War die Novemberrevolution eine Revolution?

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3 Antworten

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Revolution

 

Allgemein wird unter Revolution eine Umwälzung, eine tiefgreifende, weitgehende und umfassende Veränderung verstanden.

Es vollzieht sich eine grundlegende Neuerung. Oft werden mit einer Revolution auch die Merkmale Aufruhr und gewaltsamer Umsturz verbunden. Gewalt ist aber kein unbedingter Wesensbestandteil einer Revolution und Gewalt kommt auch bei anderen Ereignissen als Revolutionen vor.

Es ist 1918/1919 in Deutschland zu einem Wechsel des politischen Systems gekommen und es hat eine revolutionäre Massenbasis gegeben. Daher ist eine Bezeichnung als Revolution berechtigt, auch wenn es Einschränkungen dabei gibt, wie weitgehend sich ein Umschwung durchgesetzt hat, insbesondere in den gesellschaftlichen Verhältnissen.

Bei den Ergebnissen besteht ein Zurückbleiben hinter den Zielen und Erwartungen vieler Träger(innen) der Revolution, der tatsächliche Wande war weniger radikal als von ihnen erhofft. Deshalb sind im Rückblick in Geschichtsdarstellungen auch Ausdrücke wie »unvollendete Revolution«, »unvollständige Revolution«, »steckengebliebene Revolution« oder »gebremste Revolution« verwendet worden. Allerdings hat es 1918/1919 bei denen, die einen grundlegenden Wandel anstrebten, keine Einigkeit gegeben, was neu geschaffen werden sollte. Es gibt als Zielvorgabe kein allgemeinverbindliches Modell, was damals notwendig zu einer echten Revolution gehört hätte.

Argumente gegen einen revolutionären Charakter der Novemberrevolution

  • Ein wesentliches Ergebnis, eine parlamentarische Demokratie, war mit am 28. Oktober 1918 in Kraft getretenen Verfassungsänderungen („Oktoberreformen“) schon eingeleitet worden.
  • Es hat verhältnismäßig viel Kontinuität in den leitenden Institutionen gegeben. Die meisten blieben bestehen und auch das Personal (z. B. in Regierungsbehörden, Verwaltung, Justiz, Militär) wurde nicht in großem Umfang ausgetauscht. Der letzte von Kaiser ernannte Reichskanzler Prinz Max von Baden hat sogar ausdrücklich erklärt, die Geschäfte des Reichskanzlers an den SPD-Reichstagsabgeordneten Frieerich Ebert zu übergeben, was freilich auch ein gewisse Eigenmächtigkeit und ein Bruch mit normalen Verfahren war.
  • Bei der Bevölkerung spielte Kriegmüdigkeit eine wichtige Rolle, viele wollten dabei einen Wandel, aber keine radikalen gesellschaftlichen Veränderungen.
  • Die gesellschaftlichen Veränderungen waren im Endergebnis gemäßigt. Ein Wunsch nach Sozalisierung setzte sich nicht durch.

Argumente für einen revolutionären Charakter der Novemberrevolution

  • Es hat einen politischen Systemwechsel gegeben. Der Kaiser war zur Abdankung genötigt und auch in allen deutschen Einzelstaaten (Ländern) mit vorhandener Monarchie wurde diese abgeschafft, was ein einschneidender Umsturz gewesen ist. Es wurde eine Republik mit parlamentarischer Demokratie eingeführt. Es wurde eine Nationalversammlung gewählt und von ihr eine neue Verfassung beschlossen. Sie enthielt auf gesamtstaatlicher Ebene Grundrechte.
  • Es hat bedeutende Änderungen im Wahlrecht gegeben. Es wurden Verhältniswahlrecht und Frauenwahlrecht eingeführt. Es galt auch in allen deutschen Einzelstaaten (Ländern) ein allgemeines, gleiches, geheimes und unmittelbares Wahlrecht, was vorher nicht überall der Fall war (so hat es z. B. in Preußen ein Dreiklassenwahlrecht gegeben).
  • Es hat einen Matrosenaufstand gegen Pläne der Marineleitung gegeben und diese Revolte weitete sich aus.
  • Es hat eine revolutionäre Massenbasis gegeben, die Drucck ausgeübt hat. Es kam zu Demonstrationen und Streiks.
  • Es kam zur Bildung von Räten (vor allem Arbeiterräte und Soldatenräte, teilweise z. B. auch Bauernräte), die in einer Übergangszeit eine Rolle spielten und zeitweise bei der Sadtverwaltung tätig waren oder zumindest eine Kontrolle beanspruchten.
  • Gesellschaftlich sind die Machtstrukturen nicht weitgehend umgewälzt worden, aber es gab auch Veränderungen, so unter dem Druck revolutionärer Forderungen die Anerkennung der Gewerkschaften als Vertreter der Arbeiterschaft durch die Arbeitgeberverbände und die Regelung der Arbeitsbedingungen durch Kollektivvereinbarungen, eine Veringerung der Arbeitszeit auf einen Achtstundentag und die Einführung von Betriebsräten.
  • Es hat Aufstände radikalerer Kräfte gegeben und z. B. in München und Bremen kurzzeitig Räterepubliken.

Revolution

Bei Reformen werden selten Menschen erschossen.


fuerdenmuelll 
Beitragsersteller
 23.03.2022, 15:08

Außer das...gibt es noch was, dass für eine Revolution spricht?

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Weder - noch.

Streng genommen war es eine "Revolution von oben", aber nicht einmal das. Der Reichskanzler - also das Establishment - hatte unauthorisiert die Abdankung des Kaisers verkündet und eine neue Regierung ernannt, genau das ist etwas, was gegen die Revolution spricht, da wird die neue Regierung eben nicht von der alten ernannt. Andererseits gab es ja, beginnend in Wilhelmshaven, Kiel, ... klare Revolten, es bestand also Handlungsbedarf.