Welche Eigenschaften sollte man als Psychotherapeut (nicht) mitbringen?

7 Antworten

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Das mit dem Selbstbewusstsein ist jetzt kein Ausscheidekriterium, denn das braucht man ja im Prinzip für jeden Beruf und fürs ganze Leben. Außerdem redest du jetzt vom privaten Bereich. Im Beruf aber hast du eine Rolle inne, und in der bist du dann selbstbewusst, wenn du Ahnung davon hast, darum ist das richtig, dass sich das beim Studium entscheidet.

Stells dir so vor, dass der schüchternste Junge extrem gut Schach spielen kann, dann wird er bei einem Schachspiel eine ganz andere Rolle einnehmen und sehr selbstbewusst seinen Job machen/ spielen. Je besser ausgebildet, desto selbstsicherer im Job.

Es gibt ein absolutes No-Go-Kriterium für Psychologen: Wenn du jmd. bist, der sehr emotional ist und unter dem Leid anderer selbst leidest, also dich leicht zu einer depressiven Weltbetrachtung hinreißen lässt dann ist der Psychologe natürlich der falscheste Beruf. So wie ein Arzt, der kein Blut sehen kann. Du solltest also selbst sehr stabil sein, den Feinschliff und bestimmte Techniken zum Selbstschutz lernst du dann noch im Studium (hoffentlich), aber eine gewisse Eigenstabilität solltest du mitbringen. Auch halte ich nichts von zu hohen Erwartungen, dass du jedem helfen können wirst. Das haut auch den ein oder anderen aus der Bahn, denn häufig liegt es völlig außerhalb deiner Macht gewisse Dinge zu verändern. Charaktere, die also so einen Beruf ausüben wollen, weil sie auf das sog. Helpers High aus sind, werden herbe Enttäuschungen erleben und evlt. selbst in eine Krise geraten.

Prinzipiell ist das ein sehr interessanter Beruf, der aber auch sehr akribisch ist und bei dem man selbst psychisch stabil sein sollte. Das fühlt man in der Regel. So wie man weiß, ob man ein Polizist werden könnte. Ich könnte das nicht. ^^


Nanashi95 
Beitragsersteller
 26.04.2012, 17:32

Danke für die Antwort :) Dass man in seinem Beruf 'ne andere Rolle einnimmt, macht irgendwie... Sinn. Das beruhigt mich ein bisschen. Und ja, du hast wohl Recht - in jedem Beruf wäre es wohl besser, ich wäre selbstbewusster. ._. was mich beim Psychotherapeuten nur abgeschreckt hat, ist wohl, dass mir der "Kundenkontakt" da so.. persönlich vorkommt. Aber wahrscheinlich stimmt das gar nicht wirklich, wenn man, wie du ja gesagt hast, Privates und Berufliches trennt.

Ich denke, eine stabile Psyche kommt bei mir schon irgendwie hin... mein Problem könnten höchstens noch zu hohe Erwartungen werden. Ich bin.. perfektionistisch. xD

Vielen Dank nochmal~

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Hm, das ist wohl wirklich schwer zu beantworten. In Gesprächen nicht richtig zu reagieren ist eher das geringere Problem, denke ich, denn darum geht es nicht. Die Gesprächsführung, das kannst du lernen, denn im Grunde die Therapie, die führt der Patient ja an sich selbst durch. Wie du ihn dahin bringen kannst, das wird gelehrt. Man muss kein "Partylöwe" sein ;-) Deinen Charakter musst du dann auch nicht wirklich überwinden, denn es geht nicht um dich und deinen Charakter, sondern man wartet ab, was der Patient einbringt.

Der Job nimmt einen mit Sicherheit mit und sich abzugrenzen, das muss man wohl erst lernen. Man darf es nicht zu nah an sich ranlassen, dann hat man die Distanz nicht mehr, um gut therapieren zu können. Und natürlich, um sich selbst zu schützen darf man es nicht zu nah ranlassen. Und man hört wirklich schlimme Schicksale. Das dicke Fell, das brauchst du nicht mitzubringen, das musst du dir dann zulegen.

Was denke ich vorteilhaft sein könnte: wenn du ein gutes Gespür hast für Menschen, also auch die Schwingungen zwischen den Worten auffangen kannst. Wenn du z.B. Angst spürst, Dinge eben, die sich in kleinen Gesten, Gerüchen oder sonstwas ausdrücken, die man bewusst gar nicht wahrnimmt. Fürs Studium wurde mir berichtet, braucht man viel Mathe. Und du musst dir im Klaren sein, dass es ein langer Weg zum Therapeuten ist. Erst Psychologiestudium und hinterher noch die Therapeutenausbildung.

Raten kann ich dir nichts. Es ist sicherlich ein hochinteressanter Job. Aber die meisten Psychologen, die ich kenne, sind recht merkwürdig. Ich weiß nicht, ob sie das schon immer waren oder durch den Beruf so wurden. Eine Bekannte von mir hatte angefangen Psychologie zu studieren, das war immer ihr Traumberuf. Sie hat das Studium abgebrochen, weil sie die Kommilitonen nicht ertragen hat. 90 % oder mehr, so sagte sie, studieren das bewusst oder unbewusst, um sich selbst zu therapieren.

Ich weiß nicht, ob mein Aufsatz dir helfen konnte, ich fürchte nicht ;-) Das sind einfach meine Erfahrungen und Gedanken über und mit Psychologen. Ich will dir weder zu- noch abraten. ich denke, es ist gut, wenn man das NICHT aus dem Grund studiert, weil man selbst psychische Probleme hat.


Nanashi95 
Beitragsersteller
 26.04.2012, 17:38

Dochdoch, dein "Aufsatz" hat mir schon geholfen. Jedenfalls hat es mir Mut gemacht, zu lesen, dass ich vielleicht nicht soo ungeeignet bin, wie ich immer denke. Und, ja, dass die Ausbildung usw lange dauert, weiß ich, finde ich vielleicht nicht unbedingt gut, aber - ... ich muss es mir ja auch nicht zu einfach machen.

Mir hat auch mal ein Psychotherapeut (mit dem ich 'ne Zugfahrt über in einem Abteil saß ^^) erzählt, dass viele Leute, die er kennt, das Studium angefangen haben, weil sie selbst psychische Probleme haben - die man irgendwo ja sowieso bei jedem Menschen feststellen könnte. Ich glaube, man sollte schon bereit sein, sich selbst zu analysieren und sich sozusagen mal auf den Grund zu gehen. Aber das eigentliche Ziel sollte das wohl nicht sein, da hast du recht.

Danke für die ausführliche Antwort :3 LG!

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Nach dem Psychologiestudium ist man noch kein Psychotherapeut. Dazu musst du erst eine Weiterbildung anstreben. Du hast also während des Studiums noch genug Zeit um dir zu überlegen, ob es was für dich ist.

Wenn du ein gutes Einfühlungsvermögen hast, brauchst du dir eigentlich keine Gedanken zu machen, ob du richtig reagierst.

Allerdings brauchst du auch ein stabiles Selbstbewusstsein und die nötige Distanz, um dich durch die Probleme deiner Patienten nicht herunterziehen zu lassen, aber auch, um gelassen zu reagieren, wenn ein Patient aggressiv wird (damit meine ich verbale Aggressivität). Manche werfen dem Therapeuten vor, was sie eigentlich ihrer Mutter/ihrem Vater vorwerfen wollten, sich aber nie zu sagen trauten. So etwas solltest du dann nie persönlich nehmen.

Die Voraussetzungen sind umso ungünstiger, je mehr Du mit eigenen psychischen Problemen vorbelastet bist. Da kann das Psychologiestudium zur belastenden Nabelschau führen.