Was bedeutet "Formeltradition" in der Theologie?
Hallo, ich lerne momentan für meine Abiturprüfung in Religion und stoße immer wieder auf den Begriff der "Formeltradition", vor allem im Kontext mit Paulus Osterbekenntnis. Leider sind die Erklärungen im Internet wenig hilfreich, da diese, zumindest meines Erachtens, sehr kompliziert und komplex sind. Kann mir jemand den Begriff, als auch den Zusammenhang mit Paulus Osterbekenntnis erklären? Anscheinend spielt der Unterschied zwischen Auferstehung und Auferweckung eine gewisse Rolle in diesem Kontext.
Vielen Dank im Voraus.
Grüße Maxui
1 Antwort
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Der Begriff an sich bedeutet, dass es in frühchristlicher Zeit zu (hebräischen/aramäischen) Formulierungen von liturgischen-, Gebets- und Bekenntnisformeln kam, die sich in verschiedenen NT-Texten finden lassen bzw. auf deren mündliche Überlieferung die Schreiber zurückgriffen und die uns Einblick in die Anfangsphase des Christentums geben. zB "dass Jesus der Christus ist."
Anscheinend spielt der Unterschied zwischen Auferstehung und Auferweckung eine gewisse Rolle in diesem Kontext.
Der Unterschied ist, dass die "Auferweckung" eindeutig passiv ist, Jesus wurde auferweckt. Die Auferstehung ist dagegen (eher) aktiv, Jesus ist auferstanden. Fraglich ist aber, inwiefern dies für die erste Generation eine Rolle spielte, ob sich da zwei konkurrierende Sichtweisen entwickelten oder ob dieser Unterschied erst später aufgefallen ist. In der ältesten überlieferten Schrift der Christenheit zB finden wir beides: "auferweckt" in 1Thess 1,10 und "auferstanden" in 4,14.
Mehr Beispiele findest Du hier unter 3.4 und 3.7
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Was genau versteht man denn unter diesen "Formeln"? Sind das einfachte Texte oder gibt es da nochmal einen Unterschied?
Es sind meistens ganz einfache, kurze Aussagen, die bestimmte Glaubensinhalte übermitteln. "Jesus ist Herr" oder "Jesus ist der Messias" usw. Vielen merkt man, dass sie ursprünglich hebräisch/aramäisch formuliert sind, manche sind sogar aramäisch überliefert, zB in 1Kor 16,22 "Maranatha" (Unser Herr, komm!).
Aber es gibt auch längere Formeltraditionen, zB die zum Abendmahl in 1Kor 11.
In dieser Musterlösung stand hinter diesem Punkt in Klammern "Formeltradition". Bedeutet dies, dass Paulus sich auf diese frühchristlichen Formulierungen berufen hat oder wie lässt sich der Zusammenhang verstehen?
Ganz genau. Konkret fällt mir da der "Philipperhymnus" ein, wo Paulus einen liturgischen Text eben zitiert, in dem dann u.a. von der Erhöhung Jesu die Rede ist, er also nicht ins Leben zurück kam.
Vielen Dank für die Antwort. Was genau versteht man denn unter diesen "Formeln"? Sind das einfachte Texte oder gibt es da nochmal einen Unterschied? In der Musterlösung einer alten Klausur von mir wurde erklärt, dass Paulus die Auferstehung Jesu nicht als Wiederaufnahme einer irdischen Existenz sondern als etwas radikal verwandeltes betrachtete. In dieser Musterlösung stand hinter diesem Punkt in Klammern "Formeltradition". Bedeutet dies, dass Paulus sich auf diese frühchristlichen Formulierungen berufen hat oder wie lässt sich der Zusammenhang verstehen?