Welche Vorteile hat man durchs promovieren (Doktortitel) als Ingenieur (Umwelt-)?

2 Antworten

Ich bin promovierter Chemie-Ingenieur und würde sagen, dass es relativ wenig Vorteile gibt und tatsächlich mehr Nachteile.

Ich führe meinen Titel nur im beruflichen Umfeld, ich habe ihn weder im Ausweis noch auf dem privaten Türschild. Daher nehme ich da keine Vor- oder Nachteile wahr.

Im beruflichen Umfeld wird zumindest in der Chemieindustrie der Titel für gewisse Aufgaben und Karrierestufen vorausgesetzt und ermöglicht hier zumindest einen erleichterten Aufstieg. Zugleich schränkt er aber die Anzahl verfügbarer Stellen auch deutlich ein, da man für viele Stellen als Berufseinsteiger als überqualifiziert eingestuft wird. Warum soll man für den Inbetriebnahmeingenieur einen Doktor nehmen, wenn man auch nen Master oder Bachelor einstellen kann.

Das habe ich im Berufseinstieg als deutlichen Nachteil empfunden. Darüber hinaus bin ich mir nicht sicher, ob ich den Gehaltsnachteil über mein Berufsleben tatsächlich noch aufholen kann bzw. ob ein Master nicht lukrativer gewesen wäre.

Wenn klar ist, dass der Weg mal zurück in die Wissenschaft führen soll, z.B. an eine FH als Professor, dann ist der Titel alternativlos. Wenn man forschend tätig sein will, ist er ganz ok. Für alle anderen Fälle würde ich eher nach dem Master in die Industrie wechseln.

Ich spiele auch nach einigen Jahren im industriellen Umfeld weiterhin mit dem Gedanken, in Materialwissenschaften / Chemie / Physik zu promovieren, wenn sich ein attraktives Projekt ergibt. Auch in meiner Bewerbungsphase nach dem Master hätte ich ein (zumindest was die akademischen Rahmenbedingungen anging) sehr attraktives Angebot gehabt und habe viel darüber nachgedacht, ob ich in die Industrie gehe oder promoviere.

Letztlich habe ich mich also "für's Erste" für die Industrie entschieden. Geld spielt in dem Fall keine große Rolle, zwar zahlt die Industrie generell besser, aber ich bin so aufgewachsen, dass ich mir einfach das leiste, was ich mir leisten kann und nicht mehr.

Es wurde bereits über die Probleme bei der Jobsuche nach der Promotion geschrieben. Auch in der Physik, wo ich als Materialwissenschaftler meine Masterarbeit bearbeitet habe, hat man mir im Nachhinein gesagt, dass es erfahrungsgemäß für die Promovierten deutlich schwieriger ist, den "Sprung" in die Industrie zu machen. Speziell unsere Sekretärin hat mich ein bisschen bei meinen Bewerbungen unterstützt und meinen Entscheidungsprozess zwischen PhD und Industrie mitbekommen und mir im Nachhinein gesagt, dass sie meine Entscheidung gegen den PhD trotz meines hohen Potentials für eine wissenschaftliche Karriere für rein arbeitsstrategisch für richtig hielt.

Mein Cousin hat in einem ähnlichen Fach promoviert und ist später in die Industrie gewechselt. Bei meiner Suche nach einer Entscheidung habe ich auch mit ihm gesprochen. Sein Bild der Lage war, dass in den F&E-Abteilungen die meisten Leute gar keinen Doktorgrad haben, dafür aber eher im Vertrieb und Produktmanagement, d.h. in der Außendarstellung der Unternehmen, weil Doktorgrade repräsentativ "hochwertiger" klingen. Inzwischen habe ich auch selbst die Erfahrung gemacht, dass ich zum Teil bei Firmen, bei denen meine Firma bestimmte Laborgeräte kaufen wollte, promovierte Fachleute als "Applikationswissenschaftler" den ganzen Tag lang diese ein, zwei Laborgeräte bedient haben, um Kundendemos zu machen und in den Berichten mit "Dr. Rainer Zufall" zu unterschreiben. In meinem jetztigen Job bin ich auf ganz viele verschiedene Laborgeräte angewiesen, was den Alltag vielleicht sogar abwechslungsreicher macht als den jener promovierten Applikationswissenschaftler.

Hinzu kommt, und das trifft auf viele Leute im "wissenschaftlichen Unterbau" zu, die hohen Anforderungen an die Mobilität. Mein Cousin hat den Wissenschaftsbetrieb verlassen, weil speziell im naturwissenschaftlichen Umfeld häufig das ganze Institut umziehen muss, wenn der Prof woanders hingeht. Das ist nicht gerade ein familienfreundliches Arbeitsumfeld. Die Naturwissenschaften sind häufig institutsmäßig sehr ausdifferenziert, sodass man für ein Wunsch-Institut teilweise große Abstriche machen muss. Ich als jemand, der viele Hobbys im Bergsport hat, hätte es wahrscheinlich nicht ausgehalten, für eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter nach Berlin, Greifswald oder Münster zu ziehen und habe mich daher für ein Unternehmen in einer Gegend mit dem entsprechenden Freizeitwert entschieden (ganz zu schweigen davon, dass mir bei einem PhD mindestens drei Jahre Fernbeziehung und/oder ein Zerbrechen der Beziehung gedroht hätten. Inzwischen sind seit meiner Entscheidung vier Jahre vergangen und die Beziehung hält immer noch und wir haben seit dem Zusammenziehen vor vier Jahren die Zeit unseres Lebens)