Wann sollte man einen Leiter nicht mehr anfassen, wenn man weiterleben möchte?

14 Antworten

Ja, das siehst Du richtig.

Deswegen werden in der Regel auch maximal zulässige Berührspannungen angegeben.

Wobei es sich natürlich immer nur um Richtwerte handelt. Ob die Wirkung von Strom auf den Menschen gefährlich ist, hängt unter anderem von der Einwirkdauer, Frequenz (bei Wechselstrom), der durchströmten Körperteile und vielem mehr ab.

Ich habe einmal gelesen, eine 9 V Batterie an die Zunge (= Schleimhäute = hohe Leitfähigkeit, außerdem befindet sie sich im Kopf, sprich das Gehirn ist nicht weit) zu halten, könne bereits tödlich sein.

Genauso können relativ geringe Spannungen selbst bei vermeintlich "unkritischem Pfad" tödlich sein, wenn sie nur lange genug einwirken. Die Schadwirkung basiert dann in der Regel auf elektrochemischen Effekten. Es gibt den Mythos, wenn man sich einen 9 V Block auf die Haut taped und dann schlafen geht, könnte es sein, dass man nicht mehr aufwacht.

Beides sind Behauptungen, die ich nicht überprüfen möchte. Zumindest letzteres klingt irgendwie nach einer "urban legend", aber ich würde mich dennoch nicht für einen Versuch bereitstellen. ;-)

Umgekehrt ist beispielsweise ein Elektroschocker in der Lage, Spitzenstromstärken im Bereich von mehreren Ampere abzugeben. Das ist aber letztlich nur eine Folge von sehr schmalen "Nadelimpulsen" (kurze Zeitdauer). Das ganze sieht dann in etwa aus, wie eine Pulsweitenmodulation. Die mittlere Stromstärke ist dabei sehr gering, im einstelligen Milliamperebereich. Deswegen ist die Wirkung in der Regel nicht tödlich. (Ausnahmen bestätigen hier die Regel. Es gab schon genügend Todesfälle beim Einsatz von Elektroimpulswaffen oder anderen vermeintlich "nichttödlichen Waffen".) Auch hohe Stromstärken durch den menschlichen Körper müssen damit nicht zwingend zum Tode führen, wenn sie nur sehr kurzzeitig fließen.

Gleichstrom bewirkt stärkere elektrochemische Effekte, als Wechselstrom. Umgekehrt wirkt Wechselstom aber stärker auf das Herz, als Gleichstrom. Je höher die Frequenz bei Wechselstrom ist, desto weniger stark ist die Wirkung auf Herz und Muskulatur. Bei Frequenzen im MHz-Bereich sind dann fast nur noch thermische Wirkungen interessant. Ab einer gewissen Leistung wirst Du dann einfach "gegrillt", abgesehen davon ist aber kaum noch eine Wirkung vorhanden. Du spürst keinen Schmerz, die Muskulatur zuckt nicht und Du bekommst kein Herzkammerflimmern. Deswegen kann man relativ starke Ströme durch den menschlichen Körper jagen, wenn die Frequenz nur hoch genug ist. Gibt genügend Beispiele, wo sich Menschen in Reihe zu einer Leuchtstoffröhre geschaltet haben, die dann aufgeleuchtet hat. Wenn die Frequenz hoch genug ist, geht das sogar "drahtlos", weil der Strom kapazitiv durch das Glas ins Leuchtgas gekoppelt wird und der Stromkreis über parasitäre Kapazitäten in der Umgebung geschlossen wird. So etwas kannst Du bei Niederfrequenz grundsätzlich vergessen, weil die Stromstärken lebensgefährlich wären. Bei sehr hohen Frequenzen ... nunja ... stirbst Du zumindest nicht. Man geht heute allerdings davon aus, dass auch hochfrequente Wechselströme kumulativ schädliche Effekte auf das Nervensystem haben können. Es ist also nicht gerade gesund, solche Stunts vorzuführen, vor allem wenn man es öfter macht.

Das sind aber alles Spezialfälle. Die VDE-Richtlinien gehen davon aus, dass eine Spannung von bis zu 50 V bei versehentlichem Berühren noch sicher ist. Versehentlich heißt, es wird erwartet, dass Du eine Schreckreaktion zeigst und loslässt. Wenn eine Spannung in dieser Höhe über längere Zeit an Deinem Körper anliegt, ist das auch nicht mehr unbedingt sicher.


Mikkey  11.03.2017, 09:59

bis zu 50 V

Nur als Ergänzung - das gilt für Wechselspannung, bei Gleichspannung sind das - soweit ich das richtig in Erinnerung habe - sogar 120V.

Spannungen bis 25V gelten als "Schutzkleinspannung" als völlig ungefährlich. Man kann problemlos mit den stromführenden Leitern hantieren. Einen Dauerkontakt wie Du den mit der 9V-Batterie beschrieben hast, würde ich aber auch nicht testen wollen.

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NoHumanBeing  11.03.2017, 13:31
@Mikkey

Nur als Ergänzung - das gilt für Wechselspannung, bei Gleichspannung sind das - soweit ich das richtig in Erinnerung habe - sogar 120V.

Das stimmt, "offiziell" schon.

Ich würde es allerdings nicht herausfordern wollen.

120 V Gleichspannung klingt für mich viel gefährlicher, als 50 V Wechselspannung.

Erstens ist die Spannung viel höher, zweitens fließt der Strom immer in die selbe Richtung.

Nervenzellen werden aktiviert, wenn eine gewisse Ladungsmenge die Zellmembran passiert. Bei Wechselstrom bewegen sich die Ladungsträger ständig "hin und her". Entweder das Neuron feuert innerhalb einer Halbwelle oder es feuert nicht, denn die zweite Halbwelle bringt im Grunde alles wieder in den Ausgangszustand. Bei Gleichstrom bewegen sich die Ladungsträger immer in die selbe Richtung. Damit "lade ich das Neuron auf", bis es feuert. Auch die elektrochemischen Effekte sind bei Gleichstrom viel stärker ausgeprägt, als bei Wechselstrom. Gleichstrom trennt Ionen und führt damit dazu, dass sich nahe der positiven Elektrode Anionen ansammeln und nahe der negativen Elektrode Kationen. Beispielsweise ist Kochsalz, Natriumchlorid, im menschlichen Körper vorhanden. Das ist an sich kein sonderlich gefährlicher Stoff. Wenn ich die Ionen aber trenne, indem ich eine Gleichspannung an den Körper anlege, dann bildet sich in der Nähe der Anode plötzlich elementares Chlor und in der Nähe der Kathode elementares Natrium, beides extrem reaktionsfreudige und daher giftige Elemente. Bei Wechselspannung wird das auch passieren (*), allerdings nur in einem sehr viel geringen Maße.

((*) - Aus diesem Grund bitte nicht auf die Idee kommen, Wasser zu erhitzen, indem man Wechselstrom durchschickt. So etwas hatte ich einmal auf YouTube gesehen. Auch abgesehen von der Gefahr eines Stromunfalls ist das nicht zu empfehlen, da sich auch hier "Knallgas" bildet und entsprechend Explosionsgefahr besteht.)

Deswegen sind hochfrequente Wechselströme auch ungefährlicher. Die Zyklen sind kürzer, sodass das Nervensystem weniger stark reagiert und auch nahezu keine elektrochemischen Prozesse dadurch angestoßen werden. Aus diesem Grund kann ich die relative "Ungefährlichkeit" von Gleichspannung persönlich nicht ganz nachvollziehen. Da die Gefährlichkeit von Wechselspannungen zu niedrigeren Frequenzen hin gemeinhin eher zunimmt, sehe ich nicht, weshalb ausgerechnet Gleichspannung - also gewissermaßen "der Grenzfall einer niederfrequenten Wechselspannung mit einer Frequenz von null" - dann wieder ungefährlicher sein sollte.

Also "formal" stimmt es, ich kenne diese Grenzen ebenfalls, allerdings würde ich da einige Fragezeichen hinter setzen. In den meisten Bereichen bleibt man auch bei Gleichspannung unter 50 V. Das betrifft z. B. die genannte Phantomspeisung oder Power-over-Ethernet, die alle mit einer Gleichspannung von 48 V arbeiten. Eine der wenigen Ausnahmen, die mir bekannt ist, ist das Telefonnetz bzw. DSL-Netz, wo auf der TAL, die von der Vermittlungsstelle kommt, häufig mit Spannungen im Bereich von 60 - 90 V gearbeitet wird.

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Ja, das siehst du richtig, Selbst wenn durch den Leiter 200A fließen, z.B. das Massekabel der Autobatterie während des Startvorgangs braucht dir keinen Respekt einzuflößen.


NoHumanBeing  09.03.2017, 23:56

Selbst wenn durch den Leiter 200A fließen, z.B. das Massekabel der Autobatterie während des Startvorgangs braucht dir keinen Respekt einzuflößen.

Tatsächlich nicht?

Ich denke weniger an die unmittelbare Gefahr eines Stromschlags, allerdings kann sich ein Leiter natürlich stark erhitzen, wenn er von einem starken Strom durchflossen wird.

Außerdem entstehen bei starken Stromstärken auch starke Magnetfelder in der Umgebung der Leiter, die ferromagnetische Materialien in Geschosse verwandeln oder in umliegenden Leitern Spannungen induzieren können, die eventuell höher liegen können, als die Spannung, die vom Bleiakku bereitgestellt wird.

Der Abreißfunke, wenn man auf die Idee kommt, den Stromkreis zu unterbrechen, hat es bestimmt auch in sich und wird irre heiß sein, sodass die Gefahr besteht, sich Verbrennungen zuzuziehen oder Gegenstände in Brand zu setzen. Eventuell schmelzen die Kontakte sogar auf und dann fließt/spritzt flüssiges Metall durch die Gegend.

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CATFonts  10.03.2017, 00:14
@NoHumanBeing

Na ja, täglich starten Autos, und bei LKW-Motoren sind da die Ströme sogar noch größer, da fliegen auch keine Metallteile umher, und bei den entsprechenden Querschnitten werden die Kabel auch nicht heiß.

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bit77  10.03.2017, 00:28
@NoHumanBeing

Es kommt auf die Praxis an. Wenn man eine Staplerbatterie abklemmt und mit dem 19er Schlüssel einen Kurzschluß baut, dann glüht dieser binnen 5 Sekunden hellgelb, dann sprühen ganz erheblich Funken und der Schlüssel ist hinüber. Fällt der glühende, funkenspritzende Schlüssel auf den Akku, würde ich machen, daß ich wegkomme. Wenn der sich da durchschmilzt, dann wage ich nicht zu befürchten, was ich befürchte, befürchten zu müssen.

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CATFonts  10.03.2017, 00:35
@bit77

Das ist dann aber ein Fehlerfall, und der ist ohnehin zu vermeiden. Ich meinte ja für den Querschnitt angemessener aber hoher Betriebsstrom.

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Absolut richtig. Nicht der Strom, der gerade fließt, ist relevant, sondern die angelegte Spannung, vor allem aber auch um was für einen Stromkreis es sich handelt! Wenn du zum Beispiel einen Trenntrafo hast (in Operationssälen in Krankenhäusern zum beispiel) kannst du beide Anschlüsse einfach so anfassen und bekommst keinen Schlag. 

Warum bekommt man einen Schlag, wenn man in der Steckdose an den Außenleiter (Phase) fasst? Na weil der Neutralleiter (anderes Loch, denn man einfach anfassen kann) geerdet ist. Daher besteht die Spannung von 230V nicht nur zwischen Außenleiter und Neutralleiter sondern auch zwischen Außenleiter und Erde und somit alles, was damit leitend verbunden ist.

Und deine theoretische Rechnung ergibt übrigens auch das Ergebnis, das in der VDE-Norm als maximal zulässige Berührungsspannung angegeben ist. Nämlich bei Wechselspannung 50 Volt.

Bedenke: Um einen Stromschlag zu bekommen muss zwingend ein Stromkreis geschlossen sein. Und nicht die Spannung der Spannungsquelle sagt aus, wie gefährlich es ist, sondern die Berührungsspannung. Denn durch den Erdwiderstand und den Leiterwiderstand hast du ja einen Spannungsfall. Wenn du 1000 Ohm (das ist übrigens nicht der richtige Wert, ein Mensch hat von Hand zu Fuß 1.000-10.000 Ohm) als Körperwiderstand hast, die Erde allerdings 9000 Ohm hat, bekommst du nur etwa ein Zehntel der Spannung von der Spannungsquelle ab. Also rein theoretisch natürlich, der hier genannte Erdwiderstand ist extrem.

Ach ja: Die Spannung fließt nicht, sie liegt an. Und der Strom besteht/fließt. 


NoHumanBeing  10.03.2017, 15:04

Wenn du zum Beispiel einen Trenntrafo hast (in Operationssälen in Krankenhäusern zum beispiel) kannst du beide Anschlüsse einfach so anfassen und bekommst keinen Schlag.

Du kannst abwechselnd einen nach dem anderen anfassen und bekommst keinen Schlag. Allerdings kannst Du zu jedem Zeitpunkt immer nur einen anfassen, sonst bekommst Du einen Schlag. (Ist logisch, weil Du über Deinen Körper einen Stromkreis schließt.)

Zudem darf der Stromkreis auch bei galvanischer Trennung grundsätzlich nur in einem Punkt berührt werden. Sobald zwei unterschiedliche Punkte (ggf. auch über einen Widerstand) "Kontakt" zum Erdpotential haben, fließt wieder Strom. Deswegen würde es z. B. beim Stromnetz auch nichts nützen, die Erdung am Umspannwerk aufzuheben. Sobald irgendwo Strom zur Erde fließen kann (z. B. weil Dein Nachbar sich denkt: "Hier kann ich ja anfassen, ohne die Leitung spannungsfrei zu schalten, ist ja galvanisch getrennt."), ist Deine galvanische Trennung passe und sobald ihr beide unterschiedliche Potentiale berührt, bekommt ihr beide eine "gepfeffert".

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Shalidor  10.03.2017, 17:28
@NoHumanBeing

Oh ja, sorry. Etwas ungut ausgedrückt. Ich meinte natürlich beide EINZELN. Nicht gleichzeitig. Wenn man beide gleichzeitig anfasst konnte das etwas weh tun.

Sollte man sich aber durch meinen Satz "Wenn man durch die Berührung einen Stromkreis über den Körper schließt britzelts" auch denken können.

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Wenn Du von 230 V ausgehst, so bedeutet der Körperwiderstand von 1 kΩ (bei einem Widerstand des Erdpotentials von z.B. ebenfalls 1 kΩ), dass hier ein Strom von L zu PEN fließt, welcher 230 V / 2000 Ω = 115 mA beträgt.

Dieser Strom kann bereits tödlich sein. Daher reicht die Absicherung mit LS-Sicherungen auch nicht aus - egal ob mit 2 A oder 16 A. Diese Begrenzung gilt nur für die Leitungen und die angeschlossenen Verbraucher, um bei Kurzschluss oder Überlast die Leitungen zu schützen.

Den Schutz vor einem tödlichen Stromschlag bietet nur der Personenschutz-RCD mit max. 30 mA Bemessungsfehlerstrom. Die Berührungsspannung beträgt dann rechnerisch auch nicht mehr 230 V~ sondern max. 50 V~, d.h. wird zwischen L und PEN der Gesamtwiderstand von 1667 Ω unterschritten, so löst der RCD aus.


electrician  10.03.2017, 10:13

Aach, ich wollte den letzten Satz noch ändern oder löschen, weil irreführend. Also einfach ignorieren...

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das siehst du falsch... der strom fließt, sobald du die spannung anlegst... egal wie viele Ampere fließen...

d.h. es macht rein teherotisch keinen unterschied, ob du an einem mit 2 Ampere abgesicherten Dimmer eine geflammt bekommst, oder eine sammelschiene einer schaltanlage mit 1000 Ampere anfasst, solange die Spannung von 230 volt gegen Erde gleich ist, und alle anderen umstände wie die isolation zur erde gleich sind d.h. z.B. das gleiche schuhwerk etc..

das ist natürlich in der praxis nie so gegeben und ausprobiren solltest du das so wie so nie...

die ohmsche formel sagts doch schon... I = U / R

nehmen wir mal einen körperwiderstand von 1 kOhm und eine Spannung von 230 volt an. dann ergibt sich ein Stromfluss von 0,23 Ampere.

lg, Anna


Shalidor  10.03.2017, 14:31

Ähm... aber genau das meinte er doch. Das nächste mal bisschen besser lesen wäre gut. :)

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