Was sind typische Merkmale eines Trakl-Gedichtes?
Wir schreiben bald eine Deutschklausur über ein Trakl-Gedicht. Eine Aufgabe(da bin ich mir ziemlich sicher) wird sein "Wieso ist dieses Gedicht typisch für Trakl". Mein Problem ist, dass ich seine Gedichte ,egal wie sehr ich es auch versuche, nicht verstehe. Kennt ihr vielleicht Merkmale, die in vielen seiner Gedichten vorkommen oder vielleicht seinen Schreibstil oder Ähnliches. Ich muss begründen können, weshalb gerade dieses Gedicht von Trakl stammt(Inhaltlich und formell also Schreibstil).
1 Antwort
Einiges steht schon in meiner ersten Antwort.
Dass du diese Gedichte nicht verstehst, ist völlig normal: sie sind einfach nicht geschrieben worden, um verstanden zu werden.
Sie sollen auch den Eindruck vermitteln, dass Leben unverständlich ist. Diese Einsicht findet man zu dieser Zeit auch bei Schnitzler, Hofmannstahl und anderen.
Merkmale:
Die Wiederholung einfacher Wörter und Farben (blau kommt in jedem zweiten Gedicht vor, weiss kommt Auch häufig vor).
Die Parataxe (unverbundenes Nebeneinander, das jede rationale Beziehung ausspart).
Typisches Beispiel:
"Der Acker leuchtet weiß und kalt.
Der Himmel ist einsam und ungeheuer.
Dohlen kreisen über dem Weiher
Und Jäger steigen nieder vom Wald.
Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.
Ein Feuerschein huscht aus den Hütten."
(Aus: Im Winter)
Du sieht, dass die Syntax da auch äusserst einfach ist - im Gegensatz etwa zu Rilke.
Bestimmte Wörter findet man nur bei ihm (und Hölderlin, dem romantischen Dichter, der ihn eindeutig beeinflusst hat), vor allem weibliche Formen wie:
die Fremdlingin
die Mönchin
Der Duktus von Trakls Dichtung ist schon deutlich erkennbar: die meisten Verse "gleiten", der Rhythmus ist gleichmäßig, fast "hypnotisierend"; das ist bei Georg Heym zB ganz anders.
Das ist eben das Schwierige! Ich habe heute abend keine Zeit mehr, das zu erklären, ich versuche, das morgen zu machen.
Und du hast schon Recht, das Biographische nützt hier nichts, ist eher irreführend.
Hier wie angekündigt einige weitere Ideen:
Verstehen heisst, eine Aussageauf ihre Intention, ein Erlebnis auf seine Erklärungsmöglichkeitzurückzuführen. Dabei handeln wir bewusst und vergessen gern, dass auch dasBewusste seine Regeln hat: wir wollen etwas Kohärentes erreichen, was wir auchverstehen können. Die Folge ist, dass die Regeln des Verstehens einen circulusvitiosus in Gang bringen: wir verstehen nur, was wir verstehen können, undgeben das aber für eine Wahrheit aus. Nietzsche hat deutlich erkannt, dass wirKohärenz in die Phänomene hineinbringen und dann diese Phänomene als kohärenthinnehmen. Das wirkt ja beruhigend.
Trakl will mit dieser Logikbrechen, er will nicht beruhigen. Für ihn hat das Leben keinen Sinn, den wirerschließen könnten. Es ist eben « jene Komödie, die wirspielen, sonder Verstehen ».
Es gibt immer einen Rest, der nieaufgeht. Das Leben wird nicht verstanden, es geht nicht darum, es literarischoder gar lyrisch zu beschreiben, sondern sprachlich eine Welt zu gestalten, diemehr über das Leben sagt, als wir über das Leben sagen könnten. Auf dieses Mehr(das viele als ein Weniger empfinden), auf dieses Nimmer-Verstehen-Können kommtes an.
Heidegger schreibt über Trakl: „Alles Sagen in den Dichtungen Georg Trakls bleibt auf den wanderndenFremdling versammelt.“ Man kannsich vorstellen, dass wir alle dieser „wandernde Fremdling“ sind, der durch dasLeben wandert, es aber nie wirklich erwandert.
BeimDeuten müssen wir also zugleich sehr bescheiden sein (wie wissen, dass wir zukeinem „fertigen“ Ergebnis kommen) und den Mut haben, Trakl auf seinerpoetischen Wanderung zu folgen und dabei seiner Logik zu folgen, die zu keinemZiel hinführt. Die Deutung bleibt arabeskenhaft, mit immer neuen Anfängen.Nicht die gängige Bedeutung der Wörter und Bilder ist zu berücksichtigen, sonderndie Bedeutung(en), die sich aus der ständigen In-Beziehung-Setzung im Gedichtund im Werk ergibt bzw. ergeben. Klang ist dabei wichtiger als Sinn.
Beispiel:„hallen“ und „hell“ (was sich auch etymologisch belegen lässt). Demgegenüberist das „Tönen“ meistens „dunkel“ (Synästesie).
Traklist bestimmt der Dichter, der dieses relationale Prinzip am weitesten getrieben hat.
WeitereMerkmale :
- DieVerschiebung des Artikels (der bestimmte Artikel wird erwartet, es kommt aberder unbetimmte), der Einsatz des Neutrums, nicht mehr als leeres Pathos wie etwa bei Werfel,sondern als Chiffre für die Nicht-Beherrschbarkeit der Sinnzuweisung(-gebung) : « Es ist die Seele ein Fremdes aud Erden »,« Grünendes » (Frühling der Seele).
- Verschiebung, jaVerzerrung alter Metaphorik als In-Frage-Stellung der überlieferten Sinnschematas (Die Bauern).
- Gerade weil derRhythmus meistens gleitend ist, sind Brüche immer bedeutend:
„Unter verschnittenen Weiden, wo braune Kinder spielen
Und Blätter treiben, tönen Trompeten. Ein Kirchhofsschauer.“ (Trompeten)
Das war wirklich sehr hilfreich. Jetzt verstehe ich wenigstens, was er uns ungefähr sagen wollte.
Nochmal vielen Dank für Ihre Hilfe.
Inwiefern ist jetzt der Rhythmus klar erkennbar, weil ich kann da irgendwie keinen Rhythmus feststellen ?
Der Rhythmus ist eben gleitend, gleichmäßig, daher quasi "hypnotisch" wirkend.
Es gibt natürlich Gedichte, in denen das nicht der Fall ist, weil das Thema es nicht zulässt, ich denke da etwa an Grodek.
Ich hätte noch eine letzte Frage.
Sie haben ja oben geschrieben, dass das Gedicht extra so unverständlich geschrieben sei, aber wie soll ich das Gedicht dann deuten? Ich kenne Trakls Lebenslauf(Drogensucht, Inzestuöse Beziehung mit Margarethe, Sanitäter beim Krieg....)aber dieser nützt mir ja in dem Fall nichts.