Welche Möglichkeiten hatte der Stadtherr um an Geld zu kommen und wozu brauchten sie Geld?

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Darin, welche Möglichkeiten genau bestanden, gab es Unterschiede, je nachdem, welche Art von Stadtherr es war, wann dies im Mittelalter genau war und wo die Stadt lag. Räumlich beschränke ich mich auf das Heilige Römische Reich (Deutscher Nation). Stadtherren waren im Regelfall die Landesherren. Landesherren hatten die Landesherrschaft über ein Land, wobei zugleich der König (und Kaiser) die Oberhoheit hatte. Der König konnte auch Landesherr sein, wo Landesherrschaft in seiner Familie geerbt wurde.

Aber auch Adlige bis hin zum niederen Adel konnten Stadtherrn sein, vor allem wenn bei ihnen grundherrliche Rechte vorlagen.

Im Ausnahmefall hatten Könige oder geistliche Herrscher(innen) (Bischöfe, Äbte, Äbtissinnen) die Stadtherrschaft inne.

Eine Ausnahme war auch, wenn eine Korporation (Körperschaft), z. B. durch Kauf oder Anpfändung, stadtherrliche Rechte ausübte (z. B. die Räte von Nürnberg oder Lübeck).

1) Möglichkeiten, an Geld zu kommen

Als Grundherr hatte ein Stadtherr Einnahmen aus seiner Grundherrschaft (Natural- oder Geldabgaben).

Aus Domänen gab es land- und forstwirtschaftliche Erträge.

Bis ins 13. Jahrhundert waren für den Unterhalt der Könige und Fürsten die Abgaben der Unfreien in der Grundherrschaft vorwiegend. Dazu kamen Leistungen der Kirche.

Ein König hatte Einnahmen aus der Nutzung der Regalien (königliche Rechte). Die Regalien gingen im Heiligen Römischen Reich zunehmend an die Fürsten über. Aus den Regalien ergaben sich vielfältige Möglichkeiten, Geld einzunehmen.

Dazu gehörten z. B. Nutzung von Rechten (wie Geld für Verleihung von Markt- oder Stadtrechten, Abbaurechte von Bodenschätzen, Münzrecht), Straf- und Gerichtsgelder, Zölle verschiedener Art. Für Schutz konnten Geldzahlungen erfolgen, z. B. von Juden. Deutsche Juden waren seit 1236 kaiserliche Kammerknechte. Außer der Kopfsteuer konnten zusätzliche Forderungen an sie kommen wie außerordentliche Schatzungen, Krönungsabgaben, Strafgelder und sogenannte Geschenke.

Wenn der Stadtherr ein Besteuerungsrecht hatte (als Landesherr bzw. als König und Landesherr), konnte er Steuern erheben. Im Mittelalter waren die königlichen Steuern eher einmalige oder zeitlich befristete Sondersteuern (z. B. Kopfsteuer), als Beihilfen zu bestimmten Anlässen erhoben.

Die Bede (zuerst als freiwillige Gabe erbeten) war eine Form von Grundsteuer.

Die Landesherren bauten ihre finanziellen Hoheitsrechte aus. Steuern und Abgaben an die Landesherren waren:

  • ordentliche Steuer

  • eine Akzise genannte Geldsteuer, eine Art Umsatz- und Verbrauchssteuer, erhoben als Verzehrsteuer (auf zahlreiche Verbrauchsgüter, z. B. Getränke) und als Verkehrsteuer

  • Abgabe öffentlich-rechtlicher Natur (z. B. Fronhafen, Weingeld, Vogteiabgaben, Marchfutter im bayerisch-österreichischen Raum, Haferabgabe zur Sicherung des militärischen Grenzschutzes, Landpfennig für die Befreiung von der Gerichtspflicht)

  • sich aus Regalien ergebende Einnahmen

  • mit dem Rechtsgrund »Landesnot« erhobene (nach einem Reichsgesetz war die Zustimmung der Hochgestellten und Großen des Landes erforderlich) allgemeine außerordentliche Steuer (Schatzung, Schoß, Landsteuer, Landbede), eine freiwillige Abgabe

Geistliche hatten unter Umständen Einnahmen aus kirchlichen Ämtern, z. B. den Zehnt. In geistlichen Gebieten wurde Subsidien oder Weihesteuern anläßlich der Weihe eines neuen Bischofs erhoben.

Weitere Möglichkeiten, um an Geld zu kommen, waren, etwas zu verkaufen, etwas zu verpfänden oder sich Geld zu leihen.

Eventuell gab es Tribute von anderen Völkern oder es gab Geschenke.

Informationen sind z. b. in Nachschlagewerken zum Mittelalter in Artikeln vorhanden, wie:

Friedrich Bernward Fahlbusch, Stadtherr. In: Lexikon des Mittelalters. Band 8: Stadt (Byzantinisches Reich) bis Werl, München ; Zürich : Artemis, 1997, Spalte 21- 22

Spalte 21: „Stadtherrl. Rechte sind einmal aus den → Regalien abgeleitete Rechte (Kaufmannsrecht, Marktrecht, Münze, bann, Zoll, Befestigungsrecht), weiter Rechte, die sich aus dem Erbe und Eigen des S.n ergeben (Grundbesitzrechte), und allg. landesherrl. Rechte (Gerichtsrechte, Steuerrechte, Willkürrechte, Nutzungsrechte), bes. auch dem Recht, der Verpfändung im Ganzen oder einzelner Rechte. Die Übertragung erfolgt im Weg der Privilegierung, wodurch im Gegenzug die Stadt zu Huldigung, Heerfolge, Rat und Tat sowie Steuerzahlung verpflichtet ist.“

Stadtherrl. = Stadtherrliche
S.n = Stadtherrn
allg. landesherrl. = allgemeine landesherrliche
bes. = besonders

Peter-Johannes Schuler, Steuer, -wesen. In: Lexikon des Mittelalters. Band 8: Stadt (Byzantinisches Reich) bis Werl, München ; Zürich : Artemis, 1997, Spalte 142 - 146


Cherry1777 
Beitragsersteller
 10.01.2014, 13:32

Oh danke!!!! Sie haben mir sehr geholfen!

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Albrecht  10.01.2014, 00:15

2) Gründe für Geldausgabe

Stadtherren konnten z. B. Geld für die Bezahlung von Waren und Dienstleistungen für sich, ihre Familie, den Hof, für Ausrüstung benötigen. Für Verwaltung und Gerichtsbarkeit konnte ein wenig erforderlich sein. Bauten konnten etwas kosten. Geld konnte für militärische Zwecke erforderlich sein (insbesondere bei Kriegen), z. B. für Söldnertruppen (zusätzlich zu Kämpfern, die nach dem Lehnswesen Heeresfolge leisteten.

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Denk mal nach: Wozu braucht unsere heutige Regierung das Geld und woher bekommt sie es? Ist ganz einfach. Und im Mittelalter war es im Großen und Ganzen nicht anders.