Warum hat der bayrische Löwe zwei Schweifspitzen?

2 Antworten

Der Bayerische Löwe leitet sich von dem Pfälzer Löwen her. Ein Angehöriger der Familie Wittelsbach, der mit Agnes von der Pfalz verlobt war, hat Anfang des 13. Jahrhunderts das Amts des Pfalzgrafen bei Rhein übertragen bekommen. Otto II. (1206 – 1253; »der Erlauchte«), Pfalzgraf bei Rhein (seit 1214; zunächst noch nicht selbständig), Herzog von Bayern seit 1231, hat den Pfälzer Löwen als Zeichen verwendet. Aufgrund eines Erbvertrages fielen Otto II. die Besitzungen und das Wappen mit weiß-blauen Rauten der Grafen von Bogen zu, als dieses Geschlecht mit dem Tod seines Stiefbruders, des Grafen Adalbert V. von Bogen im Mannesstamm ausgestorben war.

In der Mitte des 13. Jahrhunderts waren Löwe und Rauten auf dem Wappen der Wittelsbacher.

Nach links schauend ist der Löwe für eine Betrachtung auf das Wappen. In der Beschreibung der Heraldik gilt jedoch die Blickrichtung vom Wappen her/vom Ritter, der den Schild trägt, her und der Löwe ist daher heraldisch gesehen nach rechts gewendet. Diese Darstellung war in der Heraldik des Mittelalters bei Tieren im Profil und Halbprofil üblich.

Die zwei Schweifspitzen des Bayerischen Löwen sind eine Aufspaltung des Schwanzes. Es gibt auf Wappen auch noch weitergehende Löwenvarianten, die doppelschwänzig sind (Doppelschweif), so der Löwe als Wappentier der Könige von Böhmen (Böhmischer Löwe).

Die heraldische Darstellung des Löwen ist von einer Stilisierung geprägt, bei der kennzeichnende Merkmale hervorgehoben wurden. Dazu gehören Kopf, Pranken und Schwanz. Beim Schwanz ist eine Tendenz aufgetreten, ihn als Ornament darzustellen. Löwen waren im Mittelalter in Europa exotische Tiere (in der Antike hat es sie anfangs noch auf dem Balkan und in ein paar anderen Gebieten gegeben, aber sie wurden vom Menschen dort ausgerottet) und kaum jemand durch eigenen Anblick bekannt, was eine Abweichung von realitätsgetreuer Darstellung erleichtert haben mag. Formen haben sich manchmal in einer gewissen Eigengesetzlichkeit entwickelt, und beim Schwanz des Löwen hat sich allmählich der Zug ins Ornamentale verstärkt. Dies kann in Verbindung mit einer Neigung, auf einem Wappen nicht gerne viel leer zu lassen, sondern Leeres aufzufüllen, z. B. mit zusätzlicher Verzierung, das Entstehen einer Darstellung mit zwei Schweifspitzen erklären.

ein Abschnitt in einem Buch, der zu dem Thema interessant ist:

Cornelia Oelwein, Auf den Spuren des Löwen in Bayern. Dachau : Verlagsanstalt Bayerland, 2004, S. 12- 27 (Der Löwe im Wappen)

S. 12: „Die Wappen waren zunächst auf dem Schild des Ritters angebracht, als dem wichtigsten, weithin sichtbaren Verteidigungsmittel. Das ist auch der Grund, warum für eine Wappendarstellung stets eine Schildform gewählt wird, und die Tatsache, daß man Wappen heraldisch richtig immer aus dem Blickwinkel des Ritters, nicht des Betrachters beschreibt. Das heißt: der bayerische Löwe im Wappen (nicht als Wappenhalter, da kann er - weil meist symmetrisch angeordnet - jede Stellung einnehmen) ist zum Beispiel »rechts steigend«, obwohl er für den Betrachter als nach links gewendet erscheint.

Der Löwe kommt in unzähligen Wappen vor, am häufigsten in der rechtssteigenden Variante. Als Symbol der Oberherrschaft nahm er unbestritten den Vorrang unter allen Säugetieren ein. Bereits in vor heraldischer Zeit wurden Löwen als Symbol weltlicher Macht und Herrschaft in Siegel gesetzt.“

S. 14: „Ebenfalls zu Zeiten Ludwigs des Kelheimers ist der Löwe ins Wappen der Wittelsbacher »gesprungen«. 1229 wurde eine Urkunde Herzog Ottos II. mit einem Reitersiegel beglaubigt, und auf diesem Reitersiegel trägt Otto einen Schild mit Löwendarstellung am Arm. Dieses Wappen hängt sicher damit zusammen, daß Otto II. zu Lebzeiten seines Vaters, Ludwigs des Kelheimers, die Pfalzgrafschaft bei Rhein übertragen bekommen hatte, deren Herrschaft er nach dem Tod seines Schwiegervaters, des welfischen Pfalzgrafen Heinrich, im Jahr 1227 selbständig übernahm.“

Georg Scheibelreiter, Heraldik. Wien ; München : Oldenbourg, 2006 (Oldenbourg historische Hilfswissenschaften), S. 48:
„Im Profil oder Halbprofil erscheinen Tiere meist heraldisch rechts gewendet, was nicht angegeben werden muss; wenden sie sich jedoch nach heraldisch links, ist dies zu bemerken (linksgewendet).“

„Die heraldische Darstellung des Löwen entspricht nur ungefähr seiner natürlichen Gestalt. Die Stilisierung hat sich auch hier darauf beschränkt, charakteristische Merkmale, wie Kopf, Pranken und Schwanz hervorzuheben, den eigentlichen Körpers schmal zusammenzupressen.“

S. 49: „Der Löwe erscheint auf dem Schild grundsätzlich im Profil, aufrecht stehend, die beiden Tatzen und die rechte Hinteroranke ausgestreckt, den ganzen Körper auf der linken balancierend, der Schwanz parallel dazu emporstrebend: Er ist aufgerichtet oder steigend. Diese Position ist für den Wappenlöwen so charakteristisch, dass sie nicht besonders gemeldet werden muss. Andere Haltungen sind jedoch genau anzugeben;"


Albrecht  24.02.2014, 05:05

S. 49: „Der Schwanz erscheint s-förmig über den Rücken geschwungen.“

„Am Ende des 13. Jh. erschient eine andere Darstellungsvariante: Man beginnt Zunge und Klauen vom Fell abweichend zu tingieren. Dies hat sich […] nicht durchgesetzt und bleibt beim Löwen eher die Ausnahme. Häufiger ist eine Krone als Attribut. Der Schanz ist meist zum (blütenhaften) Ornament stilisiert, was bei der Verdoppelung der Schwanzspitze erst recht zum Ausdruck kommt.“

Georg Scheibelreiter, Wappenbild und Verwandtschaftsgeflecht : kultur- und mentalitätsgeschichtliche Forschungen zu Heraldik und Genealogie. Wien : Böhlau. München : Oldenbourg, 2009 (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband ; 53), S. 54:
„Es geht um die Frage nach der grundsätzlichen Art der bildlichen Stilisierung. Da die Herstellung der Wappen unter anderem das Ziel verfolgt, das Schildzeichen auf große Entfernung sichtbar zu machen, kam es von Anfang an zu einer Hervorhebung charakteristischer Merkmale der jeweiligen Tiere. Dazu zählt eine bestimmte Haltung, die Betonung von einzelnen Körperteilen, die bis zur Übertreibung geht und gelegentlich fast eine Eigengesetzlichkeit der Form erreicht. So sind etwa die Schwanzfedern des Adlers allmählich so aus dem gestaltlichen Zusammenhang heraus entwickelt worden, dass sie das Aussehen eines mit flatternden Bändern nach unten zugespitzten Blütendolchs bekamen. Der Schwanz des Löwen hingegen erhielt mehr und mehr ornamentalen Charakter.“

Anm. 47: „Dies führte im Zusammenhang mit dem bei Wappenschilden oft feststellbaren horror vacui zuletzt zum doppelschwänzigen Löwen, wie z. B. beim Wappentier der böhmischen Könige.“

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Die Wappen und Wappentiere gehen in der Regel auf das Mittelalter zurück. In dieser Zeit galt der Löwe als königliches, wildes Tier. Einen echten Löwen gesehen hatten jedoch die wenigsten, sondern man kannte ihn nur aus Erzählungen und Sagen. Da man sich wilde Bestien oft mit zwei Schwänzen vorstellte, bekam der Löwe als Wappentier manchmal zwei Schwänze. Der "doppelchwänzige Löwe" wurde damit zu einem beliebten Motiv in der Heraldik und ist es bist heute geblieben.

Der bayerische Löwe geht auf den Pfälzischen Löwen (Wappentier der Witteslbacher) zurück. Dieser schaut nach „links“. Allerdings beschreibt man die Seiten in der Heraldik immer mit Blickrichtung vom Wappen aus, daher müsste man eigentlich sagen, er blickt nach rechts.