Stottern in der Schule!

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Ich werde versuchen, Deinen langen Text einmal auseinander zu nehmen:

-- 1. Du fürchtest, dass Deine Lehrer denken, dass Du eine schlechte Schülerin bist.

Ich vermute, dass das daran liegt, dass Du Dich mündlich am Unterricht wenig oder gar nicht beteiligst oder dass Du, wenn Du in der Klasse etwas sagst, weniger ist oder etwas Anderes ist als Du sagen würdest, wenn Du nicht stottern würdest.

Dazu eine generelle Bemerkung:

Nach deutschem Recht (Nichtdiskriminierungsgebot) hast Du das Recht, als Schülerin jede Chance zu erhalten, die auch eine nichtstotternde Schülerin hat. Die mündliche Beteiligung darf nicht so beurteilt werden wie die einer nichtstotternden Schülerin. (Einer Schülerin, die ein steifes Bein hat, wird man auch nicht eine schlechtere Abiturnote geben, weil sie nicht 100 Meter in 20 Sekunden laufen kann.)

Ich habe einen Text zum Problem "Stottern und Schule" geschrieben, den Du Dir einmal anschauen solltest:

http://www.andreasstarke.de/_dateien/handreichung_integration.pdf

Deine Lehrer müssen (nicht: sollten, sondern müssen) Dir einen sog. Nachteilsausgleich einräumen. Wende Dich an den Lehrer / die Lehrerin, zu dem/der Du am meisten Vertrauen hast, zeige ihr meinen Text und bitte Sie, Dir zu helfen. Ich nehme an und hoffe, dass alle Deine Lehrer wissen, dass Du stotterst. Wenn nicht, müssen sie so schnell wie möglich davon in Kenntnis gesetzt werden. Deine Therapeutin, bei der Du bald eine Therapie beginnst, muss Dir dabei helfen. Wenn sie nicht weiß, wie, soll sie mich anrufen. (Die Nummer findest Du leicht, wenn Du nach „Andreas Starke“ - das bin ich - googlest.)

-- 2. Eigenschaften des Stotterns

Du stotterst bei Selbstgesprächen, beim alleine Lesen und beim Singen nicht. Das ist bei den meisten Menschen, die stottern, so, nicht aber bei allen. Es gibt Ausnahmen.

Bei Referaten in der Schule ist das Stottern extrem stark. Auch das ist nicht ungewöhnlich für jemanden, der stottert. Es ist dies nur ein extremes Beispiel für die Situationsabhängigkeit von Stottern, die die Betroffenen und ihre Zuhörer meist sehr stark irritiert. Man könnte sich ja fragen, warum es in der einen Situation geht und in einer anderen nicht. Dabei wird leicht übersehen, dass die Sprechbewegung eine sehr komplizierte und schnelle Bewegung ist, die hohe Anforderungen an die Präzision stellt. Alle komplexen Bewegungen laufen unter unterschiedlichen Bedingungen unterschiedlich gut ab. Frag mal einen Klavierspieler, ob er zu Hause allein oder in einem Konzertsaal mit 500 Zuhörern besser spielt. Das Besondere bei einem Stotterer ist, dass er im Hinblick auf Situationsbelastungen empfindlicher ist und dass die Fehlleistung einen Vorgang betrifft, den fast alle Menschen so erleben, als ob er von selbst funktioniert.

-- 3. Du möchtest und wirst eine Therapie beginnen.

Das ist zunächst einmal eine gute Idee. Wenn die Sache gut läuft, und davon gehe ich zunächst einmal aus, wirst Du viel über Sprechen und über Stottern lernen und wirst lernen, was Du machen kannst, wenn Du stotterst, so dass nach und nach, nehme ich an, die Teilnahme am normalen „Sprechleben“ (einschließlich Schule) möglich wird. Wichtig: Dringe darauf, dass Dich Deine Therapeutin unterstützt, was die Schule betrifft. Das ist wichtig. Du brauchst das nicht alles alleine durchzufechten.

-- 4. Du bist kurdischer Abstammung.

Ich bin kein Fachmann für Migrationsprobleme, aber ich selbst und drei meiner vier Kinder sind mit Ausländer/inne/n verheiratet. Und so kann ich mir vorstellen, was Dich bedrückt: Sie stottert, deswegen ist sie wohl dumm, kein Wunder, sie ist ja auch Ausländerin. Sehr viele Stotterer stehen vor dem Problem, als Menschen ernst genommen zu werden. Für eine Ausländerin, die stottert, wird das noch schwieriger sein. Aber, „schwierig“ heißt nicht „unmöglich“.

Du hast ein Recht darauf, als Mensch ernst genommen zu werden, als Migrantin ebenso wie als Stotterin. Das solltest Du Dir immer wieder sagen.

-- 5. In Fremdsprachen stotterst Du stärker.

Ich kenne das. Ein polnischer Patient stottert auf Deutsch sehr schwer, es wird allmählich besser, während der auf Polnisch, was immer noch seine Hauptsprache ist, fast gar nicht stottert. Für ihn ist Deutsch eine Fremdsprache. Ich nehme an, Du sprichst Deutsch und Kurdisch (fast) gleich gut.

Ich finde es übrigens sehr ungerecht, dass jeder Engländer/Amerikaner, Franzose, Spanier oder Italiener und auch viele Russen ihre Muttersprache im Abitur als Fremdsprache benutzen können, und Araber, Chinesen, Türken und Kurden das nicht können. Mein erster Sohn hat z.B. mit Spanisch als Fremdsprache Abitur gemacht, eine 1 gekommen und brauchte im Abiturjahr nicht einmal zum Unterricht zu kommen, weil er Spanisch schon konnte und zwar besser als die Lehrerin! Da müssten die Ausländervereine oder -vertretungen mal Druck machen.

(Fortsetzung folgt)


Andreas Starke  21.01.2013, 14:59

(Fortsetzung)

Was kannst Du tun? Schau mal, was Du aus der Therapie mitnehmen kannst. Du kannst je versuchen, die Fremdsprache wie eine Sprechtechnik zu benutzen. Du weißt vielleicht schon, dass ein Stotterer, der in bestimmter Weise „ganz anders“ spricht, meistens viel weniger stottert. Das soll Dir Deine Therapeutin mal zeigen. Dazu musst Du natürlich auch die Sprachen tüchtig lernen. Ohne, dass Du Englisch und Italienisch gut kannst, wird das auch nicht richtig gut werden

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Luuni 
Beitragsersteller
 22.01.2013, 00:08
@Andreas Starke

Als erstes einmal danke für deine Antwort! Bis jetzt wissen noch garnicht alle Lehrer, dass ich stottere, aber ich werde es ihnen sagen. Nur de Lehrer interessiert das glaube ich nicht so wirklich, wenn das so wäre würden sie mich ja ein wenig darüber fragen oder so. Z.b ich musste in italienisch ein referat halten und habe meiner Lehrerin in der Stunde davor erzählt ,dass ich wahrscheinlich öfters stottern werde, sie sagte daraufhin nur " gut dass ich bescheid weiß". Kam halt bisschen komisch rüber. Zu 1. es stimmt, dass ich fast nie etwas sage, weil ich ja immer im kopf durchgehe was ich sagen werde und so auch abschätzen kann ob ich in diesem moment stottere oder nicht. Aber ich werde nicht gemobbt wegen meinem stottern und eigentlich schäme ich mich auch nicht aber man versucht es trotzdem so gut wie möglich zu vermeiden.. Schwierig wird es halt mit den gfs'en da man in fast keinem fach eine schriftliche machen kann und diese auch nicht meine liebste wahl wäre, aber ich mache trotzdem schon eine schriftliche. Mal sehen wie sich das alles entwickelt. Achja und zu den sprachen ich spreche deutsch und kurdisch nicht fast gleich gut, deutsch um einiges besser aber im englischunterricht könnte ich mich ja auch relativ gut ausdrücken nur ist die aussprache der weiter meiner meinung nach um einiges schwieriger.

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Andreas Starke  22.01.2013, 17:26
@Luuni

Du schreibst: "Nur die Lehrer interessiert das glaube ich nicht so wirklich, wenn das so wäre würden sie mich ja ein wenig darüber fragen oder so."

Das ist, Verzeihung, der größte Irrtum des Jahrhunderts. Ich habe in meiner gesamten Schulzeit sehr schwer gestottert und kein Lehrer (außer einem, siehe unten) hat jemals von mir irgendetwas über das / mein Stottern wissen wollen. Es war schon wirklich absurd. Natürlich haben sich alle große Sorgen gemacht und auch mit meinen Eltern darüber gesprochen. Aber von mir wollte keiner etwas wissen.

Mein Mathelehrer, zu dem ich ein sehr gutes Verhältnis hatte, hat mich, als ich ihn 10 Jahre nach der Schulzeit einmal besuchte, gefragt: "Ach sag mal, ist das tatsächlich so, dass, wenn Du stotterst, das Wort, das Du sagen willst, schon genau weißt?" Ich bin fast vom Stuhl gefallen, nicht weil er das nicht wusste, sondern weil er nie danach gefragt hatte.

In der 12. Klasse schließlich (der vorletzten Klasse) hat schließlich ein neuer Lehrer mich einmal zu einem Spaziergang eingeladen, um mit mir über Stottern zu sprechen. Das war wie eine Befreiung und für mich und sicher auch ihn sehr interessant. Wir haben dann verabredet, dass ich im Kunstunterricht einmal eine Bildbeschreibung machen sollte. Das habe ich dann mit schwerem Stottern, d.h. "unter Stöhnen und Ächzen" auch getan, aber wir wussten beide nicht, was das für die Zukunft bedeuten sollte. War das ein Schritt in die richtige Richtung oder war das der Beweis, dass es so eben nicht geht? Wir (er und ich) wussten einfach zu wenig über Stottern. Heute weiß ich es: Ich hätte einfach so weitermachen sollen und meine gesamte Unterrichtsbeteiligung (wenn es eben nicht anders geht, mit starkem Stottern) deutlich steigern sollen.

Guter Ratschlag: Höre mit dem Vermeiden auf. Sag, was Du denkst und meinst, ob mit oder ohne Stottern. Vermeidung ist ein süßes Gift. Die Angst bleibt, aber die Vermeidung belohnt sich selbst. Jede Vermeidung wird als Erfolg verarbeitet, da Du es ja erreicht hast, nicht zu stottern. Du machst Dich zur Idiotin, aber eben so, dass es keiner merkt. Ich bin sicher, dass Deine Therapeutin mit Dir darüber sprechen und vielleicht sogar Übungen machen wird. Wenn nicht, suche Dir eine andere.

Was sind "gfs'en"?

Die englische Aussprache kannst Du auch allein trainieren, wenn Du weißt, wie die Laute gebildet werden. Suche Dir auf Youtube einen englischen Vortrag heraus, die gibt es jede Menge, und sprich ihn Satz für Satz nach.

Und mach mal Absätze, dazu muss man eine Leerzeile lassen. Dann liest sich Dein Beitrag leichter. Und verwende Groß- und Kleinbuchstaben. Das übt, fürs Abitur.

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Luuni 
Beitragsersteller
 22.01.2013, 21:37
@Andreas Starke

Bei mir ist es ähnlich, manche Lehrer meinen einfach ich soll nicht so aufgeregt sein, dabei bin ich das garnicht. Sie wissen nichts darüber und geben mir Tipps die ich mir auch mit 2 Jahren hätte geben können. Naja, eine gfs ist ein Referat, dass ca. eine halbe Stunde gehen soll. In den 4 Halbjahren muss man 3 davon halten. Ich werde aber ab jetzt im Mündlichen einfach das sagen, was ich weiß und mich nicht vom Stottern einschränken lassen. Danke dir!!

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Stimmt, Sotternde wissen im Moment des Stotterns genau, was sie sagen wollen, sie können es nur nicht flüssig aussprechen.

Ich konzentriere mich daher jetzt mal darauf, dass du sagst, dass du sicher eine bessere mündliche Note hättest, wenn das Stottern nicht wäre. Denn was wichtig für dich ist: Stotternde Schüler haben Anspruch auf einen so genannten "Nachteilsausgleich", eben damit sie ihre mündlichen Leistungen so erbringen können, wie es möglich ist und sie eben auch fair von den Lehrern bewertet werden können.

Wir*) haben auf unserer Homepage einige Infos dazu zusammengestellt: www.bvss.de/nachteilsausgleich

Schau dir auf dieser Seite auch das Dokument "Umgang mit Stottern in der Schule" an (pdf).

Der Nachteilsausgleich für stotternde Schüler kann z.B. so aussehen, dass du mehr Zeit zum Antworten erhältst oder (z.B. in Prüfungen) evtl. mit Beamer und Laptop arbeiten kannst (dann kannst du über die Tastatur doch spontan antworten, wenn das Stottern gerade zu heftig wird). Es gibt aber noch weitere, verschiedene Lösungen und es ist gut, wenn du (evtl. auch mit deinen Eltern und dem/der TherapeuIn als Begleitung) das mit der Schule besprichst.

Falls du in der Schule also noch nicht "offiziell" gesagt hast, dass du stotterst, solltest du das auf jeden Fall bald tun, damit du den Nachteilsausgleich nutzen kannst - speziell, wenn es ja nun auch aufs Abitur zugeht, - da ist langfristiges Denken angesagt.

Und wegen deiner Sorge, dass dich die Lehrer für dumm halten: Wenn dem überhaupt so ist, dann liegt das meist an alten Vourteilen über Stottern. Du kannst den Lehrern auch Infos mitgeben, denn in deren Ausbildung wird leider nicht all zu viel über Stottern vermittelt, so dass sie auch Unterstützung brauchen und für Informationen dankbar sind. Speziell dafür ist z.B. unsere kostenlose Broschüre "Meine Rechte als stotternder Schüler" gut (kann man bei uns bestellen, auch online unter dem Punkt "Service/Infomaterial").

Wenn du sonst noch Fragen rund um Stottern hast, kannst du gerne bei uns anrufen (Telefon 0221 139 1106).

*)"Wir", das ist übrigens die Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Wir sind ein Verein von Stotternden für Stotternde.

Die Frage hast du fast selber beantwortet wenn du ein Vortrag machen soltest dann Tu es ohne Hilfen (Wenn du es kannst) und ja stell dir vor das keiner im Raum sitzen würde und du ganz allein und ruhig mit dir selbst reden würdest.

ich weiß genau wovon du da schreibst . nei mir war es genauso . ihc hab mich NIE im unterricht gemeldet und es kam fast dazu , dass ichvon der schule sollte . Ich habe dann sofort meine logopädin darüber informiert . Sie kanm dann zu uns in die klasse und , wir haben es dann den anderen asu der klasse alles erklärt wie , was , warum . ich werde jetzt auch anders benotet , meine hausaufageben werden bei mir als mündliches benotet . ich würde dir raten , dss deine logopädin ma in deine klasse kommt

Hallo, ist jetzt keine Antwort auf deine Frage, aber hast du es durchgezogen, mit dem pro Tag sich immer einmal oder mehrmals zu melden, wenn ja, ist es besser geworden?

Ich habe genau das selbe Problem wie du und möchte gerne wissen, ob es funktioniert. Mein Neurologe sagt, ich soll pro Tag einmal (mindestens) aufzeigen, was ich jetzt auch durchziehen werde.

Wäre echt cool, wenn du mir eine Antwort gibst. :)