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Von Experte ponter bestätigt

Schiffe müssen eine bestimmte Stabilität aufweisen, damit sie intakt und sicher schwimmen. Um das zu erreichen, muss die Verteilung der Massen, also Schiff plus Ladung plus Vorräte immer so verteilt werden, dass sie möglichst gleichmäßig auf dem Schiff verteilt sind. Eine Umverteilung (z. B. durch Ladungsrutsch, falsches Umpumpen oder Lenzen der Ballasttanks und oder Brennstofftanks) dieser Massen verringert die Stabilität und kann schwächen. Das sind die internen Vorgänge.

Nun kommt ein sehr gewichtiges Moment ins Spiel: die äußeren Bedingungen, also Wind, See und Geografie. Dieses Bedingungen kann man nur bedingt oder gar nicht beeinflussen.

Im unglücklichen Fall wie in dem Video (wir wissen nicht, wie beladen das Schiff war) stampft ein relativ langes Schiff 90° genau gegen eine minderhohe See, der Wind ist wohl eine 5-6 Bft und spielt sicherlich eine untergeordnete Rolle. Vielleicht muss das Schiff diesen Kurs wählen, um auszuweichen, einer Untiefe oder einem Fahrzeug, ist also gezwungen, diesen Kurs zu steuern. Auf jeden Fall keine gute Entscheidung.

Das Schiff schwimmt in diesem Moment des Brechens nicht komplett homogen im Wasser, sondern wird nur auf Wellenbergen 'getragen'. Läuft eine Welle unter das Schiff hindurch, hebt es erst den Bugbereich an, während sein Heck gerade auf dem vorgehenden, letzten Berg schwimmt. Das Schiff wird auf Biegung beansprucht, auf extreme Biegung! Liegt nun beispielshalber die Ladungsverteilung so ungünstig, dass gerade Mittschiffs sehr viel Ladung ist, kann die Stabilität schon so stark beanspruch sein, dass die Verbände nachgeben.

Und hier, so meine ich, kommt captjens' Kommentar ins Spiel: Ermüdung der Verbände, des Schiffbaustahls, Vorschädigungen, die dieses extreme Belastung nicht mir mittragen können: Das Schiff bricht auseinander.

Was hätte diese Geschichte verhindern können? Kurse steuern, die eine Durchbiegung verhindern oder verringern, Fahrtstufen, die dem Schiff erlauben möglichst homogen einzutauchen - immer, wenn es die geografischen und verkehrsbedingten Situationen zulassen.

Ich habe in meiner Fahrtzeit in solchen Situationen IMMER versucht, zu verhindern, mit dem Schiff genau gegenan zu gehen, sondern die Wellen/See 'auf die Schulter' nehmen, also von 10 Uhr oder 14 Uhr kommen zu lassen. Das bewegt das Schiff zwar deutlicher stärker durch Rollen UND Stampfen, aber die Bewegungen sind harmonischer und weniger belastend für die Schiffsverbände. Immer unter der Prämisse, dass die Ladung solche Bewegungen verträgt und dadurch nicht zusätzliche Gefahren entstehen (z. B. Ladungsrutsch).

Unter normalen Bedingungen muss ein Schiff auch solche wie im Video zu sehenden Bedingungen sicher überstehen können,. dafür ist es eigentlich konstruiert worden, eigentlich . . .

Solche Schwachstellen (Ermüdung) kündigen sich dem erfahrenen Fachmann eigentlich frühzeitig an. WENN er denn guckt und die Ahnung hat. Auf Inspektionsrundgängen, in Werften, durch Messungen und Proben kann man relativ früh sagen, wenn kritische Stellen beginnen, sich zu heraus zu kristallisieren, wenn erste Haarrisse entstehen, wenn Rostfraß unter Farbe blüht, Verformungen zu beobachten sind. DAS muss und kann man sehr viel früher entdecken und hat dann auch die Zeit (und Geld?), diese Schwachstellen apriori zu beseitigen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

blaubeer  06.02.2022, 11:55

Nachsatz. Habe die AIS-Daten gecheckt. Da Schiff war eins der Baltiski-Klasse (oder Wolgobalt), ein seegängiges Flusschiff. Typisch bei den Russen. Auch an der Sprache: Russisch. Passiert im Schwarzen Mehr, türkische Küste. Solche Schiffe hatten mitunter eine sehr hohe Zahl an Jahren auf dem Kiel. Also Materialermüdung? Sehr, sehr wahrscheinlich. Und falsches Navigieren. Und/oder Beladung, dann anscheinend war es gut abgeladen. Ein "Zuviel" wäre hier auch möglich. (Wenn alles gut geht, lacht der Profit! - Doof, wenn nicht)

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