Warum sprengt frierendes Wasser Gestein und andere Materialien?

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Hallo,

die Antwort ist nicht trivial, ich möchte es hier aber versuchen: Das Wasser versucht wie jedes thermodynamische System auch, seine freie Enthalpie G = U + pV -TS zu minimieren. U: innere Energie (in erster Näherung proportional zur Temperatur) p: Druck V: Volumen T: Temperatur S: Entropie

Beim Übergang von flüssig zu fest (das Wasser gefriert) ändert sich die Kristallstrukur zum Eis (Phasenübergang), da der Gewinn durch den Termin -TS größer ist als durch eine Minimierung von U. Anders ausgedrückt: Bei einer Temperatur von 0 Grad schneiden sich die Funktionen U für beide Zustände fest und flüssig: Bei Temperaturen oberhalb von 0 Grad ist U für den flüssigen Zustand kleiner, ist die Temperatur aber kleiner als 0 Grad, gewinnt U für den festen Zustand (Eis). Der so motivierte Phasenübergang geht einer Umordnung der Moleküle einher, welche Energie während des Gefrierens freisetzt. Diese beträgt 334 kJ/kg Wasser. Frei formuliert: Die Moleküle rücken während des Gefrierens zusammen und dies bringt Energie. Diese war vorher als potenzielle Energie der intermolekularen Anziehung der Wassermoleküle gespeichert. Moleküle rücken zusammen -> potenzielle Energie der Anziehungskräfte verringert sich -> diese Energie wird frei -> Gestein wird gesprengt. Den Fehler, welchen viele begehen, lautet: Ein thermodynamisches System nimmt immer den Zustand der günstigsten Energie an. Dies ist falsch! Ein System nimmt den Zustand der günstigsten freien Enthalpie G (Definition siehe oben) an. ZUsätzlich habe ich ein Bild angefügt, welches die freie Enthalpie G als Funktion der Temperatur für verschiedene Aggregatzustände zeigt. Dort, wo sich zwei Kurven schneiden, findet ein Phasenübergang statt (fest->flüssig oder flüssig->gasförmig).

Viele Grüße Peter


nicki10a  22.05.2010, 10:38

lks hat mal wieder Recht. In dieser Erklärung wird behauptet, Wassermoleküle würden beim Gefrieren zusammenrücken. Damit ist sie leider die einzige wirklich falsche Antwort (bisher), auch wenn sie auf den ersten Blick am professionellsten aussieht.

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lks72  21.05.2010, 22:12

Du beschreibst mit Sätzen wie "Die Moleküle rücken beim Gefrieren zusammen..." und "Energie wird frei" den Vorgang des Gefrierens einer Flüssigkeit, die keiner Dichteanomalie unterliegt. Genau bei diesen Flüssigkeiten würde aber das Gestein nicht gesprengt werden. Wasser unterliegt aber gerade einer Dichteanomalie, hier ist der Grund für das Sprengen des Felsens zu suchen, nicht in der der Tatsache, das beim Gefrieren die Schmelzwärme frei wird, dies ist nämlich wie gesagt bei allen Flüssigkeiten so und führt bei den meisten von ihnen eben gerade nicht zur Zerstörung des Felsens.
Flüssiges Wasser hat wesentlich mehr Entropie als festes Wasser. Beim Gefrieren wird diese Entropie frei. Zusammen mit diesem Entropiestrom ist aber über die Temperatur ein bestimmter Energiestrom gekoppelt, der nun wegen der nicht zu vernichtenden Entropie an diese gebunden ist und gerade nicht für mechanische Arbeit verwendet werden kann.

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DesWurzelsZweig 
Beitragsersteller
 21.05.2010, 15:02

Hallo Peter!

Ich entdecke zwar das Bild nicht, das du angekündigt hast^^ und musste mich beim Lesen deines Textes auch echt zusammenreißen (ich werde den Vorgang solange wiederholen, bis der Inhalt vollständig durchdrungen in meinem Kopf angelangt ist.:-)), aber dennoch gebührt dir mein Dank für deine Mühe, diese aufwendige Erklärung zu schreiben! Dafür bekommst du von mir die Auszeichnung.

Viele Grüße zurück vom Fragensteller:-)

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Hallo, die genaue Antwort weiss ich auch nicht aber ich habe mal ein paar Chemie-Bücher gewälzt, da ich die Frage interessant finde. Folgendes habe ich gefunden: "Beim Gefrieren dehnt sich Wasser um 9% aus." Riedel:Anorganische Chemie, de Gruyter, 1999 "Eines der Hauptunterschiede von Wasser zu anderen Stoffen ist der Verlauf der Dichtekurve. Im flüssigen Zustand hat Wasser die größte Dichte bei einer Temperatur von +4°C. Unterhalb nimmt die Dicht wiederum ab und das Volumen das flüssigen Wassers demnach zu. Auch diese Eigenart resultiert aus dem molekularen Aufbau des Wassers. Temperaturabnahme ist gleichzusetzen mit der Abnahme der Molekularbewegung. Unterhalb von +4°C ist diese Bewegung soweit zurückgegangen, dass sich die Wasserstoffbrücken regelmäßig ausbilden und die Einregelung der Moleküle in ein Gitterverbund erfolgt (Abb.5). Dieses Auskristallisieren, das mit dem Gefrierpunkt (0°C) seine Vollendung findet ruft eine Volumenzunahme hervor. Das Volumen des Eises verringert sich wiederum bei weiterem Temperaturrückgang."

Hier gefunden: http://www.wasser.de/aktuell/forum/index.pl?job=thema&tnr=100000000001563


DesWurzelsZweig 
Beitragsersteller
 21.05.2010, 08:53

Wow, vielen Dank für den Aufwand! Ich glaube, ich müsste mir mal so eine Dichtekurve vom Wasser in Abhängigkeit zur Temperatur ansehen^^. Die scheint ja hoch und runter zu gehen:-) Naja, heißt ja nicht umsonst "Anomalie" des Wassers...

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Denk Dir die beiden Zustände einzeln:

  1. flüssiges Wasser eingesperrt in einer Felsspalte (von oben ist sie schon zugefroren)

  2. das Wasser ist gefroren, hat sich dabei ausgedehnt und den Felsen gesprengt, weil das die einzige Möglichkeit war, sich auszudehnen.

Beim Übergang von Zustand 1 zu 2 wird von dem Wasser Energie abgegeben, die Schmelzwärme, die man umgekehrt zum Schmelzen des Eises wieder hinzufügen müsste.

Diese Energiemenge, die dem Wasser beim Abkühlen bzw, Gefrieren entzogen wird, wird also frei und kann dabei zum Beispiel die Ausdehnungsarbeit verrichten.

Ich hoffe, Deine Frage damit verständlich erklärt zu haben.

Vielleicht hilft dir folgende Überlegung. Du möchtest einen tonnenschweren Stein mit einem Seil vom Boden bewegen. Wieviel Kraft wird wohl benötigt.

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Wenn du einen Flaschenzug nimmst reichen ein paar wenige N aus.

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Wenn Wasser gefriert ist die Sprengwirkung enorm, aber die Energie sehr gering. Denn sobald Wasser Platz hat ist der Druck der vorher da war, nicht mehr vorhanden. Die Gefügeveränderung von Wasser zu Eis ist auf molekularer Ebene wie ein Flaschenzug. Da Wasser im Gegensatz zu Gasen nicht komprimierbar ist, lässt sich ein hoher Druck aufbauen, der aber sehr wenig Energie enthält.

ja das hat was mit der anomalie des wasser zu tun: -wasser dringt durch risse in den stein ein -die temperatur sinkt -wasser hat bei 4°C die größte dichte -wasser gefriert und ist somit im stein eingesperrt -das wasser dehnt sich aufgrund der anomalie aus -das wasser hat aber keinen platz um sich auszudehnen -der stein gibt nach und platz (oder bekommt zumindest risse) -das wasser kann sich in ruhe weiter ausdehnen