Warum gibt es so viele unterschiedliche Schreibweisen für ukrainische Orte?
Z.B. für "Kiew": "Kiew", "Kyiv", "Kiev" oder für "Zaporizhzhia": "Zaporizhzhia", "Zaporizhye" oder ganz anders "Saporischschja"?
3 Antworten
Die kyrillische Schrift hat zwei Buchstaben für das, was im Deutschen das s leisten muß: Das stimmlose [s] (z.B. du hast) schreibt man mit dem Groß- und Kleinbuchstaben Сс und das stimmhafte [z] (z.B. der Hase) Зз — dieser Buchstabe ist mit unserem Zz historisch verwandt, und Zz dient in vielen europäischen Sprachen wie z.B. Englisch zum Schreiben von [z].
Ein Beispiel ist der Name des ukraïnischen Präsidenten: Зеленський Zelens’kyj [zeˈlɛnʲsʲkɪj] spricht sich mit stimmhaftem [z] aus. Im Deutschen kann man den Unterschied zwischen [s] und [z] am Wortanfang nicht wirklich wiedergeben, weil wir das Z ja anders [ts] aussprechen und S am Wortanfang für die Mehrzahl der Sprecher immer stimmhaft und für den Rest immer stimmlos ist. Also schreiben die Medien einfach Selenskyj; auf Englisch ist dagegen Zelenskyj oder Zelenskyy möglich und wirkt natürlicher. e nachdem, wer von wem abschreibt, bekommt man dann ein Chaos.
Ein anderes Problem sind die Doppelnamen. Die Hauptstadt heißt Київ Kyïv und wird [ˈkɪjiu] gesprochen. Der letzte Buchstabe Вв entspricht natürlich historisch unserem Bb, steht aber im kyrillischen Alphabet für [v]; im Ukraïnischen hat sich ein Вв am Wortende jedoch zu einem Vokal gewandelt und bildet einen Diphthong mit dem vorangehenden Vokal.
Bis zur Unabhängigkeit der Ukraïne dominierte dort aber nicht die ukraïnische, sondern die russische Sprache, und auf Russisch heißt die Stadt Киев Kiêv [ˈkʲijɪf]. Du siehst, daß das Вв auch hier nicht den erwarteten Lautwert [v] hat, sondern [f], weil es am Wortende steht, ähnlich wie im Deutschen Nerv [nεrf] aber enervieren [eneʁˈviːʁən). Außerdem wird der erwartete e-Laut in der zweiten Silbe zu [ɪ] abgeschwächt, weil er unbetont ist.
Wenn man diesen Namen in einem deutschen Text mit lateinischen Buchstaben wiedergeben will, muß man etliche Entscheidungen treffen:
- Will man sich an ukraïnisch Київ orientieren, dann hat man mehrere Möglichkeiten, wie man die schräge Aussprache [ˈkɪjiu] in verständliche Buchstaben gießt, z.B. Kijiu oder Kiïu (beides sieht allerdings eher wie ein Betriebsunfall aus). Oder man nimmt genauer ein Y für den ersten Vokal [ɪ] und ein I für den zweiten [i], was allerdings nur wenige Leute verstehen würden: Kyiu oder Kyïu. Wer ukraïnische Aussprache beim Leser voraussetzt, transliteriert einfach nur die Buchstaben: Kyïv. Beachte, daß das Y darin für den Vokal [ɪ] steht; das [j] zwischen den beiden Vokalen wird im Kyrillischen durch die beiden Punkte auf dem Vokalzeichen Її ausgedrückt, also sozusagen als Bestandteil des zweiten Vokals aufgefaßt.
- Andererseits ist vielen Deutschsprachigen der russische Name Киев noch aus Sovêtzeiten geläufiger. Der wurde traditionell im Deutschen als Kiew wiedergegeben, auch wenn Kijiv oder Kijif [ˈkʲijɪf] der Aussprache näherkommt.
- Wirf da noch den Mix aus Schreibweisen in anderen westlichen Sprachen, vor allem Englisch Kyiv, dazu, und Du hast ein ziemliche Chaos.
Mein Kompromißvorschlag: Kyrillisch schreiben, dann ist alles klar. ☺
Gut erklärt !
Noch komplizierter wird es wenn man berücksichtigt dass es im englischen wieder andere Aussprachen und damit Transcriptionen gibt.
Auch für deutsche Städte wie Munich Nuremberg Cologne gibt es unterschiedliche Schreibweisen.
Und nicht nur im englischen. Aachen liegt ei paar km von Belgien und den Niederlanden entfernt. Auf Wegweisern in Belgien steht Aix la Chapelle und in Holland Aken...
Ukrainisch und russisch sind zwei etwas unterschiedliche Sprachen, dazu kommt noch die unterschiedliche Schreibweise in der deutschen (Laut-)Sprache und der internationalen Transkription.
Viele dieser Städtenamen wurden in der Sowjetzeit russisch bezeichnet wie etwas Charkow oder Lwow (Lemberg), heute werden sie ukrainisch als Charkiw und Lwiw bezeichnet, in der Transkription des kyrillischen Харків kommt dabei Kharkiv heraus.
Die deutsche Sprache ist eigentlich für die Aussprache russischer bzw. ukrainischer Namen unendlich besser geeignet als die englische, weil sie weicher und lautnäher am Original ist. Für Russen und Ukrainer klingt natürlich auch unsere Aussprache wahrscheinlich schauderhaft.
Dafür bezeichnen sie Berlin als Bjerlin.
Besonders sprachfertige Russen sagen auch Chamburg dazu.
Sind teils unterschiedliche Sprachen. Hauptproblem ist, dass die Ukraine eine kyrillische Schrift hat. Interpretiert dann jeder anders.
Gamburg ist auch ein schönes Beispiel für "fast getroffen ist auch daneben und trotzdem richtig".