Was ist eine formale Lösung in der Mathematik?
1 Antwort
Eine formale Lösung verwendet nahezu (oder wenn man nur mit Mitteln der formalen Logik arbeitet sogar gar) keine Prosatexte.
Beispiel (Prosa): Man erhält die Ableitung eines Polynoms, in dem man für jeden Summanden des Polynoms den Koeffizienten mit dem zugehörigen Exponenten multipliziert und den Exponenten um eins vermindert. Der Koeffizient ohne x wird gestrichen.
ergibt Formal: (a_nx^n + ... + a_1x + a_0)' = na_nx^(n-1) + ... + a_1
Tatsächlich sind die meisten Ausführungen in den üblichen Mathematiklehrbüchern (auch wenn viele Mathematiker jetzt aufschreien werden) lediglich teilformal. Dies liegt daran, dass die verwendeten logischen Schlußfolgerungen ("daraus folgt", "dies ist äquivalent mit", "somit erhält man" etc.etc.) "naiv" im Sinne von einem gemeinsamen mathematischen Konsens verwendet werden.
Einen wirklich formalen Aufbau der Mathematik kann man theoretisch mit Hilfe der Prädikatenlogik
https://de.wikipedia.org/wiki/Prädikatenlogik_erster_Stufe
erhalten. Mit dieser läßt sich nämlich die von der Mathematik meist auch nur "naiv" verwendete Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre mit Auswahlaxiom (ZFC) formal konstruieren. Daraus wiederum lassen sich die meisten mathematischen Folgekonstrukte, insbesondere die Analysis und die Algebra als grundlegende Basis der höheren Mathematik ableiten.
Zu starke Anforderungen an die Formalisierung darf man aber nicht haben. Es läßt sich zeigen (der berühmte Gödelsche Unvollständigkeitssatz), dass ein hinreichend starkes widerspruchsfreies formales System immer unbeweisbare Aussagen enthält.
Um einen komplett formalen Aufbau der Mathematik bemühte sich übrigens eine Gruppe vorwiegend französischer Mathematiker, die unter dem Pseudonym
https://de.wikipedia.org/wiki/Nicolas_Bourbaki
arbeiteten. Die Arbeit auf diesem Gebiet ist sicher sehr wertvoll und auch lehrreich, aber schlicht und ergreifend für den größten Teil selbst der Mathematikwelt (incl. mir) deutlich zu kompliziert. Mit der naiven Herangehensweise wurden weltweit hunderttausende Mathematiker erfolgreich heran gezogen, von denen die meisten durch die Lehrbücher von Bourbaki dermaßen abgeschreckt worden wären, dass sie ihr Studium nie beendet hätten :-).