das und zitieren es manchmal, man trägt dazu bei das Wissen in seinem Fachgebiet zu erweitern, das ist schon auch toll

Eigentlich ist die Dissertation (oft Doktorarbeit genannt) nicht alles was zu "schaffen" ist, denn darin wird ja die Forschungsarbeit die man gemacht hat dokumentiert. Also hat man zwei Aufgaben zu bestehen:

  1. Forschung durchführen
  2. Forschung dokumentieren (Dissertation)

Der Aufwand bzw. die Schwierigkeit kann je nach Fachrichtung ganz anders sein.

Mein Beispiel:

Ich habe im Bereich Elektrotechnik promoviert. Dabei ging es um die Entwickung eines neuen Gerätetyps für die dezentrale/regenerative Energieerzeugung. Als Embedded-Softwareentwickler lag mein Schwerpunkt in neuen Softwarealgorithmen und Regelstrategien für die dezentrale Einspeisung ins öffentliche Stromnetz. Das Stromnetz sollte unterstützt/entlastet werden (z.B. Bereitstellung von Blindleistung, Oberschwingungskompensation).

Die Forschungsarbeit (also Entwicklung) war für mich so mehr oder weniger schwer wie Arbeit an F&E-Projekten nunmal so ist.

Das Schreiben der Dissertation habe ich eigentlich als einfach empfunden. Denn ich musste ja nur das dokumentieren, was ich herausgefunden/entwickelt hatte.

Ich könnte mir vorstellen, dass es in Fachbereichen wie Sprache/Politik/Gesellschaft/Geschichte anders ist. Da kann man nicht einfach so etwas völlig Neues erfinden, sondern muss auf dem aufbauen, was schon von Anderen erarbeitet wurde.

Da wird man also möglicherweise eher Schwierigkeiten bekommen, die Seiten der Dissertation zu füllen.

Ich denke, das ist auch vielleicht ein Teil des Problems, wieso es so viele Plagiate bei Politikern gibt. Denn die haben meistens (denke ich?) in Geisteswissenschaften promoviert.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

fb1701  31.05.2021, 19:46

Das "man kann nicht etwas völlig Neues erfinden" kann auch bei Medizin ein Problem sein. Manchmal geht es darum, schon vorhandene Forschungsarbeiten auszuwerten und zu vergleichen (z.B. welche Behandlungsform für eine Krankheit besser ist oder welche Operationsmethode erfolgreicher ist).

Das läuft dann unter dem Begriff "Meta-Studie". Auch da kann vielleicht auch die Plagiatsgefahr mitschwingen.

Von xkcd gibt es auch eine lustige Karikatur dazu: https://xkcd.com/1447/

Das geht aber nicht über Doktorarbeiten, sondern um kleinere(?) Veröffentlichungen (z.B. Paper für Konferenzen oder Fachzeitschriften). Aber das Prinzip und die Problematik ist schon irgendwie vergleichbar.

0

Kommt darauf an. Auf die Fachrichtung, die eigenen Fähigkeiten und Motivation, das Team mit dem man arbeitet, wie viele Probleme im Laufe der Arbeit aufkommen, wie die Finanzierung aussieht,...

Meistens bedeutet die Doktoranden-Zeit jahrelang zumindest phasenweise harte Arbeit, Überstunden und Stress.

Die Schwere ist relativ. Das empfindet jeder anders und hängt auch von den Umständen ab, unter denen sie entsteht.

Man sollte schon wissen, was man tut.

Ich denke nicht...

Musste mal eine längere Arbeit schreiben unf hab dafür viele publizierte Doktorarbeiten aus dem naturwissenschaftlichen Bereich gelesen (ca. 40 😂) und auch als Quellen verwendet... Jedenfalls ist das Niveau 1. nicht extrem hoch und 2. schreiben die Doktoranden ihre Sachen auch nur aus anderen Primärquellen ab...

Ich denke der "schwierige" Teil ist die richtige Eigenleistung, wo man dann auch selbst nachdenken muss und selbst Probleme analysiert und zu eigenen Schlüssen kommt, was aber nur 10% so einer Doktorarbeit ausmacht 😂

...hängt aber wahrscheinlich auch vom Fach ab