Romeo und Julia auf dem Dorfe - poetischer Realismus

1 Antwort

Die "Realisten" wandten sich gegen die Klassik und Romantik. Man wollte das Erfahrbare und Überprüfbare (das "reale" Leben in der Gesellschaft und die Stellung des Individuums in der Gesellschaft) darstellen und ächtete die Phantasie. Vor allem im zweiten Teil der Liebesgeschichte „Romeo und Julia auf...“ wird der Realitätsbezug der Novelle deutlich. Zwar gibt es auch romantische Züge in der Liebe zwischen Sali und Vreni, allerdings ziehen die beiden sich nicht auf ihre Liebe zurück, sondern wollen sie im bürgerlichen Leben verwirklichen. Sie streben nach der Anerkennung durch die „gute“ Gesellschaft. So ist auch ihr Liebestod nicht als romantisches Ende, sondern als das Resultat der Ausgrenzung durch die Dorfgemeinschaft zu werten und zeugt von Realismus als Misstrauen gegen den Rausch der Unendlichkeit i. S. der Romantik. Denn der Romantiker will sich nicht gemein machen mit den Sesshaften, den Philistern; er hält sich abseits von den Nützlichkeitsmenschen und strebt die edle, große Liebe an, die man aber bei den Spießbürgen nicht verwirklichen kann. Zwar ist auch Vrenis und Salis Liebe echt und groß, aber die beiden suchen nicht „romantisch“ die Einsamkeit, sondern streben nach Gemeinschaft mit der Dorfjugend und nach Anerkennung durch die Dorfleute. Als Beispiel kann man die Szene im Dorfwirtshaus nehmen. „Sie stiegen hinunter, betraten dann aber ebenso sittsam diesen Ort....Deshalb stellten sie ein wohlgefälliges ehrsames Pärchen vor....“ – „Ordentliche Leute können etwas zuwege bringen“, sagte die Wirtin zu Vreni und Sali, „wenn sie....fleißig und treu sind,“ - Und Vreni freute sich über „die wohlwollende Ansprache ...einer sehr vernünftigen Frau...“ Diese Stelle z.B. zeigt, wie die beiden Liebenden ganz der gesellschaftlich-bürgerlichen bzw. bäuerlichen „Realität“ zugewandt sind. Sie schätzen deren Tugenden und sind über die Anerkennung durch eine Mitbürgerin erfreut. Sie sind nicht von dem romantischen Drang beseelt, das spießige, vom praktischen Denken bestimmte Dasein zu fliehen. Ihr Liebestod ist nicht als Sehnsucht nach dem Unendlichen, dem Vollkommenen (Romantik), das in der Welt nicht zu realisieren ist, zu werten, sondern ist - wie es oben heißt (in der Interpretation von Bettina Wehen; s. Wikipedia) „das Resultat der Ausgrenzung durch die Dorfgemeinschaft“. Ein Liebespaar i.S. der Romantik hätte diese Ausgrenzung geradezu angestrebt. (S. z.B. der "Taugenichts" / Eichendorff, der, nachdem er seine Geliebte bekommen hat, sofort wieder - mir ihr zusammen - weg von den Bürgerlichen nach Italien strebt).


Malibu571 
Beitragsersteller
 16.11.2013, 12:40

Super erklärt! Danke:)