1 Antwort

Die Sache ist etwas kompliziert. Maurice Höfge vertritt eine tendenziell neue ökonomische Schule, die klassische Paradigmen wie es früher auch Keynes tat, aufbricht. Maurice Höfge hat mit sehr vielem sicherlich (und nachweislich) Recht - zumindest beruhen seine Aussagen entweder auf Empirie oder auf einer gewissen dialektischen Logik. Das die klassische Ökonomie starke Widersprüche hat, steht aber absolut außer Frage.

Nun meine persönliche Meinung als Marxist - die aktuelle Ökonomie ist eher als Rationalisierungsprozess der Herrschenden Klasse zu verstehen - praktisch zur Machtlegitimation.

Das gilt natürlich nicht grundsätzlich - das ist mit Sicherheit auch mittlerweile kein Vorsatz mehr. Die ökonomische Wissenschaft ist ja mittlerweile recht divers - es lässt sich aber eben ganz gut verbinden.

Im Feudalismus herrschte der König/Kaiser oder Lehensherr durch Gottes Gnade - es gab praktisch eine gottgegebene natürliche Ordnung. Aber Gott starb - mit ihm aber nicht der Glaube an eine "natürliche Ordnung". - daher ist nun Rationalisierung zum Machterhalt unentbehrlich. Du musst praktisch immer wieder aufs Neue rechtfertigen, weshalb es nötig ist, dass sich Leute den Mehrwert aneignen, den anderen erzeugen. Weshalb für uns als Kunden immer mehr Produkt mittlerweile mehr Plage als Bereicherung sind.


Eromzak  30.03.2025, 19:27

Ein Marxist der von was eine Ahnung hat. Meinen größten Respekt, das deine bubble voll mit hängengeblieben ist ist auch Fakt ich will dir das persönlich nicht zu nahe treten.

Meine eigentliche Frage, Verkauf mir Mal Marxismus als eine realistische Lösung für unser System. Also wie sieht's du das?

Fgnklk  31.03.2025, 04:02
@Eromzak

Ich soll dir Marxismus verkaufen? Wieweit darf ich dafür in historische Analysen abschweifen? Ich machs einfach mal - vielleicht ist das eine interessante Perspektive für dich.

Erstmal gibt es eine Trennung - es gibt einmal den Marxismus als politische Ideologie - und anderseits den Marxismus als wissenschaftliche Methodik, die breite Anerkennung und Anwendung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft gefunden hat.

Ich beziehe mich auf den Marxismus als eine wissenschaftliche Methodik - ich stelle auch noch einige ideologische Konzepte des historischen Marxismus vor - und erkläre dann, weshalb sie zum Ersten "menschenfeindlich" - als auch schlichtweg falsch sind.

Was tut der Marxismus als Methodik -

Der Marxismus analysiert die Machtverhältnisse einer Gesellschaft aufgrundlage der (strukturellen) materiellen Besitzverhältnisse, die in einer Gesellschaft vorherrschen.

Besitzverhältnisse verschaffen einem gewisse Macht (natürlich in unserer rechtsstaatlichen Demokratie nicht mehr uneingeschränkt) - ich denke da wirst du mir zustimmen

Macht wollen sie und zuerst das Brecheisen der Macht, viel Geld, — diese Unvermögenden!
- Friedrich Nietzsche

Der Marxismus entstanden im 19. Jahrhundert - in einer Zeit, in der es noch völlig normal war, dass der Arbeitgeber noch darüber bestimmt hat, wen du z.B. heiraten darfst. Er hat sich damals allgemein in jeden Winkel deines Privatlebens integriert. Einer Zeit in der es völlig normal war, dass Arbeiter ans Fließband gekettet und ausgepeitscht werden konnten. Die damaligen Feudalstaaten (Kaiserreich mit einer protestantischen/preußischen Arbeitsethik) gaben "dem Kapital" (Eliten sind niemals Homogen, sondern immer systemtisch) viele Freiheiten, die zu einer massiven Verelendung der Arbeiterschicht geführt hatten. Diese Zustände brauchen aber mit dem 20. Jahrhundert auf - die Sozialisten der Arbeiterbewegung und der SPD schafften es (mit der Beihilfe anderer historischer Bewegungen) in Deutschland einen Umwandlungsprozess des Kapitalismus zu vollbringen - man konnte so viel gesellschaftliche organisierte Opposition aufbauen, dass aus dem Manchester-Kapitalismus des 19. Jahrhunderts zunehmend ein "bürgerlicher Kapitalismus" im 20. Jahrhundert wurde. Die Vorstellung war es den Kapitalismus durch Demokratisierung (Genossenschaften) und eine gesicherte Teilhabe am Diskurs über Arbeitsbedingungen durch organisierte Arbeiterbewegungen (Gewerkschaften) zu schaffen, in dem die Arbeiter ihre unabhängige Interessensvertretungen gründen konnten.

Der historische Marxismus hat damit in der Regel gebrochen - Führer wie Lenin, Mao oder Stalin vertraten den Staatskapitalismus - man wollte die Erzählungen, die über den Marxismus so erzählt wurden, nutzen. Ganz konkrete Beispiele - Mao hat Marx z.B. nie gelesen - "Das Kapital" war zu diesem Zeitpunkt (1949) noch garnicht ins Chinesische übersetzt worden. Man erfand sich dort seinen eigenen Mythos. Lenin hingegen hat Marx stellenweise gelesen und "neu" interpretiert - mit vielen seiner Werke begründete er die Sowjetunion, die von bolschewistischen Prinzipien angetrieben war.

Dieser Bolschewismus ist in seinem ideologischen Kern aufgebaut wie eine Verschwörungstheorie. Und das eigentliche Ziel der Bolschewiki war nicht die Gründung eines sozialistischen Staates, sondern die Modernisierung und Industrialisierung des eigenen Landes, um gegenüber den großen Industrienationen aufzuholen. Diese Erzählung war also weniger Folge elitärer Überzeugungen, als mehr die Folge geopolitischer Entwicklungen und Notwendigkeiten - Die Sowjetunion zerbrach, wie jede Diktatur, daran, dass die Diktatur als Herrschaftskonzept unüberwindbare Widersprüche hat. Deshalb konnten sich die demokratisierten kapitalistisch-bürgerlichen Staaten auch gegenüber der Sowjetunion - die langfristig absolute Knechtschaft bedeutet hätte, durchsetzen.

Dieser konkurrierende Staatenblock hat auch unserer Transformation hin zu einer sozialen Marktwirtschaft gut getan. Die Erzählungen ist praktisch - den nationalen Kapitaleliten war völlig klar, dass "ihr" Kapitalismus zu einem demokratischen Mischsystem transformiert werden muss, was den Kapitalismus wiedereinmal historisch erfolgreicher machte.

Als demokratische Sozialistin stehe ich für einen weiteren Demokratisierungsprozess der sozialen Marktwirtschaft ein, Ziel ist mehr Demokratisierungsprozesse und mehr Mitbestimmung durch Arbeiter.

Ein konkretes Beispiel wäre die Mondragon Corporation (Spanien): mit 80.000 Mitgliedern/Mitarbeitern, die alles mögliche hergestellt. Von Medikamenten, bis hin zu hochspezialisierten Teilen der AutomobilIndustrie.

Das Konzept ist recht einfach - jeder Mitarbeiter kauft einen Genossenschaftsanteil als Einlage (ca. 15.000€, die über die eigene Bank zu guten Konditionen auch finanziert werden kann)(Wenn der Mitarbeiter die Genossenschaft übrigens verlassen möchte, entnimmt er diese Einlage anschließend wieder + Wertsteigerung).

Fgnklk  31.03.2025, 04:06
@Eromzak

Jeder Mitarbeiter kann auch nur einen Anteil und damit 1. Stimmrecht erwerben (du kennst das vielleicht von Wohnungsbaugenossenschaften) . Mit diesem Stimmrecht kann er an internen Wählen teilnehmen. Damit wird dann z.B. das Management, aus den jeweiligen Bereichen, gewählt.

Diese Unternehmensart hat viele Vorteile. Im Prinzip gelten für diese Unternehmen alle Vor-und Nachteile, die Demokratien (wie z.B. auf staatlicher Ebene) immer mit sich bringen. Bessere (gerade langfristige) Entscheidungsfindung - längere Dauer. Insgesamt sind viele dieser Genossenschaften recht unbürokratisch und insgesamt ziemlich pragmatisch, was zu vielen Erfolgen der letzten Jahrzehnte geführt hat.

Beide Modelle(Hierarchische Privatunternehmen und demokratisierte Betriebe) können in ihren jeweiligen Kontexten sehr erfolgreich sein, wobei demokratische Unternehmen oft in Bereichen wie Mitarbeiterzufriedenheit und nachhaltigem Wachstum herausstechen, während hierarchische Unternehmen in Effizienz und Skalierbarkeit oft überlegen sind.