Warum darf die Hanafitische Rechtsschule keine Meeresfrüchte essen?

1 Antwort

Mein wertvoller Bruder,

Allah setzt nicht jeden auf der Welt gleich, denn jeder hat unterschiedliche Lebensstandards.

Die afrikanische Insel Sansibar profitiert von Ebbe und Flut, die zahlreiche Meerestiere zum Essen anbietet. Die Einwohner setzen ihre Netze bei Ebbe aus und sammeln sie bei Flut, wenn die Tiere daran hängen, wieder ein. Da sie kaum andere Nahrungsquellen haben, folgen alle Muslime auf der Insel der schafiitischen Rechtsschule.

Dies zeigt, dass Allah barmherzig ist und jedem das Leben so einfach wie möglich machen möchte. Deshalb gibt es verschiedene Rechtsschulen, die sich zwar in den Glaubensgrundsätzen einig sind, aber die Ausübung des Glaubens verschieden für jeden gestalten, damit man es einfach hat. Da die meisten hanafiten in den Städten leben haben sie mehr alternativen und die Meeresfrüchte sind daher nicht erlaubt.

Wenn du sagst:

Es kann nur eins richtig sein. Wie können verschiedene Bestimmungen der vier Rechtsschulen richtig sein?

Stell dir vor, Wasser wird für fünf unterschiedlich kranke Menschen verwendet, und jeder bekommt eine andere Anweisung bezüglich des Wassers, abhängig von seiner Krankheit. Für den einen ist das Wasser wie Medizin und daher essenziell (Vadjib – Pflicht). Für einen anderen ist das Wasser schädlich wie Gift und somit verboten (Haram). Für einen dritten ist das Wasser leicht schädlich, also unerwünscht (Mekruh). Der vierte profitiert vom Wasser ohne Schaden, weshalb es empfohlen ist (Sunnah). Für den fünften ist Wasser weder schädlich noch besonders nützlich, und er kann es nach Belieben trinken (Mubah – erlaubt).

In diesem Beispiel siehst du, dass Wasser, je nach Kontext und Bedürfnis des Einzelnen, unterschiedliche Bewertungen erhält. So ist es auch mit den göttlichen Gesetzen in den verschiedenen islamischen Rechtsschulen. Jede Schule interpretiert die Gesetze auf ihre Weise, abhängig von den Umständen und Bedürfnissen ihrer Anhänger, geleitet von göttlicher Weisheit. Alle diese Interpretationen sind korrekt und gerechtfertigt in ihrem eigenen Kontext.

Das bedeutet, dass, obwohl es scheint, als ob nur eine Sache richtig sein kann, in Wirklichkeit verschiedene Interpretationen und Anwendungen der göttlichen Gesetze alle "richtig" sein können, jeweils abhängig von den spezifischen Umständen und Bedürfnissen der Menschen. So wie Wasser für unterschiedliche Menschen unterschiedliche Bedeutungen haben kann, so können auch die Bestimmungen der verschiedenen islamischen Rechtsschulen alle gültig und angemessen sein.

Kommen wir zu den Details:

Nach der hanafitischen Rechtsschule ist es nicht erlaubt, Muscheln zu essen. Es ist besser, sie nicht zu essen, es sei denn, es ist notwendig. Es ist nicht richtig, Rechtsschulen ohne Notwendigkeit zu imitieren.

"Allah ist es, der das Meer zu eurem Dienst gestellt hat, damit ihr frisches Fleisch davon essen könnt."1

Dieser ehrwürdige Vers,

"Es ist euch erlaubt, im Meer zu fischen und davon zu essen, damit es euch und den Reisenden zum Vorteil gereicht."2

besagt, dass die Meere göttliche Schatzkammern sind und dass die Menschen daraus Nutzen ziehen können.

In den ehrwürdigen Versen teilt der Erhabene Allah mit, dass alle Meerestiere ohne Ausnahme und ohne die Notwendigkeit des Schlachtens, wie bei anderen Tieren, erlaubt sind, und sichert seinen Dienern Bequemlichkeit und Großzügigkeit zu. Er erlaubt sogar, unter der Bedingung, dass Tiere so wenig wie möglich gequält werden, alles zu nutzen, um sie zu fangen.

Wie bekannt, werden Tiere nach ihrem Lebensraum in Land- und Meerestiere unterteilt. Welche Landtiere gegessen werden dürfen und welche nicht, ist in den Rechtstexten festgelegt. Über welche Meerestiere gegessen werden darf und welche als verboten gelten, gibt es unterschiedliche Meinungen zwischen den Rechtsschulen.

Basierend auf den oben zitierten Versen betrachten die Gelehrten der schafiitischen, malikitischen und hanbalitischen Rechtsschule alle Meerestiere, d.h. Tiere, die nirgendwo anders als im Wasser leben können, egal wo sie gefunden werden, ob in Form von Fischen oder in einer anderen Art und Gestalt, als erlaubt und essbar. Laut diesen Rechtsschulen ändert weder der unterschiedliche Name dieser Tiere, ob sie lebend oder tot sind, noch ob diejenigen, die sie fangen, Muslime oder Nichtmuslime sind, etwas an diesem Urteil.

Während die malikitische Rechtsschule keine Meerestiere ausnimmt, betrachtet die hanbalitische Rechtsschule den Aal wegen seiner Unreinheit als verboten; die schafiitische Rechtsschule wiederum stuft das Fleisch von Tieren, die sowohl im Meer als auch an Land leben können, wie Frösche, Krabben und Krokodile, als verboten ein.

Nach der hanafitischen Rechtsschule ist der Verzehr des Fleisches von Meerestieren, die nicht in der Form von Fischen sind, verboten. Demnach ist der Verzehr von allen Arten von Fischfleisch erlaubt, die immer im Wasser leben und sich dort aufhalten. Dazu gehören Schwertfisch, Karpfen, Delphin, Aal und ähnliches. Andere Wassertiere sind jedoch nicht erlaubt. Der Verzehr von Muscheln, Austern, Hummern und Krabben wird nicht als erlaubt betrachtet, sondern als verboten.

Gemäß diesen Grundsätzen sind Muscheln, Austern und ähnliche Meerestiere nach der schafiitischen, malikitischen und hanbalitischen Rechtsschule essbar, während sie nach der hanafitischen Rechtsschule nicht gegessen werden dürfen. Der Grund, warum die hanafitische Rechtsschule sie für verboten hält, liegt darin, dass diese Arten von Tieren sowohl in ihrem Aussehen als auch in den essbaren Teilen als unangenehm, hässlich und schmutzig betrachtet werden.

Liebe Grüße,

Dein Bruder Muhammed (İmam)

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Ibnsamir 
Beitragsersteller
 07.02.2024, 22:13

Jazak allah khairan akhi für deine Bemühungen und diesen langen text möge Allah dich dafür belohnen allhuma amin

Zakir21  08.02.2024, 02:01
@Ibnsamir

Die Ulemaa der Hanafiten erklären auch, das der Vers welches die Meerestiere für erlaubt erklärt im Kontext nicht meint, das Alles aus dem Meer erlaubt ist sondern dass das Angeln im Ihram-Zustand erlaubt ist.

++Der Fang aus dem Meer und sein Genuss sind für euch und für die Reisenden als Versorgung erlaubt (während der Wallfahrtszeit). Aber verboten ist euch das Jagen auf dem Festland++

Weder bedeutet es also, das Alles aus dem Meer gestattet ist, noch dass das Jagen verboten ist. Es bezieht sich kontextuell - laut den Ahnaf - also um die Wallfahrtszeit.

Desweiteren sollte klar sein, das Tiere nur dann Halal sind, wenn die Halal geschlachtet werden. Es gibt eine Ausnahme in dem Hadith:

Der Prophet وسلم عليه هللا صلى sagte: „Uns sind zwei Arten von Nicht geschächteten Tieren und zwei Arten von Blut erlaubt. Die zwei Arten von Nicht geschächteten Tieren sind Fische..."

Hier wird also explizit Fisch erwähnt als Ausnahme.

Es gibt außerdem noch andere Ahadith die aufzeigen, das es nicht bekannt ist, das die Sahaba radiyaAllahu anhum jemals etwas anderes aus dem Meer aßen außer Fisch und was bei den Arabern bekannt ist als Fisch. Manche Gelehrten der Hanafiten zählen Garnelen dazu.