serille musik komponieren? bitte erklärt mir wie das geht!

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Servus, erstens finde ich es unverantwortlich blödsinnig ein tiefgründiges Schulreferat (wegen des geringen Wissens) über Serielle Musik halten zu lassen: In meinem Kompositionsstudium haben scharenweise ach so intelligente Musik-Lehramtsstudenten/innen mal hospitierend hineingeschnuppert und versucht, das zu verstehen und sind "reihenmäßig" gescheitert... ich bin jetzt auchmal arrogant - aber das hilft dir jetzt nichts! Zweitens - ich versuche es dir möglichst einfach zu erklären: 1) 1619 J.Kepler "Sphärenharmonie" (vgl. DUR+MOLL) + 1691 A.Werckmeister "Temperierung der Töne mit dem pythagoräischen Komma" > 1722/1744 J.S.Bach "Wohltemperiertes Klavier" = polyphone Kompositionen dieser neuen Tonarten (vgl. QUINTENZIRKEL) > bis R. Wagner "Tristan und Isolde" 1859 (vgl. TRISTAN-AKKORD) 2) langsame Auflösung dieser funktionsharmonischen Tonalität zu Beginn des 20. Jhs. = z.B. sog. ZWÖLFTONMUSIK (Dodekaphonie in REIHENTECHNIK) u.a. von A.Schönberg: Regel: Um eine antifunktionale, gleichwertige Stellung jedes Tones einer Tonart in einer Komposition zu erreichen, darf ein bestimmter Ton erst wieder erklingen, wenn alle anderen 11 (eine Tonart hat mit der Oktave 12 Töne) erklungen sind! Also entwickelte O.Messiaen z.B. aus einer Vogelstimme eine Tonfolge (Modus genannt) mit dieser Regel (vgl. Turangalila-Sinfonie 1946-48) und daraus eine ganze Sinfonie: Sein Schüler P.Boulez übernahm in** "Structures für 2 Klaviere" 1952** Messiaens Modus und komponierte sie zu einer 12-tönigen REIHE (lateinisch "seria" = daher der Begriff "serielle Musik"), also einfach gesagt, zu einer exakten Melodie, eine Serie aus bestimmten Tonhöhen, die aus 12 Tönen besteht. Nun nimmt er TONDAUER, LAUTSTÄRKE und ANSCHLAG/ARTIKULATION dazu - und bildet daraus auch jeweilige Serien: Boulez komponierte zum 1. Ton pppp, zum 2. ppp, zum 3. pp, zum 4. p, zum 5. quasi p, zum 6. mp, zum 7. mf, zum 8. quasi f, zum 9. f, zum 10. ff, zum 11. fff, zum 12. ffff. Und jetzt gibt es in der Reihentechnik als Kompositionsvariationen nur 1. Melodie = Grundreihe, 2. Krebsführung (Grundreihe rückwärts), 3. Umkehrung (Grundreihe an der Mittelachse gespiegelt) 4. Krebsumkehrung (rückwärts und gespiegelt). Die Variationen 1. und 2. teilt er dem ersten Klavier, die Variationen 3. und 4. dem zweiten Klavier zu. Beim ersten Klavier beginnt er im ZAHLENQUADRAT (jede Zahl steht ja für einen bestimmten Ton der Reihe) die Melodie 1-2-3-4-5-6-7-8-9-10-11-12, darunter schreibt er dann ein freie Variante 2-8-4-5-6-11-1-9-12-3-7-10, darunter die nächste Variante 3-4-1-2-8-9-10-5-6-7-12-11 usw. bis zur 12. Variante > folglich hat er ein ZAHLENQUADRAT geschaffen mit frei variierten Melodien aus der Grundreihe, die er nun in die Komposition als Grundreihe, Krebs, Umkehrung und Krebsumkehrung auf zwei Klaviere verteilt - und auf vier Parametern (Tonhöhe, Tondauer, Lautstärke und Artikulation) angewandt einbauen kann, fertig ist eine serielle Kompostion mit freien Variationen (vgl. genau dazu: dtv-Atlas zur Musik, Band 2, S. 552 f. u.a.). - Wie du jetzt erkennen kannst, wurden die Werke der seriellen Musik bis zur Mitte des 20. Jhs. immer komplexer, immer unspielbarer gerade wegen ihrer steigenden Komplexität, folglich musiktheoretisch mathematisch-logische Gedankenspiele immer mehr ohne emotionale Musikalität, also nicht mehr aufführbar im Sinne des zahlenden Publikums... Erst Komponisten wie Varèse oder Xenakis oder Stockhausen, die elektronische Klänge aus der Seriellen Musik für klassische Instrumente entwickelt haben, fanden damit wieder einen publikumswirksamen Weg... Hoffentlich hast du etwas verstehen können! Viel Erfolg!